Kreis Lippe. Peter Schröder ist Schmerzpatient. Seit 30 Jahren leidet er an einer chronischen Darmerkrankung, hinzu kam Rheuma. Die Schmerzen sind schlimm, mitunter kaum auszuhalten. Peter Schröder hat Hilfe für sein Leiden gefunden: Cannabis.
Peter Schröder heißt eigentlich ganz anders. Er kommt aus Lippe, soviel sei gesagt, und er ist Anfang 40. Hier geht er ganz regulär einer Arbeit nach. Auch deshalb möchte er anonym bleiben. Denn obwohl er eine offizielle Erlaubnis von dem Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) hat, Cannabis als Medikament regelmäßig zu konsumieren, weiß Peter Schröder, dass er mit Konsequenzen rechnen müsste, wenn dies publik werden würde: "Das alles geschieht hinter vorgehaltener Hand und ist ein großes Tabu-Thema."
Peter Schröder möchte das ändern. Er möchte, dass die medizinische Verwendung von Cannabis straffrei bleibt und dass die Krankenkassen die Behandlung zahlen: "Damit sie jedermann zugänglich ist. Denn Arbeitslose oder Geringverdiener können sich das doch bislang gar nicht leisten", kritisiert der Lipper die Zwei-Klassen-Medizin.
Der Mediziner Dr. Franjo Grotenhermen hat dafür eine Petition an den Deutschen Bundestag auf den Weg gebracht (siehe Kasten), für die der Lipper um Unterstützung wirbt: "Wir benötigen 50 000 Unterschriften, aber selbst die Menschen, die unser Anliegen unterstützen, trauen sich häufig nicht, mit ihrem Namen und ihrer Adresse zu unterzeichnen", erläutert er das Problem. Bis zm 10. September können Unterstützer noch ihre Stimme abgeben.
Dass Peter Schröder zu den rund 270 Patienten zählt, die sich in Deutschland offiziell selbst mit Cannabis behandeln dürfen, verdankt er gleich mehreren Umständen: "Ich habe einen Arzt gefunden, der mir ein Attest ausgestellt hat und nicht gleich gerufen hat: ,Hol dir doch deine Drogen woanders", berichtet er. Zudem habe er die medizinischen Voraussetzungen erfüllt, sei psychisch stabil, rauche nicht, trinke keinen Alkohol, ernähre sich gesund und sei über die Jahrzehnte mit den herkömmlichen Medikamenten austherapiert. So konnte er die Ausnahmegenehmigung beim BfArM beantragen.
Seit knapp einem Jahr nun inhaliert Peter Schröder die Cannabis-Blüten mit einem speziellen Vaporizer: 16,8 Gramm darf er im Monat einnehmen, hat das Bundesministerium ihm bescheinigt. Die 5 Gramm-"Cannabis Flos"-Döschen kommen aus den Niederlanden, er kauft sie für 84,95 Euro in einer hiesigen Apotheke: "Das ist sogar recht günstig, weil ich den Apotheker kenne. Es gibt auch Apotheken, die die Dose für 120 Euro verkaufen."
Unterm Strich zahlt er so rund 250 Euro im Monat für sein Medikament, das er nur abends vor dem Schlafengehen inhaliert: "Das Mittel gibt mir Lebensqualität zurück. Es wirkt schmerzstillend und hat eine antidepressive, aber keine berauschende Wirkung." Mit dem herkömmlichen Kiffen habe das nichts zu tun, betont er, dafür sei die Dosis viel zu gering. Dennoch könne die Hanf-Therapie vielen helfen – Menschen mit Multipler Slerose, Morbus Crohn oder Morbus Bechterew, Tourette-Syndrom, Epileptikern, ADHS- oder Krebs-Patienten, beispielweise.
Dr. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft "Cannabis als Medizin", hat die Petition am 16. August gestartet. Wenn bis 10. September 50 000 Deutsche den Aufruf unterzeichnet haben, wird sein Anliegen öffentlich im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags beraten.Grotenhermen begründet seine Initiative damit, dass "die inhumane strafrechtliche Verfolgung von kranken Bundesbürgern, die mit Unterstützung ihres Arztes eine Selbsttherapie mit Cannabis durchführen, beendet werden muss". Da die Kassen die Kosten für Cannabis bisher in der Regel nicht übernehmen, seien "vermögende Patienten in Deutschland hinsichtlich der Möglichkeiten der medizinischen Nutzung von Cannabisprodukten deutlich besser gestellt", kritisiert der Arzt. Viele seien gezwungen, sich illegal mit Cannabisprodukten selbst zu therapieren. Doch: Auf dem Schwarzmarkt gehandeltes Cannabis ist oft – beispielsweise mit Zucker oder Blei – künstlich gestreckt oder mit Pestiziden verunreinigt. In anderen Ländern seien unterschiedliche Lösungen für dieses Problem gefunden worden: So erstatten viele Krankenkassen in den Niederlanden eine Behandlung mit Cannabisblüten. In Israel und Kanada sind die Preise für Cannabisprodukte wesentlich niedriger als in Deutschland, es gibt zigtausende Patienten. In Spanien sei der Anbau von Cannabis für den Eigenbedarf erlaubt.
Mehr Informationen und einen Link zur Online-Petition gibt es unter www.hammf.wordpress.com oder www.cannabis-medizin-petition.de im Internet.(sb)