150 Jahre Hermann

Die Wahrheit um die Varusschlacht Auf Spurensuche nach den Wurzeln des Hermannsdenkmals geht es nach Kalkriese bei Osnabrück. Dort befindet sich der Austragungsort der Varusschlacht – zumindest der wahrscheinlichste. Yvonne Glandien Kalkriese. In ganz Lippe begegnet man ihm in Bronze, auf Plakaten, als Souvenirfigur – und sogar als Badeente: Hermann, der Cheruskerfürst, steht im Lipperland nicht nur auf der Grotenburg, sondern auch für ein kräftiges Stück regionaler Identität. „Land des Hermanns“ – so nennt sich die Region gern selbst, vor allem in diesem Jubiläumsjahr: 150 Jahre Hermannsdenkmal. Es ist ein Monument für einen Mythos: Arminius, der Befreier der Germanen, der Sieger der Varusschlacht. In Lippe ist „der Hermann“ allgegenwärtig. Aber was, wenn die Schlacht, um die sich alles dreht, gar nicht hier stattfand? WersichaufdieSuchenachderVarusschlacht macht, landet jenseits der Landesgrenzen – im niedersächsischen Kalkriese. Hier, rund 100 Kilometer von Detmold entfernt, wurde vor mehr als 30 Jahren ein römisches Schlachtfeld mit Schleuderbleien und Münzen entdeckt. Ein Schlachtfeld, das Historiker und Archäologen auf die Zeit um 9 nach Christus datieren. Die Zeit, in der sich Arminius und Varus im Kampf um Germanien gegenüberstanden. Kalkriese, das ist hauptsächlich freies Feld – nördlich von Osnabrück, zwischen Feldern, Wäldchen und einem stillen Bachlauf. Es ist ruhig hier. Keine Touristenmassen, kein Denkmal, keine patriotischen Sprüche. Stattdessen: ein moderner Museumsbau, archäologische Lehrpfade, ein paar Spielstationen für Kinder – und im Museumsshop: Soldaten, Varus-Gin und römische Gummienten. Ein Major, ein Metalldetektor und eine kleine Sensation Dr. Stefan Burmeister, Geschäftsführer des Museums und Parks Kalkriese, nimmt sich Zeit. Er führt durch das Haus, erzählt unaufgeregt, kennt jedes Detail. Die Geschichte beginnt, wie er sagt, mit einem Zufall – oder eher mit einer Leidenschaft: „In den 1980er Jahren ist der britische Major Tony Clunn nach Osnabrück versetzt worden. In der damaligenRheinarmeegabesdortnoch eine britische Garnison. Und er war ein passionierter Sondengänger. Er hat den Kontakt zu dem örtlichen Kreisarchäologen gesucht, Wolfgang Schlüter. Und der hat ihn nach Kalkriese geschickt und gesagt, geht da mal suchen.“ Clunn suchte – und fand. Erst das Übliche: Münzen, Scherben. Doch 1987 tauchten drei kleine Objekte auf, die es in sich hatten. Burmeister: „Es hat lange gebraucht, bis man sie identifiziert hat. Es handelt sich um römische Schleuderbleie.“ Dieser Fund, die Munition von Fernwaffen, mit denen die Römer auf Distanzen über 100 Meter treffsicher feindliche Helme durchschlagen konnten, seien das „Smoking Gun“ in der Suche um den Ort der VaKaum zu übersehen: Die Abbildung der Reitermaske in der Ausstellung in Kalkriese. Hier trifft LZ-Redakteurin Yvonne Glandien auf den Museums-Geschäftsführer Dr. Stefan Burmeister. Foto: Kirsten Fuhrmann Varus und Arminius – die zwei historischen Figuren geben Rätsel auf. Ist in Lippe der Cheruskerfürst das Aushängeschild der Region, hat sich Kalkriese für die Seite des Verlierers entschieden. Das zeigt sich selbst in den Badeenten, die vermarktet werden. Hier stehen sie Auge in Auge vor dem Museum Varusschlacht in Kalkriese. Foto: Yvonne Glandien 18764401_800125 150 Jahre Hermann 26 SAMSTAG/SONNTAG 9./10. AUGUST 2025

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