Als Frankreich ein Reizwort war Heute sind sie Freunde, früher erbitterte Feinde, die sich hasserfüllt belauerten. Dies bestimmte lange die Beziehungen zwischen Deutschen und Franzosen – wie am Hermann zu sehen. Benjamin Marquardt Kreis Lippe. 878 Kilometer beträgt die Luftlinie zwischen Paris und Berlin. Aus europäischer Perspektive wird diese Verbindung der beiden großen Volkswirtschaften oft als Achse gesehen, die das Projekt Europäische Union trägt. Aber auch sonst herrscht Freundschaft. Der Besuch bei den französischen Nachbarn ist für Deutsche ebenso selbstverständlich wie für die Franzosen die Visite in die Gegenrichtung. Es herrscht Frieden und Freundschaft zwischen den Ländern. Doch das war nicht immer so. Denn eine tiefe Feindschaft und ein ausgewachsenes Misstrauen prägte für viele Jahrzehnte die deutsch-französischen Beziehungen. Mit dem Krieg 1870/71 glaubte man im neuen Deutschen Kaiserreich über den französischen „Erbfeind“, wie es damals hieß, triumphiert zu haben. Auch für diesen zeitgenössischen Gegensatz und den Kriegsgewinn steht das Hermannsdenkmal, was sich bei genauerer Betrachtung der Inschriften schnell erschließt. Doch dazu später mehr. Zur Wurzel des Gegensatzes sollte ein heute weitgehend vergessener Konflikt werden: der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688-1697). Den hatte der französische König Ludwig XIV. im Rahmen seiner „Reunionspolitik“ angefangen. Ziel: Die Annektierung von Gebieten des Heiligen Römischen Reichs, die nach Auffassung Ludwigs zu Frankreich gehörten. Im Zuge des Erbfolgekriegs in der Pfalz verwüsteten französische Truppen linksrheinische Gebiete, was sich im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung einbrannte. Und auch wenn die Reunionspolitik größtenteils scheiterte: Frankreich durfte Elsass und Lothringen behalten. Das wird später noch mal interessant... Die wirkliche Zündung der „Erbfeindschaft“ erfolgte gut 100 Jahre später durch Napoleon Bonaparte. Der hatte in den wirren Jahren nach der Französischen Revolution 1789 mit einem Staatsstreich 1799 die Macht an sich gerissen und sich gar 1804 selbst zum Kaiser gekrönt. Eine Koalition aus Alliierten, meist gebildet um die tragenden Staaten Preußen, Russland, Österreich und Großbritannien, bekämpfte Napoleon, doch der begnadete französische Feldheer schaffte es, das französische Kaiserreich zum Hegemon Europas zu machen. Mit dem Sieg in der Schlacht bei Austerlitz (1805) und der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt (1806) hatte er Österreich bzw. Preußen geschlagen. Was folgte, war die BesetzungderbesiegtenStaaten.Und auch, wenn es Territorien wie das kleine Fürstentum Lippe schafften, sich eine gewisse Selbstständigkeit zu bewahren, indem sie wie Bayern, Württemberg oder Sachsen dem Rheinbund beitraten, so teilten sie alle das gleiche Schicksal: Sie mussten Napoleon Truppen und Ressourcen für seine ewigen Feldzüge stellen. DassunddieBesatzungschürtenUnfrieden und Hass gegenüber den Franzosen. Dieser entlud sich dann in den Befreiungskriegen 1813 bis 1815. Ausgehend von Preußen erhoben sich die deutschen Staaten mal mehr, mal weniger freiwillig gegen die französischen Besatzer und bezwangen sie in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813. 1814 erfolgte der Einzug in Paris. Hier entwickelte sich auch zum ersten Mal die Idee eines deutschen Nationalstaats. Diese Idee geriet im Verlauf des 19. Jahrhunderts in Deutschland zunächst wieder ins Hintertreffen. Einig war man sich jedoch in der Ablehnung Frankreichs, was sich bei unterschiedlichen Gelegenheiten immer wieder zeigte. Um von einer diplomatischen Schlappe im Orient abzulenken, löste Frankreich beispielsweise 1840 die Rheinkrise aus und forderte linksrheinische Gebiete (wieder einmal) sowie den Rhein als Grenzfluss. Das löste in den deutschen Ländern eine gewaltige Empörung und patriotische Stimmung aus; es entstanden Lieder wie „Die Wacht am Rhein“ oder „Das Lied der Deutschen“, dessen dritte Strophe die heutige Nationalhymne stellt. Auch wenn es dort noch nicht zum Konflikt kam: Er sollte kommen – und zwar 1870. Frankreich war seit 1852 wieder ein Kaiserreich, dieses Mal unter Napoleon III., einem Neffen des Napoleon Bonapartes. Er sann in den 1860er Jahren nach einigenRückschlägenaufeinenaußenpolitischen Erfolg, um sein Kaiserreich zu stabilisieren. Unterdessen hatte sich Preußen mittlerweile durch die Politik Bismarcks und zwei gewonnene Kriege (Deutsch-Dänischer Krieg 1864 und Deutscher Krieg 1866) zu einer Macht aufgeschwungen, die in Paris als bedrohlich empfunden wurde. Als ein Mitglied des Hauses Hohenzollern per Heirat der nächste spanische König hätte werden können, sah man sich eingekreist. Man versuchte, die Preußen in eine diplomatische Falle zu locken und zu einer Kriegserklärung zu provozieren. Aber Bismarck drehte den Spieß um, und mit seiner berühmtberüchtigten Emser Depesche verleitete er Frankreich zur Kriegserklärung, womit am 19. Juli der DeutschFranzösische Krieg begann. Doch die Franzosen hatten sich verschätzt: Nicht nur wurden sie von einem strategisch deutlich überlegenen Feldzug überrollt, auch blieben die süddeutschen Staaten nicht wie erwartet neutral. Die Empörung, dass der alte Feind erneut den Krieg erklärte, schlug voll durch – den verhassten Feind wollte man in die Schranken weisen. Schon am 2. September 1870 war die französische Armee in der Schlacht bei Sedan geschlagen, Napoleon III. gefangen genommen, sein Kaiserreich am Ende. Obwohl Frankreich noch weiterkämpfte, musste es am 10. Mai 1871 im Friedensschluss in Frankreich seine Niederlage eingestehen. Die Schmach wurde noch vergrößert, indem am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses das Deutsche Kaiserreich gegründet worden war. Damit war nun auch Deutschland ein Nationalstaat. Als Kriegsbeute kamen neben gewaltigen Geldzahlungen auch Elsass und Lothringen wieder zum deutschen Machtgebiet. Die Nachricht über den Sieg löste im Kaiserreich Begeisterungsstürme aus. Ein Zeugnis dafür sind die Texttafeln und Inschriften, die am Hermannsdenkmal angebracht wurden. Zunächst einmal wurde damals ganz bewusst wieder der Vergleich gezogen, dass Einigkeit Sieg bedeutet – egal, ob es Arminius und „seine Germanen“ oder Kaiser Wilhelm und seine Deutschen seien. Darauf verweist die Inschrift des Schwerts „Deutsche Einigkeit meine Stärke“ auf der Vorderseite, sowie „Meine Stärke Deutschlands Macht“.NochkonkreterwirdeinRelief, das Wilhelm I. zeigt, und ihn durch eine Inschrift darunter in direktenBezugzuArminiussetztdurch folgenden Text: „Der lang getrennte Staemme vereint mit starker Hand, Der welsche Macht und Tücke siegreich überwand, Der längst verlorne Söhne heimführt zum Deutschen Reich, Armin, dem Retter ist er gleich“. Weitere Reliefs nehmen sogar direkt Bezug auf den Deutsch-Französischen Krieg, sprechen davon, dass „französischer Übermut gezüchtigt wurde“ und dass Napoleon Bonaparte einst nur die Deutschen besetzen konnte, weil diese uneins waren. Es wird noch einmal daran erinnert, dass 1813 nur vereint unter Preußens Führung die Freiheit erkämpft worden sei. In die nationale Euphorie in Deutschland des späten 19. Jahrhunderts mischte sich nach wie vor die Ablehnung Frankreichs, das seinerseits auf Rache sann. Besonders der Verlust von Elsass und Lothringen schmerzte Frankreich. Die „Erbfeindschaft“ loderte weiter, und es sollte noch zwei verheerende Weltkriege brauchen, bis sie endlich überwunden war. WährendinLippedasHermannsdenkmaleingeweihtunddernationaleTriumphüberFrankreichimDeutschFranzösischen Krieg gefeiert wird, bildet sich in der geschlagenen Grande Nation ein ausgesprochener Revanchismus aus, symbolisiert in dem Bild „Die Geographie-Stunde“ aus dem Jahr 1887 des französischen Malers Albert Bettannier. Der Lehrer zeigt auf die als Kriegsbeute abgetretenen Provinzen Elsass und Lothringen, die einen schwarzen Fleck auf der Landkarte bilden. Quelle: Wikimedia Erbfolgekrieg als Quelle des Übels Wilhelm I. wird mit Hermann verglichen 1870 entlädt sich der nächste Konflikt GmbH ... weil’s einfacher ist! 18171501_800125 150 Jahre Hermann 42 SAMSTAG/SONNTAG 9./10. AUGUST 2025
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