150 Jahre Hermann

Eine Idee trifft auf fruchtbaren Boden Ernst von Bandels Pläne kamen genau passend: Die Analogien zu Arminius waren wunderbar zu ziehen. Das Kaiserreich war gegründet, es gab einen nationalen Taumel. Martin Hostert Kreis Lippe. Das Hermannsdenkmal, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Kyffhäuser, am Deutschen Eck oder in Porta Westfalica sind ungefähr im gleichen Zeitraum entstanden, etwa von 1875 bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Michael Zelle, Direktor des Lippischen Landesmuseums, erklärt Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Nationaldenkmäler und sagt: Arminius war die geeignete Figur für die Formulierung deutscher Identität und die Schaffung eines einheitlichen Nationalstaates. Was verbindet diese Denkmäler? MICHAEL ZELLE: Es war die große Zeit der Nationalstaatsbildung. Diese Denkmäler übermittelten der Bevölkerung Botschaften im Dienste deutscher Identitätsbildung. Wer sind wir? Natürlich die Größten. Und, was sie noch verbindet: Sie erzählen in einer Nationalromantik stolze, schaurig-mystische Geschichten, hinter denen oftmals blutige Realitäten steckten. Man denke an die Schlacht im Teutoburger Wald. War es denn immer schon so, dass sich national Gesinnte oft und gern an diesen Denkmälern treffen? Denkmäler werden immer für eine bestimmte Zeit mit ihren aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen geschaffen. Und wenn diese Zeit vorbei ist, sind sie erklärungsbedürftig, weil sich uns nicht mehr alles aus ihnen selbst heraus erklärt. Heute fallen uns mit zeitlichem Abstand und anderen Ansichten vor allem die negativen Seiten überbordenden Nationalismus zu Zeiten der Entstehung dieser Denkmäler auf: Abgrenzung nach außen, verheerende Weltkriege, Rassismus… Diese Denkmäler sind immer schon Anziehungspunkt für die gewesen, die nationalistisch geprägt sind. Ordnen Sie doch bitte die Zeit zur Errichtung des Hermanns vor 150 Jahren etwas ein. Der Adel hatte über Jahrhunderte lang Familiengeschichten und Abstammungen konstruiert, um seine Berechtigung zu legitimieren, über andere zu herrschen. Das Bürgertum emanzipierte sich vor allem im 19. Jahrhundert nun in einem langsamen Prozess vom Adel: Das sind die Voraussetzungen für die Bildung des Nationalstaates – gepaart mit der Neuordnung Europas durch Napoleon. Politisch und wirtschaftlich hatte sich die Kleinstaaterei tatsächlich überlebt, die Neuordnung war in vielerlei Hinsicht ja durchaus sinnvoll. Die Nicht-Adeligen definierten sich nun mangels großer Familientraditionen über die Gemeinschaft, die Nation. Doch auch diese braucht ja eine großartige und lange Geschichte. Da lag es in Deutschland nahe, aus geografischen Gründen die Germanen als geeignete Vorfahren zu definieren. Ist diese Geschichte zurechtgebogen? Natürlich macht unser heutiges „Deutschsein“ das Erbe vieler verschiedener Völker und Kulturgruppen aus. In uns steckt mindestens genau so viel Römisches wie Germanisches. Es ist ja eben das Wesen kultureller und historischer Entwicklung, sich gegenseitig zu beeinflussen. Die kulturelle Aneignung, die von vielen heute so gebrandmarkt wird, ist der Normalfall der Geschichte, nur daraus entwickelt sich ja etwas Neues. Das zu verpönen, ist im Grunde lächerlich. Ein weiteres Kontinuum der Menschheitsgeschichte ist die Migration, die gegenseitige kulturelle Beeinflussung zwingend zur Folge hat. In dieser ersten Phase des 19. Jahrhunderts kommt das Hermannsdenkmal warum ins Spiel? Ein Wesen des Nationalismus ist ja, die eigene Nation in Abgrenzung zu anderen zu definieren. Arminius erfüllte als Vorbild dafür viele Voraussetzungen: Er war eine positiv besetzte Führerfigur, ein integrer Typ, militärisch erfolgreich. Er hat zerstrittene Stämme geeint, zumindest kurzfristig, und mit dieser Koalition etwas Großes erreicht, nämlich die römischen Eroberungsversuche abgewehrt. Er war also auch ein Befreier von Fremdherrschaft. Also war er die geeignete Figur für die Formulierung deutscher Identität und die Schaffung eines einheitlichen Nationalstaates und die Abkehr von vermeintlich schwächeren kleineren deutschen Einzelstaaten im Spiel europäischer Mächte. Dies war im Deutschland des 19. Jahrhunderts ein wichtiges Thema. In diese Zeit passen der Bau der Walhalla oder der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler. Aber, anders als bei Hermann: Kaiser Wilhelm lebte ja noch oder war gerade tot – er war keine Figur von vor 2000 Jahren. Genau. Es ging anders als beim Hermann um repräsentative Denkmäler zu Ehren des Verstorbenen. Die Walhalla gilt als erstes Gedenkgebäude für die deutsche Nation, kommt aber als griechischer Tempelbau daher. Damit hatte man ein wichtiges Ziel erreicht: einen etablierten, sakralen Gebäudetypus mit Das Hermannsdenkmal aus der Vogelperspektive. Foto: Landesverband Lippe Im Interview: Michael Zelle, Direktor des Lippischen Landesmuseums. Foto: Cordula Gröne Arminstraße 53 32756 Detmold Tel. 05231/24397 Fax 05231/29711 www.reifen-reese.de „Wir gratulieren dem Hermann“ Alles Gute zum 150. Geburtstag Hermann! 16891101_800125 17221601_800125 150 Jahre Hermann 20 SAMSTAG/SONNTAG 9./10. AUGUST 2025

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