150 Jahre Hermann

Der Urknall deutscher Geschichte? Wo die Varusschlacht wirklich war, ist gar nicht wichtig, sagt Karl Banghard. Der Direktor des Archäologischen Freilichtmuseums Oerlinghausen stellt die Diskussion darüber vom Kopf auf die Füße. Martin Hostert Oerlinghausen. Da schreibt einer einen Spiegel-Bestseller über das wahre Leben der Germanen, das Buch wird bundesweit von den Kollegen vom „Spiegel“ bis zur „Zeit“ besprochen, hat eine Geo-Titelgeschichte in Aussicht – und unser Hermann kommt so gut wie gar nicht vor? Das muss Autor Karl Banghard, Direktor des Archäologischen Freilichtmuseums Oerlinghausen, einmal erklären. Er stellt nämlich im Kapitel „Varusgate“ die ganze Entstehungsgeschichte hinter dem Hermann, hinter der Heldensage und dem Germanen-Kult vom Kopf auf die Füße. „Jahrzehntelang wurde heiß darüber gestritten, wo die Varusschlacht stattgefunden hat. Heute ist das den meisten Archäologen völlig egal“, schreibt Banghard. Ein Satz, den die Lipper und erst recht die Detmolder nicht schulterzuckend zur Kenntnis nehmen können, um sich dann anderen Dingen zu widmen. Schließlich steht das Hermannsdenkmal da, wo es steht, in Erinnerung an eben jene Schlacht. Banghard bezeichnet vielmehr das ganze Gebiet zwischen Elbe und Rhein als „Musterregion“ dafür, zu erforschen, wie die römische Kolonialisierung überhaupt funktioniert hat. Einen enormen Beitrag liefere das beeindruckende Schlachtfeld in Kalkriese. „Ob hier wirklich ein Teil der Varusschlacht stattgefunden hat, ist nicht so sicher, wie es das Regionalmarketing vermittelt.“ Keine Funde bezeugten die Anwesenheit einer der drei Legionen direkt, aber es gebe auch Argumente für Kalkriese als Ort. Aber, wie gesagt: Das sei gar nicht so wichtig. Dass Kalkriese indes ohne Fragezeichen mit dem Slogan „Varusschlacht im Osnabrücker Land“ werbe, sage viel über unser Geschichtsbewusstsein aus: „Die fundamentale Frage nach dem Wie und Warum wird von einer Schnitzeljagd nach dem Ort der Schlacht in den Schatten gestellt.“ Dies ergebe nur für eine Medienlogik Sinn, die historische Zusammenhänge ausklammere, „für Geschichte jenseits des Regionalmarketings weniger“. Karl Banghard stellt allerdings die Fragen nach dem Wie und Warum und gibt Antworten. Berichtet davon, dass Augustus zwischen 16 und 13 vor Christus einen Großteil der gallischen Legionen an den Rhein verlegen ließ, die größten Basen waren Mainz und Xanten. In Kurzform: „Die Standorte waren umsichtig gewählt, sie ermöglichten es den Römern, auf den schiffbaren großen Flüssen Rhein und Lippe tief ins Land einzudringen. Mit diesen Truppenverlegungen wurde der 30-jährige Krieg gegen die Germanen eingeläutet.“ Die erste Phase ging für die Römer „ausgesprochen glatt“, schreibt Banghard. Zwischen Rhein und Weser entstanden viele neue Zentren, etwa in Haltern. Zwischen 5 und 9 nach Christus unterwarfen sich viele Germanen den Römern, Arminius kommandierte sogar römische Einheiten und bekam Bürgerrechte, lockte später aber drei römische Legionen in einen Hinterhalt. Aber wo im Teutoburger Wald sind drei Legionen, sechs Kohorten und drei Einheiten von Hilfstruppen untergegangen? Da über Generationen hinweg die Varusschlacht als Urknall „deutscher Geschichte“ und das Jahr 9 als Ende römischer Besiedlung angenommen worden sei, habe man den Ort mit dem Datum kombiniert „und dreht sich möglicherweise im Kreis“. In Detmold allerdings, das sei sicher, „gibt es keine Hinweise auf eine Schlacht“. Der Hermann taucht dann aber doch noch im Buch auf. Dass AfDMann Björn Höcke 2016 bei einer Veranstaltung als „Hermann der Cherusker“ angekündigt worden sei, sei mehr als ein harmloser Spleen, schreibt Banghard. „Erzählt wird eine Germanengeschichte, deren Kernaussagen 1945 eingefroren zu sein scheinen.“ Dabei biete die rechte Germanengeschichte „mehr als schlechte Archäologie für einfache Gemüter.“ Es gehe ihr um die serielle Produktion von Sinn, „ausgehend vom Versprechen, den Menschen in ein ursprüngliches, geborgenes und widerspruchsfreies Sein zurückzuversetzen. (...) Mit den historischen Germanen hat das wenig zu tun.“ Aus der Fotoserie für das Buch: So waren die Germanen wohl in der Senne unterwegs. Foto: Jonas Radtke/Ullstein-Verlag Karl Banghard, hier vor dem Langhaus im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen. Foto: Martin Hostert Idylle bei der Feldarbeit? In Szene gesetzt für Banghards Buch. Foto: Jonas Radtke/Ullstein-Verlag 100Jahre inDetmold Arminstraße 80 | Detmold | 05231-9749410 | farben-willer.de Ihr Fachgeschäft für Tapeten Farben Lacke Bodenbeläge Holzschutz Werkzeuge FARBENHAUS Für ein schöneres Zuhause Kompressionsstrumpfversorgung Bandagen und Orthesen orthopädische Einlagen & Schuhe Prothesen Rollatoren, E-Mobilität und Alltagshilfen Produkte für die Pflege ...und vieles mehr! Vitalzentrum Kühlmuss & Grabbe Paulinenstr. 99 I 32756 Detmold mehr Infos Tel.: 05231 9200 0 info@vitalzentrum.com www.vitalzentrum.com 18840401_800125 18973801_800125 150 Jahre Hermann 37 SAMSTAG/SONNTAG 9./10. AUGUST 2025

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