MAGAZIN Verlagsbeilage · Samstag, 4. März 2023
AUF KLIMAKURS Energie für die Region. Engagement für die Zukunft. für Lippe! 11863401_800123
Liebe Leserinnen, liebe Leser Fürstentum, Freistaat, als Kreis nun dritter Landesteil. Die Geschichte unserer Heimat ist eine bewegte. Wie feiert man neun Jahrhunderte Lippe und das 50-jährige Bestehen dieses Landkreises in seiner jetzigen Form? Und das in Zeiten von Krieg und Krise? Die Verantwortlichen haben es sich in dieser Frage nicht leicht gemacht. Aber ihre grundsätzliche Entscheidung, über das Erreichte glücklich zu sein und das allen Bürgerinnen und Bürgern auf Festen zu zeigen, ist richtig. Sich zu freuen und gleichzeitig nicht die Augen zu verschließen vor dem, was Sorge bereitet, das muss möglich sein. Und wie würdigt die Lippische LandesZeitung, seit mehr als 250 Jahren Chronistin der Geschehnisse in Lippe, das Doppel-Jubiläum? So, wie sie es am besten kann. Journalistisch. Über das Jahr 2023 verteilt werden Sie, liebe Leserinnen und Leser, unterschiedliche Sonderveröffentlichungen in Ihrer LZ finden. „Lippewar“, „Lippe ist“ und „Lippewird“ sind die drei Perspektiven, aus denen wir aufs Jahr verteilt und in drei Heften auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der heimischen Region schauen. In Reportagen, Berichten und kommentierenden Texten suchen wir die Besonderheiten des sich nun feiernden Kreises. Und derer, die ihn prägen. Heute halten Sie unsere offizielle Jubiläumsbeilage in der Hand. In dieser haben die Redakteurinnen und Redakteure das gemacht, was sie am besten können. Gut fragen und den Antwortenden gut zuhören. Wir haben uns als Lippische Landes-Zeitung bewusst dazu entschieden, in diesem Heft ausschließlich Interviews zu veröffentlichen. Weil diese authentisch wiedergeben, was schlaue und interessante Gesprächspartner wissen und zu erzählen haben. In Detmold und in Lemgo, inDüsseldorf und inKöln:Überall trafen wir Menschen, die unserer Einladung zum Gespräch gern gefolgt waren. So unterschiedlich die Themen und die Antworten auch sind, eines eint alle Gesprächspartner: Sie haben eine emotionale Bindung zu Lippe. Dass nicht alles Gesagte objektiv ist, muss erlaubt sein. Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl, sang einst Herbert Grönemeyer. Ein passender, ein schöner Satz. Zum Feiern gehört auch, dass das Wort „stolz“ ohne Beklemmung genutzt werden darf. „Der Stolz ist die Freude, die der Gewissheit entspringt, etwas Besonderes, Anerkennenswertes oder Zukunftsträchtiges geleistet zu haben.“ So definiert die Web-Enzyklopädie Wikipedia diesen Begriff. Passt. Zu Lippe. Und zum Jubiläum. Dirk Baldus, Chefredakteur Lippe ist Powerfrauen. Seit 900 Jahren! 11783901_800123 900 Jahre Lippe · 50 Jahre Kreis Lippe 3 SAMSTAG 4. MÄRZ 2023
INHALT Die Rose ist immer mit dabei 6 Auch an seinem Schreibtisch in der Staatskanzlei hat NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst den dritten Landesteil stets im Blick. Im Interview verrät er, warum Lippe ihm am Herzen liegt. Zwei Kölner mit Detmold im Herzen 10 TV-Moderator Matthias Opdenhövel und sein Fernsehkollege sowie Podcaster Tommi Schmitt sind die wohl bekanntesten Detmolder Exporte. Weshalb sie der „Detmold-Vibe“ stets begleitet. Beschützer der „lippsken Sproke“ 14 Wer mehr über die lippische Seele erfahren will, kommt an Werner Zahn nicht vorbei. Er erzählt von Tradition und Bräuchen – und übersetzt das Gespräch gleich auf Platt. „Lippe hat seine Wiege wieder“ 16 Neben der Gründung des Innovation Campus hält Landrat Dr. Axel Lehmann die Ausgrabung der Falkenburg für eine der besten Entscheidungen der vergangenen Jahrzehnte. Heimat geht durch den Magen 22 Mit Landfrau Marlies Witte und Sternekoch Jan Diekjobst treffen sich Tradition und Moderne. Oder doch nicht? Ein Gespräch über die Wurzeln der lippischen Küche, Emotionen und Pickert. „Es ist ein großes Privileg“ 28 Maria Prinzessin zur Lippe und Stephan Prinz zur Lippe über die Freude und auch die Bürde eines Lebens im Schloss. Bewusst öffnen sie ihr Anwesen für verschiedene Veranstaltungen. „Alte Häuser sind Kulturerbe“ 32 Dr. Heinrich Stiewe vom Freilichtmuseum Detmold begeistert sich seit seiner Kindheit für historische Gebäude. Das Wohnen war in früheren Zeiten aber oftmals äußerst spartanisch. 16 22 6 10 28 40 14 900 Jahre Lippe · 50 Jahre Kreis Lippe 4 SAMSTAG 4. MÄRZ 2023
„Lipper sind begeisterungsfähig“ 36 Am 5. März gibt es einen besonderen Jubiläums-Festakt für geladene Gäste im Landestheater. Intendant Georg Heckel spricht im Vorfeld über die Bedeutung von Theater für und in Lippe. Ein kleiner Streifzug durch 900 Jahre 40 Von der ersten urkundlichen Erwähnung Lippes 1123 bis zur 250-Jahr-Feier der LZ 2017: 16 Meilensteine der Geschichte zeigen die Entwicklung vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Unterwegs in Lippes Schatzkammer 42 Zwischen den beiden lippischen Wahrzeichen spricht Landesverbandsvorsteher Jörg Düning-Gast über Schuhgrößen, den Wald, das Hermannsland und sein Verständnis von Dienstleistung. Lipper lassen auch Eier leuchten 48 Prof. Dr. Helene Dörksen ist ein Beispiel für die lippische Innovationskraft. Die Mathematikerin forscht an der Geschlechtsbestimmung von Küken noch im Brutei. „Mehr Zukunft geht nicht“ 52 Der langjährige Unternehmer und Ex-IHK-Präsident Ernst-Michael Hasse spricht im Interview über den Fachkräftemangel, Fehler der Politik und die Vorzüge der lippischen Wirtschaft. „Hier bin ich der Natur nah“ 56 Obwohl er weltweit unterwegs ist, ist der Detmolder Naturfilmer Robin Jähne ein Fan der lippischen Tier- und Pflanzenwelt. Er stellt aber auch gravierende Veränderungen in der Natur fest. Zurück zu den fürstlichen Wurzeln 60 Die Zusammenlegung der Landkreise Lemgo und Detmold ging 1973 im NRW-Vergleich ruhig über die Bühne. Für den Historiker Prof. Dr. Hans Walter Hütter ist das kaum überraschend. Die Welt zu Gast in Bad Salzuflen 66 Die Erfolgsstory der „Messe OWL GmbH“ ist eng mit der M.O.W. verbunden. Mit Wehmut denken die Verantwortlichen an die Glanzzeit der lippischen Möbelindustrie zurück. Auf den Spuren der Ziegler 70 Joao Americo ist weltweit auf Montage und liebt seinen Job. An das einst harte Leben der lippischen Wanderarbeiter fühlt er sich nur beim Blick auf asiatische Hilfskräfte erinnert. „Der Junge braucht ’nen Auto“ 74 Als junger Mann merkte Florian Kehrmann vor 24 Jahren sehr schnell, dass ein fahrbarer Untersatz in Lippe hilfreich ist. Mittlerweile kennt und schätzt er in und um Lemgo viele Ecken. 36 48 56 60 66 32 42 52 70 74 900 Jahre Lippe · 50 Jahre Kreis Lippe 5 SAMSTAG 4. MÄRZ 2023
Die Rose ist immer mit dabei Auch an seinem Schreibtisch in der Staatskanzlei hat NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst den dritten Landesteil stets im Blick. Im Interview verrät er, warum Lippe ihm am Herzen liegt. Herr Ministerpräsident, sitzt man hier direkt am Rhein, ist Lippe ganz schön weit weg, oder? HENDRIK WÜST: Lippe ist räumlich etwas von Düsseldorf entfernt, gedanklich aber immer präsent. Sie sehen die Landesfahne, die direkt neben meinem Schreibtisch steht: Die lippische Rose darin ist nicht zu übersehen. Der lippische Landesteil hat sich ja ganz bewusst fürNordrhein-Westfalen entschieden. Lippe macht Nordrhein-Westfalen erst komplett. Alle Landesteile und Regionen bringen ihre Besonderheiten ein, wir haben eine gute Mischung aus Stadt und Land – das macht unser Land so stark. Das gilt auch für die Landesregierung: Ich komme selbst aus dem ländlichen Raum, andere Kabinettsmitglieder kommen aus Städten. Gemeinsammachen wir Nordrhein-Westfalen stärker, als jeder allein es könnte. Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie die lippische Rose im Landeswappen sehen? WÜST: Lippe ist eine besonders schöne Region mit einer wunderbaren Landschaft, die viel Lebensqualität bietet. Persönlich habe ich sehr gute Erinnerungen an den Austausch mit der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. InmeinerZeit alsVerkehrsministerhabenwiruns gemeinsam einige interessante Projekte angeschaut. Die engeVerbindung vonHochschule undMittelstand ist eine Stärke der Region. Nach außen hin gilt unser Land ja immer noch vor allem als Standort der großen Industrie. Doch gerade der Mittelstand beschäftigt viele Menschen und ist Motor der Wirtschaft. Lippe mit seinem leistungsfähigen Mittelstand und Weltmarktführern in Zukunftsbranchen ist ein gutes Beispiel. Erst Fürstentum, dann Freistaat, heute als einzelner Landkreis dritter Landesteil. Drehen wir mal das Rad der Geschichte zurück. Um was beneiden Sie als Ministerpräsident die Monarchie? WÜST: AmEnde gewinnt fürmich immer die Demokratie. Die Demokratie ist die beste Staatsform für unser Zusammenleben, für Vielfalt und Freiheit – gerade auch in Krisenzeiten. Also der Freistaat Bayern ist da für Sie kein Vorbild? WÜST: Man kann sich bei jedem Land etwas abschauen. Aber die Bayern sind in manchen Bereichen sicher auch neidisch auf uns. Allein die Universität Bonn hat sechs Exzellenzcluster – das sind so viele wie an allen Universitäten in Bayern zusammen. Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass jedes Land seine Stärken hat. Der bayerische Löwe ist halt manchmal etwas selbstbewusster im Auftreten. Wir Westfalen und Rheinländer sind vielleicht etwas weniger lautstark. Aber auch wir wissen, was wir können. Einer Ihrer Amtsvorgänger, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, hat 2009 bei einem Festakt des Landesverbandes in Detmold die lippischen Punktationen offiziell bestätigt. Kann man das von Ihnen auch erwarten, wenn Sie dem FürstentumAnfangMärz zu 900 Jahren gratulieren? WÜST: Diese Entscheidung steht für mich nicht infrage. Wenn Bedarf besteht, diese erneut zu bestätigen, wäre ich dazu gern bereit. Auch wenn ersterer derzeit am Rande steht: Mit Ex-Kanzler Gerhard Schröder und dem amtierenden Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier hat Lippe zwei sozialdemokratische Staatsmänner hervorMinisterpräsident Hendrik Wüst (rechts) spricht mit LZ-Chefredakteur Dirk Baldus in der Düsseldorfer Staatskanzlei. FOTO: MARTIN GÖTZ 900 Jahre Lippe · 50 Jahre Kreis Lippe 6 SAMSTAG 4. MÄRZ 2023
From Detmold with Love L E O P O L D I N U M | D E T M O L D F Ü R S T L I C H E S R E S I D E N Z S C H L O S S | D E T M O L D C U S T O M E R T E C H N O L O G Y C E N T E R | D E T M O L D S C H L O S S B R A K E | L E M G O W E I D M Ü L L E R W E L T | D E T M O L D E X T E R N S T E I N E | H O R N - B A D M E I N B E R G W E I D M Ü L L E R A K A D E M I E | D E T M O L D H E R M A N N S D E N K M A L | D E T M O L D H O C H S C H U L E F Ü R M U S I K | D E T M O L D W E I D M Ü L L E R P R O D U K T I O N | D E T M O L D G R A D I E R W E R K E | B A D S A L Z U F L E N W E I DMÜ L L E R P R O D U K T I O N | D E T MO L D W E I DMÜ L L E R P R O D U K T I O N | D E T MO L D W E I DMÜ L L E R P R O D U K T I O N | D E T MO L D L A N D E S T H E A T E R | D E T M O L D 11243101_800123
gebracht. Wie erklärt sich der CDUMann Wüst, dass bislang keiner der lippischen Seinen zu höchsten politischen Weihen kam? WÜST: Es gibt in der Region auch starke Vertreter aus meiner politischen Heimat. Und die Geschichte geht ja immer weiter. Was nicht ist, kann also noch werden. Rheinländer, Ruhrgebietler, Münsterländer, Ostwestfalen, Lipper: Wie schwer ist es für den Ministerpräsidenten des einwohnerreichsten Bundeslandes, sovieleMenschenzueinen? WÜST: Die Vielfalt ist eine Stärke des Landes. Die Menschen eint in ihrem Alltag der Wunsch an die Politik, dass vergleichbare Dinge auchgleichgut funktionieren.Dass es gute Bildung an den Schulen gibt, dass der Staat für Sicherheit und eine gute Gesundheitsvorsorge sorgt. Und zwar überall – in den ländlichen Regionen und in den Städten. Die wesentlichen Dinge, diePolitik zuermöglichenhat, sind sehr vergleichbar. Der Weg dahin ist manchmal etwas unterschiedlich. Die Ansprüche an Mobilität sind in der Stadt etwas anders als auf dem Land – entsprechend gilt es für uns als Land, jeweils passgenau zu unterstützen. Bei allenHerausforderungen, vor denenwir stehen, gilt: Die Menschen aus all unseren Regionen können zusammen mehr erreichen. Ganz so schlecht scheinen Sie das Einen der Menschen ja nicht zu machen. Ihre Beliebtheitswerte in NRW sind weiter auf demWeg nach oben. Was erdet Sie? WÜST: Mich erdet das, was andere normale Leute auch erdet. Familienzeit. Auch wenn es von außen betrachtet bei Ministerinnen, Ministern oder Ministerpräsidenten nicht immer so aussieht: Es gibt in unserem Leben auch noch Normalität, das ist ein großes Glück. Zurück zu Lippe – liegt ja von hier aus auf dem Weg nach Berlin und vielleicht kommen Sie demnächst ja öfter mal vorbei. Das öffentliche Interesse an Lokalpolitik schrumpft. KomplexeEntscheidungsprozesse interessieren wenig. Machen Sie sich Sorge um die Demokratie, wenn Sie sehen, wie nachrangig Kommunalpolitik für viele Bürger wird? WÜST: Es gibt viele Gründe, für unsere Demokratie einzustehen. Ich will aber auch nicht in den Alarmismus einsteigen, den wir in den vergangenen Jahren oft gehört haben, etwa in Bezug auf die Spaltung der Gesellschaft während der Pandemie. Ja, wir haben in dieser Krisensituation gesehen, dass Menschen Angst um ihre Gesundheit hatten und sich einige deshalb sehr zurückgezogen haben. Andere Menschen haben sich Verschwörungstheorien zugewandt. Aber es gab und gibt nicht die große Spaltung unserer Gesellschaft durch Corona. Unsere Demokratie ist stark genug, um verschiedene Sichtweisen undDiskussionen auszuhalten. Wie ist Ihr persönlicher Blick auf Kommunalpolitik? WÜST: Die Respektlosigkeit von leider immer mehr Menschen gegenüber Bürgermeisterinnen, Bürgermeistern und Stadtratsmitgliedern ist eine Gefahr. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es ohnehin schwierig ist, Menschen zu finden, die diese wichtigen Aufgaben und Ämter übernehmen. Jetzt kommt vielleicht für manchen etwas Überraschendes: Der tüchtige Bürgermeister oder die tüchtige Bürgermeisterin, die ihr Herz am rechten Fleck und das Ohr bei den Menschen haben und in der Lage sind, Ideen umzusetzen, sind für das Wohl der Menschen in einer Stadt oftmals wichtiger als ein Ministerpräsident oder ein Bundeskanzler. Denn vor Ort wird unmittelbar das Leben der Bürger gestaltet. Alle, die mit viel Herzblut Kommunalpolitik machen, haben mehr Respekt verdient. Ich bin selbst 15 Jahre Stadtratsmitglied gewesen. Viele Leute machen sich kein Bild davon, wie viele Hosen man sich da in Sitzungen durchsitzt, wie viel Arbeit Kommunalpolitik ist. Viele Menschen opfern einen großen Teil ihrer Freizeit, damit es den Menschen in einem Ort gut geht. Und wenn es keine gute Lokaljournalisten mehr gibt, wird dieses auch nicht mehr publik... WÜST: Nach meiner Überzeugung ist professioneller Journalismus, der unabhängig und frei finanziert ist, nicht zu ersetzen. Für die Berichterstattung über die kleinen und großen Entwicklungen einer Region ist ein starker Lokaljournalismus unverzichtbar und wichtiger denn je. Die Kommunen in Lippe stehen jetzt seit einem Jahr vor der sehr schwerenAufgabe,Menschen zuhelfen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind. Wie kann die Landesregierung besser unterstützen? WÜST: Wir bauen die Unterbringung in den Einrichtungen des Landes kräftig aus. Wir haben die Zahl der Plätze seit Beginn des Krieges von 15.000 auf fast 30.000 verdoppelt. Und wir wollen noch mehrPlätze schaffen, so schnellwie es geht. Dabei würde ich mir auch wünschen, dass der Bund uns noch mehr hilft, Immobilien zu Verfügung zu stellen. Ich spüre eine groMinisterpräsident Hendrik Wüst inspiziert im März 2022 die Augustdorfer Bundeswehrkaserne. FOTO: PHILIPP KERSTEN Hendrik Wüst zu Gast bei ukrainischenFlüchtlingskindern in Stapelage im Dezember 2022. FOTO: ASTRID SEWING 900 Jahre Lippe · 50 Jahre Kreis Lippe 8 SAMSTAG 4. MÄRZ 2023
ße Hilfsbereitschaft, vor allem gegenüber den Menschen aus der Ukraine. Ich spüre aber auch, dass immer mehr Bürgermeister und Oberbürgermeister mir berichten, dass es zunehmend schwerer wird, die Menschen gut unterzubringen. Unter den Geflüchteten aus der Ukraine sind überwiegend Frauen mit Kindern. Da ist die Unterbringung in großen Messehallen nicht das richtige Mittel der Wahl. Eine meiner eindringlichsten Erinnerungen der vergangenenMonate ist die persönliche Begegnung mit den Helfern in Lage, die ein gesamtes Kinderheim aus Mariupol untergebracht haben. Das zeigt: Die Menschen in Lippe haben ein großes Herz. Dafür bin ich sehr dankbar. Mit dem Blick auf den Fachkräftemangel und auf die Sorgen in Behörden, gute Mitarbeiter zu finden: Stadt- und Gemeindeverwaltungen, Kreisverwaltung, Bezirksregierung, Landschaftsverband, Landesverband, Landtag: Übertreiben wir es in NRW nicht ein bisschen? Muss man Verwaltung straffer organisieren? WÜST: Mit dem Blick auf den Fachkräftemangel finde ich die Frage sehr berechtigt. Ja, der Fachkräftemangel erreicht den öffentlichen Dienst. Wir müssen dafür sorgen, dass die Verwaltung sowohl auf der Landesebene als auch in den Kommunen handlungsfähig bleibt. Hier kann uns zum Beispiel die Digitalisierung helfen, aber auch eine regelmäßige Aufgabenkritik. Aus meiner Sicht fällt der Verwaltungsapparat in NRW nicht zu üppig aus. Gerade die Krisen der vergangenen Jahre haben uns gezeigt, wie wichtig eine leistungsfähige Verwaltung ist. Aber sicherlich müssen wir künftig bürokratischen und planerischen Aufwand an der Frage der Machbarkeit messen. Nicht alles kann in Zukunft in der gewohnten Akribie laufen, weil wir die Leute nicht mehr finden werden. Da geht es nicht darum, dass der Staat sparen will, sondern dass auch er zunehmend schwerer Mitarbeiter findet. Wie sagtekürzlichein IHK-Hauptgeschäftsführerüber denFachkräftemangel in der Wirtschaft: Wir brauchen ein bisschen weniger Influencer und deutlich mehr Zerspanungsmechaniker. Zum Schluss: Was wünschen Sie den Lippern zum Doppeljubiläum? WÜST: Ich wünsche Lippe, dass die Region das bleibt, was sie ist: eine lebenswerte Heimat für die Menschen und eine Region mit allen Chancen. Es gibt hier exzellente Bedingungen dafür, dass Lippe ein guter Standort für die Wirtschaft bleibt, und dass es den mittelständischen Unternehmen auch künftig gut geht. Das schafft auch in Zukunft gute Arbeitsplätze und soziale Sicherheit. Ichwünscheden Lippern ein schönes Jubiläum und freue mich, dass wir gemeinsam kräftig feiern können. Das Interview führte LZ-Chefredakteur Dirk Baldus. Persönlich Hendrik Wüst, geboren 1975 in Rhede im Münsterland, ist seit Oktober 2021 Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen. Zuvor war er imKabinett von Armin Laschet vier Jahre lang Verkehrsminister. Seine politischeHeimat ist die CDU, seit Oktober 2021 ist er auch Vorsitzender des CDU-Landesverbandes. HendrikWüst ist verheiratet und hat eine Tochter. Er hat Jura studiert und ist als Rechtsanwalt zugelassen. (bal) Lippe - unsere Herzensangelegenheit seit 1949. Anz_LZ:Layout 1 20.02.2023 13:31 Seite 1 11533801_800123 900 Jahre Lippe · 50 Jahre Kreis Lippe 9 SAMSTAG 4. MÄRZ 2023
Zwei Kölner mit Detmold im Herzen TV-Moderator Matthias Opdenhövel und sein Fernsehkollege sowie Podcaster Tommi Schmitt sind die wohl bekanntesten Detmolder Exporte. Weshalb sie der „Detmold-Vibe“ stets begleitet. Köln. Eigentlich müssten sie bittere Konkurrenten sein, so will es der Detmolder Schulkodex. Schließlich ging der eine aufs Leo, der andere aufs Grabbe. Kaum treffen TV-Moderator Matthias Opdenhövel und sein Fernseh-Kollege sowie Podcaster Tommi Schmitt an einem Vormittag inderAltenLedereiKölnaufeinander, isteinsklar:diebeidenverbindetmehrals sietrennt–allenvoran die Liebe zum Fußballverein Borussia Mönchengladbach und natürlich, andieser Stelle viel entscheidender, das Herz für ihre Heimatstadt: Detmold. Weshalb die weit über Lippes Grenzen bekannten Detmolder Exporte als Wahl-Kölner noch immer einetiefeVerbindungzur längsthinter sich gelassenen Heimat haben, warum der „Detmold-Vibe“ in der Medienbranche hilfreich sein kann und wer noch städtisches Eigentum imElternhaus hütet, verraten sie im Interview. Ein Gespräch über Heimatgefühle, Verbundenheit und alte Zeiten, die sich in Detmold so wunderbar zeitlos anfühlen. Apropos: Trotz ihres Wohnorts Köln wollten sich beide am liebsten in Detmold treffen. Durch den nahenden Redaktionsschluss war das aber leider nicht möglich. Daher ging es mit original Detmolder Ortsschild in einen Hinterhof nach Ehrenfeld. Detmold in a Nutshell quasi... Schön, dass wir jetzt in Köln zusammensitzen und über Detmold reden. Wann wart ihr das letzte Mal da? TOMMI SCHMITT: Tatsächlich heute noch. Ich bin von der Autobahn direkt hier hin gefahren. MATTHIAS OPDENHÖVEL: Bei mir ist es schon sehr lange her – 14 Tage. Stimmt. Matthias hat auch direkt das obligatorische Selfie vor dem Schloss gepostet. OPDENHÖVEL: Ja, damit habe ich tatsächlich auch gleich ein paar Menschen beunruhigt. Jetzt kommt das Gerücht auf, dass ich auch das Schloss gekauft habe und renoviere. Was ich jetzt eigentlich auch eine eine geile Idee fände... aber das wird nicht passieren. Ich bin momentan jahäufigerda–ausbekanntenGründen. Allerdings sind auf Position einsmeine Eltern, die jetzt schon ein stattliches Alter haben und deswegen häufiger besucht werdenwollen und sollen. Das mache ich auch sehr gerne und deswegen bin ich tatsächlich so im Schnitt einmal imMonat einWochenende da. Spannend ist, dass ihr beide schon ewig aus Detmold raus und trotzdem so nah dran seid. Die Familie ist das eine, aber wie kommt es, dass die Verbindung so eng geblieben ist? SCHMITT: Das frage ichmich auch manchmal. Ichhabedaneulichnoch mit Freunden drüber geredet, die auch eine natürliche Verbindung zu ihrerHeimathaben, aberdiesesDetmold-Ding ist schon etwas besonderes. Die fragen auch immer, was ist eigentlich los bei euch? Ich kann es gar nicht so genau beantworten. OPDENHÖVEL: Ja, was hat es eigentlich mit diesem Detmold auf sich? (lacht) SCHMITT: Man fährt einfach gerne hin. Selbst inmeiner Sturm- und Drang-Phase, als ich von Freitag bis Sonntag feiern war, bin ich trotzdem alle sechs Wochen nach Detmold, in dieHeimat gefahren. Da ist einfach so eine Bindung. Ich sag immer, Detmold ist ein bisschen wie das Auenland. Und man fährt da nicht einfach so hin, man muss da hinwollen. Erstmal eine halbe Stunde über denHellweg... OPDENHÖVEL: Nee, logistisch ist die Möglichkeit, dass man Detmold hinter sich lässt oder dran vorbeifährt, sehr, sehr groß, das stimmt. SCHMITT: Ja, man muss bewusst hinwollen, und ich will gerne hin. Detmold ist so ein perfekter Wohlfühlort.Nicht zugroß, nicht zuklein mit seinen mittlerweile 75.000 Einwohnern. Viele meiner Freunde, selbst die, die eher großstadtsozialisiert sind, sind wieder zurückgezogen, weil sie Kinder bekommen und sich selbst daran erinnert haben, wie gut das eigentlich war, dort aufzuwachsen. Detmold hat alles und ist trotzdem kein Kaff irgendwie. Ich glaube, das ist ein perfekter Ort. Da kann man glücklich werden, finde ich. OPDENHÖVEL: Früher war mein größter Wunsch, ganz schnell raus und jetzt ist einer meiner größten Wünsche wieder mehr rein. Ich Tommi Schmitt (links) und Matthias Opdenhövel beim Interview inKöln. Das Schild ist übrigens eine offizielle Foto-Leihgabe der Stadt Detmold. FOTO: MARTINA GOYERT 900 Jahre Lippe · 50 Jahre Kreis Lippe 10 SAMSTAG 4. MÄRZ 2023
glaube, das hat auch etwas mit dem Alterzutun, das sichmitüber50einstellt. Ich habe viel gesehen von der Welt und im Vergleich dazu, stinkt Detmold in Nichts ab. Erst wenn man weg ist, merkt man, wie schön diese Stadt eigentlich ist. Gerade wenn man in Köln lebt, das eher architektonischer Durchfall ist... Tommi nennt Detmold das Auenland, Matthias hat die Stadt mal als Legoland beschrieben. Kommt ihr da auf einen Nenner? OPDENHÖVEL: Dasmuss ich kurz erklären. Als ich als kleiner Junge so durch die Krumme Straße gelaufen bin, guckte ich immer hoch und dachte, wie groß diese Häuser sind und wie mächtig dieses Schloss ist – undals ichdannspäterausKölnoder von weiter weg zurück kam, dachte ich auf einmal, mein Gott, wie winzig ist das hier eigentlich – und wie vieleEinbahnstraßengibt es bitte. In meiner Vorstellung war Detmold viel größer. Als ich zurückkehrte, wareswieeinkleinesLegoland–aber unglaublich schön. SCHMITT: Ich kann das nachvollziehen. Die Gebäude sind so schön, so verwachsen und schief, das wirkt auch ein bisschen unecht. Das merke ich gerade bei Freunden aus dem Rheinland, die ich ab und zu mitnehme, um zu zeigen, wie schön es hier ist. Ich bin nämlich sehr patriotisch, was Detmold angeht. Detmold ist übrigens nicht Delmenhorst,dakommtSarahConnerher... das muss man immer wieder erklären. Meine Freunde sind auf jeden Fall immer völlig begeistert, wenn es durch die Stadt geht – und dann sitzenwir imBrauhausundeswirdvon Stunde zu Stunde schöner. OPDENHÖVEL: Und mit der Zeit auch wieder größer. Bald könnte man dafür in „Opdis Bar“ einkehren. Matthias holt ja gerade mit dem Lui eine alte Kultkneipe zurück. OPDENHÖVEL: Ja, ich war schon immer verliebt in das Kneipenschlösschen. Im Lui habe ich meine halbe Jugend verbracht, das war unserWohnzimmer. DerNamewar auchmeine Bedingung – es ist quasi ein Herzens-Investment. Am liebsten hätte ich auch die roten Sofas wieder von damals. Ok, vielleicht nicht dieselben... SCHMITT: Auf denen hast du bestimmt damals rumgeknutscht.Opdi, der Detmolder Podolski – als nächstes kommen fünf Dönerläden. OPDENHÖVEL: Da traue ichmich nicht ran. Obwohl ich seit 30 Jahren bei Kebabadin Stammkunde bin. Das Lui gibt es ja seit 20 Jahren nicht mehr – das war vor Tommis Kneipenzeit. Als Detmolder bist du bestimmt trotzdem in demGebäude das ein oder andere Mal versackt, oder? SCHMITT: Auf jeden Fall. Wir habenvieleAbende inderFirstBar verbracht bis morgens um vier. Da gab es immer die „Barplate“, wo einfach alles Frittierte, was das Tiefkühlfach so hergab, drauf geschmissen wurde. Ansonsten waren wir oft im Fuchsbau zu den Felsenkeller-Partys. Die waren legendär. OPDENHÖVEL: Die kenn ich gar nicht mehr, aber ihr seid ja auch 20 Jahre jünger. Im Fuchsbau war ich eine Handvoll Male. Seid ihr euch eigentlich mal zufällig in Detmold begegnet? SCHMITT: Ne, ich habe Opdi das erste Mal 2018 auf der Einslive Krone getroffen. Das war das erste und letzte Mal, dass mich jemand nach meiner Karte gefragt hat. Ich war so stolz, dass ein TV-Moderator meine Karte haben wollte und hab später überlegt, warum eigentlich? Da merktman, dassOpdi etwas älter ist. Spaß! (lacht) OPDENHÖVEL: Stimmt, das war mir im Nachhinein auch fast etwas peinlich.AberdieNummer insHandy eintippen, war bei der Party damals auch keine Option mehr. So konnten wir immerhin in Kontakt bleiben. Ihr seid ja beide fest in der Medienbranche etabliert. Hilft es euch, aus Detmold zu kommen? OPDENHÖVEL: Total. Weil wir aus Ostwestfalen-Lippe einfach bodenständig sind. Gerade als ich damals hier in Köln angefangen habe, alles aufmich einbrachundmandas Gefühl hatte: Ach, das ist also dieses Showbiz, von dem alle reden, hat es total geholfen, dassman bodenständig erzogen wurde, einfach seinen Job gemacht hat und danach nach Hause gegangen und nicht jeden Abend bis 7 Uhr morgens in Köln versackt ist.DerKarrierehat eswirklich geholfen, aus dieser Gegend zu kommen. SCHMITT: Aus Comedygründen hilft es, wenn ich im Podcast, in der Show oder sonst wo, darüber rede. Es ist einfach Fakt, dass der Großteil der Deutschen nicht in Großstädten wohnt, sondern in kleinen Städten und Dörfern. All die Beobachtungen, die man macht – das fängt mit dem Schulbus an und hört mit den zwei, drei Schulen, die miteinander konkurrieren und sich nicht mögen, auf.Damitkönnensichganz viele Leute identifizieren, wenn du Witze machst. Detmold ist ein bisschenwieeineBlaupausefürganzvieleStädte,vieleLebensentwürfe–und auch Lebensläufe. Ich glaube, dass ganz viele Menschen ähnlich aufgewachsen sind. OPDENHÖVEL: Ich hatte übrigens nie ein Problem mit dem Leo. Ich weiß aber, dass du eins mit dem Grabbe hattest. Ja, eigentlich müsstet ihr natürliche Feinde sein... SCHMITT: Es gab da doch diese Brücke amWerresportplatz... OPDENHÖVEL:DawoichmitPost SV Detmold ganz kurz vorm Fußballprofidasein stand und ein Wochenende Westfalen-Auswahl gespielt habe. Ich konnte die Nacht vorher nicht schlafen vor Aufregung. Damals dachte ich, für meine Verhältnisse hätte ich ganz gut performt, würde man heute sagen. Damals hieß es: Ich glaube, ich habe Finden Sie alle Erscheinungen von „Der Lipper an sich“ sowie weitere Veröffentlichungen in unserem Onlineshop, bei der Lippischen LandesZeitung, im Buchhandel und beim Lippischen Heimatbund! FRIEDO PETIG „DER PHILOSOPH VOM BAUERNHOF“ www.friedo-petig.de 11823901_800123 900 Jahre Lippe · 50 Jahre Kreis Lippe 11 SAMSTAG 4. MÄRZ 2023
ganz schön gespielt. Dann kam der Trainer auf mich zu, legte mir den ArmaufdieSchulterundsagte: Jung, hast einen ganz guten linken Fuß, hätten aber ein paar Schnitzel mehr sein dürfen. Das war dannmein einzigesWochenende. SCHMITT: Immer sind es die Schnitzel. Aber diese Brücke am Sportplatz vom Leo zum Grabbe – die Realschule, die sich auch daneben befindet, wurde gar nicht erst ernstgenommen – war wie ein Grenzübergang. Es gibt ja diese Dokumentationen, wenn sich NordundSüdkorea alle fünf Jahremal annähern an diesen blauen Häuschen, so in etwa war die Brücke. OPDENHÖVEL: Ein mutiger Vergleich. SCHMITT: Finde ich auch. (lacht) Nein, damals hatteman schon so ein Konkurrenzdenken,man ist auch in der Pause nicht rübergegangen. Wennman für eine Frau aus der anderen Schule geschwärmt hat, war das ein No-Go, den Schulhof zu wechseln. OPDENHÖVEL: Weißt du, warum ich das nicht hatte? Weil 80 Prozent meinesFreundeskreisesaufdemLeo warundichsogarzwischendurchgeliebäugelt habe zu wechseln. SCHMITT: Bei mir war das mit den Freunden ähnlich. Hast du ein gutes Abi eigentlich? Ich hatte ein ganz fürchterliches, weil ich stinkend faul war und der Lehrer froh, wenn ich einfach hinten in der letzten Reihe saß, Zeitung gelesen habe und Ruhe war. Mein Abischnitt lag bei 3,3. Witzig, dass ich trotzdem, das wird dir ja genauso gehen, bei Wikipedia alsAbsolventderSchulegezähltwerde. Da stehen nur große Leute, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, und irgendwelche Adelige... OPDENHÖVEL: Und Tommi Schmitt. SCHMITT: Ja, schön wäre es, wenn da noch die Abinote mit dabei stehen würde. Das ist immer so eine herrliche Genugtuung... OPDENHÖVEL: Ich hattemit meinen Eltern einen Deal. Sie lassen mich die ganze Oberstufe in Ruhe und ich bringe ihnen eine zwei vor dem Komma im Abi nach Hause. Das habe ichauchbis zur letztenDezimalstelle ausgereizt. Allgemein hatte ich aber eine schöne Schulzeit, im Literaturkurs habe ich zwei tolle Rollen gespielt. Dabei habe ich gemerkt, auf der Bühne stehen und ab und zu klatschen welche, das ist schon ganz nett. SCHMITT: Das hatte ich gar nicht. Ob Theater-AG, Abischerz oder Moderation – ich saß, wenn überhaupt, hinten und habe gesagt, was die anderen besser machen können. Der Job als TV-Autor lag also nahe. Erst bei Radio Lippe habe ich gemerkt, dass ich auch selbst am Mikrofon etwas machen kann. In der Schule war ich zu feige. OPDENHÖVEL: Mir hat Theater großenSpaßgemachtunddasGrabbe war bekannt dafür, dass das nicht nur peinliches Schülertheater ist. Aber ich war nicht der klassische Klassenclown, sondern eher ein bisschen subversiv. In der letzten Reihe den Lehrer nachgemacht und fünf Leute haben sich totgelacht... Also tatsächlich habe ich schon einiges in der Schule ausprobieren können, bei dem ich das Gefühl hatte, da könnte die Reise ja hingehen. Konsequenterweise habe ich dann BWL studiert – für zwei Wochen. Es gibt einige Paralleln zwischen euch. Ihr wart bei Radio Lippe, liebt denselben Fußballverein – und sollt in eurer Detmolder Jugend eine kriminelle Karriere hingelegt haben... SCHMITT:DaswardieseZeit, inder man,alsoich,oftzuVandalismusgeneigt und irgendwelche Baustellenschilder mitgenommen hat. Frühpubertärmit14dachteich, ichkönnte nochbeimMartinssingenmitmachen, hatte aber keine Laterne mehr und dann mit so einem blinkenden Baustellending noch ein Snickers abgestaubt. Ein Ortsschild habe ich aber nicht, das hätte ich gerne. OPDENHÖVEL: Bei mir ist das inzwischen verjährt, Tommi steht wahrscheinlich mit einem Bein im Gefängnis. Ich habe das Detmolder Ortsschild mit Hiddesen drauf, das hängt tatsächlich noch an der holzvertäfelten Wand in meinem Kinderzimmer. Hand aufs Herz. Könntet ihr euch vorstellen, ganz zurückzukommen? OPDENHÖVEL:Nein, dazubin ich in Köln zu verwurzelt. Ich finde die Kombination perfekt, die ich gerade habe. Also ich werde da nicht mehr sesshaft, aber ich werde viel häufiger da sein als in der Vergangenheit, weil mir danach ist, meine Eltern und meine Schwester dort sind – und tolle Projekte anstehen. SCHMITT: Ich bin ja Fan der abgedroschenenPhrase: Sag niemals nie. Vielleicht romantisiere ich die Stadt natürlichaucheinbisschen... Ichhabe das Glück, dass mein Bruder gerade wieder hingezogen ist und damit werde ich dort wohl mein Leben lang eine Verbindung und ein Zuhause haben. Das ist ein schönes Gefühl. Das Interview führte LZ-Redakteurin Janet König. Persönlich MatthiasOpdenhövel(52) ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Köln. Sein Abi machte er 1990 am Grabbe. Erste journalistische Erfahrungen sammelteMatthiasOpdenhövelbeiderLippischenRundschau, volontiert hat er bei Radio Lippe. Den Sprung ins Fernsehen ebnete der Sender VIVA. Ab 2011 war Opdenhövel unter anderem vieleJahrealsSportschau-Moderator derARDzu sehen. ImJahr 2021 wechselte er zur Pro-Sieben-Sat.1Gruppe, moderiert dort seit 2019 das Erfolgsformat „The Masked Singer“ und präsentiert mit Linda Zervakis das wöchentliche Journal „ZOL“. Dem Fußball bleibt er natürlich auch treu. Er moderiert die Bundesligaspiele in Sat.1. Tommi Schmitt (34) hat 2008 Abi am Leopoldinum gemacht, absolvierte ein Bachelorstudium in Journalismus und Medienkommunikation in Köln. Danach volontierte er in der Presseabteilung von Borussia Mönchengladbach. Den Master in Hannover brach er letztendlich für eine Karriere als Fernsehautor ab. Seit 2017 hostet Tommi SchmittmitComedianFelix Lobrecht Deutschlands meistgehörten Podcast „Gemischtes Hack“. Seit 2021 hat er mit „Studio Schmitt“ eine eigene Latenight Show bei ZDF Neo, die jetzt in die vierte Staffel geht. Fun Fact am Rande: Ein kleiner Hermann schmückt als Requisite von Beginn an seine Studiokulisse. (jk) LZ-Redakteurin Janet König hatte für das Gespräch inKöln unter anderem einen Mini-Hermann im Gepäck. FOTO: MARTINA GOYERT 900 Jahre Lippe · 50 Jahre Kreis Lippe 12 SAMSTAG 4. MÄRZ 2023
900 Jahre Lippe und 50 Jahre Kreis Lippe – zu diesen Jubiläen gratulieren wir sehr herzlich. Lippe steht für Heimatverbundenheit, Zusammenhalt, Nachhaltigkeit, Verantwortung und eine lange Tradition. Werte, die uns miteinander verbinden und auch heute noch modern sind. Das überzeugt, gibt Sicherheit und schafft Vertrauen. Und Vertrauen ist die Basis jeder guten Partnerschaft – eben echte Heimatliebe! Lippe feiert – wir gratulieren! www.verbundvolksbank-owl.de VVB_DT_Zukunft_210x288.indd 1 09.02.23 16:21 11304401_800123
Beschützer der „lippsken Sproke“ Wer mehr über die lippische Seele erfahren will, kommt an Werner Zahn nicht vorbei. Im Interview erzählt er von Tradition und Bräuchen – und übersetzt das Gespräch gleich auf Platt. Herr Zahn, Sie selber sind ja auch schon als „Lippischer Schütze“ aufgetreten. Warum ist nicht er, sondern der Hermann die Personifikation des Lipperlandes? WERNERZAHN: Man könnte sagen, der „Hermann“ ist der größere von beidenunddas nicht nurwegender Tatsache, dass er als riesige Statue verewigt ist. In ihmvereinen sich verschiedene symbolische Bedeutungen. Nämlich welche? ZAHN: Da ist zumeinennatürlichdieGeschichte vonVarus, der von Arminius oder eben auch Hermann im TeutoburgerWald besiegt wurde und wonach die Römer sich hinter den Limes zurückzogen. Und natürlich diente er im Kaiserreich auch als nationale Identifikation und als Symbol der Gegnerschaft zu Frankreich. Diese kriegerische Deutung erhielt dann während der NS-Zeit ihren Höhepunkt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte man genug von alle dem, so dass der Hermann an Bedeutung verlor. Erst in den 80er-Jahren setzte eine Rückbesinnung ein und man sah ihn mehr als ein Symbol für Lippe und er wurde so zu einemWahrzeichen für Frieden undVerständigung. Und der Schütze? ZAHN: Der ist nun wirklich ein rein regionales Symbol und bietet weniger allgemeine Bedeutung. Aber ich halte ihn nicht für völlig unbedeutend. So finden sich im 19. und 20. Jahrhundert immer wieder Beispiele, besonders in der Musik, wie in dem Lied „Lippe-Detmold“ oder auch „Zu Siebzig, da zogen die lippischen Schützen“. Das Lied erzählt mit einem Augenzwinkern von dem Marsch in den Krieg nach Frankreich. Unterwegs passierten so einige Missgeschicke. Im Lied kamen sie auch erst an, als der Krieg schon zuEndewar. Daswar alles übertrieben, aber typisch für die lippische Selbstwahrnehmung. Die Lipper sind nicht stur, sie haben sogar Humor. Zwar wusstendieLippervonihrerwinzigenGröße, zugleich war man aber auch stolz sich zu behaupten. Dennoch lässt sich der Hermann nach außen touristisch besser verkaufen als der Lippische Schütze. Lieder sind eine Sache, aber was sind darüber hinaus noch typisch lippische Bräuche oder kulturelle Ausformungen? ZAHN: Typisch sind da auf jeden Fall die Schützenfeste. Diese werden oft von Vereinen getragen, von denen es vor dem ZweitenWeltkriegnochdeutlichmehrgab,dahatte jeder kleine Ort ein Schützenfest. Nach 1945 sind daraus vielfach Heimatvereine geworden, die heute ein großes Aufgabenfeld übernehmen, die aber geeignet sind, die Kultur und Tradition in Herr Zahn, Se sümst sin jo auk oll os lippsker Schütte uptreen. Worümmeess nich heu , sunnern de Herm de Personifikation van’n Lippsken Lanne? WERNERZAHN: Man könne söjjen, de „Herm“ es de gröttere van beuden un dat nich bleos wejen de Tatsake, dat heu os graute Stotue vereuwigt ess. In änne vereunen sick verschiene symbolicke Belange. Nämlick wecke? ZAHN: Dat ess teon eunen natiurlick dat Vertellsel van Varus, de van Arminius eoder eben auk Herm in’n Teutoburger Waulde betwungen worte un de Römer sick achter den Limes truijjetogen. Un natiurlick deunte heu in’n Keuseruik au os nationale Identifikation un os Symbol van de Giegnerschaft teo Frankruik. Dösser krüigslüsterne Belang kreich dänn wehrend de NS-Tüit süinen Höchtepunkt. No den tweuten Weltkruig hadde man geneog van oll den, seo dat de Herm an Belang verlor. Örst in’nen 80er Johrn feng eune Truijjebesinnung in un man sach änne mahr os eun Symbol för Lippe un heuwort teo eunenWohrteuken för Frien un eunanner verston. Un de Schütte? ZAHN: De ess niu wörklick eun lippskes Symbol un hät weuniger ollgemeune Belange. Öbber eck haule änne nich gänßlick eohne Belang. Seo finnen sick in’nen 19. un 20. Johrhunnert jümmer wedder Büispelle,besunners in’ne Musüik, wo in den Leud „Lippe-Detmold“ eoder auk „Teo siemzig, do togen de lippsken Schütten“. Dat Leudvatelltmet eunenAugentwinkernvan’n Marsk in’nen Krüig no Frankruik. Unnerwegens passörten seo eunige Mallörs. Seu kommet auk örst an, os de Kruig oll teo Enne was. Dat was twors olles öbertrieben, was öbber typisk för de lippske Sümstwohrnihmung. De Lipper sin nich stur, seu häbben seogar Humor. Twors wussten de Lipper van ührer lüttken Grötte, teoglüike was man öbber auk stolt sick teo behiupten. Un doch lött sick de Hermno biutentouristisch bätter verkaupen os de lippske Schütte. Leuder sin eune Sake, öbber wat sin doöbber hariut nau typische Briuke eoder kulturelle Besunnerheuten? ZAHN: Typisk sin do up jeuden Fall de Schüttenfäste. Dösse wern faken van Vereunen drejet, van deunen et vör den tweuten Weltkrüig nau duitlik mahr gaff, do hadde jeuder kleune Eort eun Schüttenfäst. No 1945 sin doiut vellfach Heumevereune worn, de vandage eun grautes Upgowenfeild öbbernihmen, de öbber geugnet sin, de KulturundeBriuke inührenfakenvellfachenEorAls lippischer Schütze ist Werner Zahn weitläufig bekannt. In dem historischen Kostüm ist er schon bei verschiedenen Anlässen aufgetreten und hat hiesige Volkslieder zum Besten gegeben. Genau über diese Lieder ist die Figur des Schützen eines der Symbole Lippes geworden. FOTO: BEN HERMANNI 900 Jahre Lippe · 50 Jahre Kreis Lippe 14 SAMSTAG 4. MÄRZ 2023
ihren oft vielfältigen Arten lebendig zu halten. Bräuche, die typisch hier sind, scheinen auf den ersten Blick nicht ganz außergewöhnlich, wie Osterfeuer. Spezieller sind da die Trachtenvereine, die ja oft sehr unterschiedliche und unverkennbare Trachten tragen, von denen es aber nur nochzweimirbekannte inLippegibt,nämlichinLeopoldshöheundSchieder-Schwalenberg. Vielleicht weniger ein Brauch, aber untrennbar mit der lippischen Kultur verbunden, ist das hiesige Platt. Was ist typisch für diesenDialekt? Gibt es Unterschiede zu anderen plattdeutschen Varianten? ZAHN: Da hilft vielleicht eine kleine Einordnung. Lippisch Platt gehört zu der niederdeutschen Sprache, die es in acht nördlichen Bundesländern gibt. Wie Hochdeutsch ist Niederdeutsch eine eigene Sprache, kein Dialekt der hochdeutschen Sprache wie zum Beispiel bayerisch oder berlinerisch. Innerhalb der nieder deutschen Sprache gibt es verschiedene Dialekte, einer davon ist das lippische Platt, es klingt ein bisschen härter als zumBeispiel dasHamburger Platt. Unterschiede gibt es zwischen den einzelnen Dialekten vor allem in den Schreibweisen der Wörter. Und es gibt auch einigeWörter, die es in anderen plattdeutschenDialekten nicht gibt. So sagt man in Niedersachsen „snacken“, was „reden“ bedeutet, hier wird hingegen „kürn“ gesagt. Wie versucht man, das Platt amLeben zu erhalten? ZAHN: Auch wenn das Plattdeutsche aus dem lippischen Alltag Abschied nahm, so gab es doch immerVersuche, es amLeben zu erhalten.Dazu zählen bis in die 1990er-Jahre die plattdeutschen Lesewettbewerbe in Schulen, was dann aber einschlief. Vor etwa zwanzig Jahren hat dann die EU eineChartaverabschiedet zumSchutzderMinderheitssprachen.Auchder Bund und das Land NRWhaben sich verpflichtet, die plattdeutsche Sprache zu schützen und zu fördern. In Lippe hat der Heimatbund verschiedene Bücher für Schulen und Kindergärten herausgebracht. Es gibt ein Wörterbuch und seit kurzem auch eine Grammatik vonWilhelmOesterhaus, geschrieben im Jahr 1880. Wichtig gerade für junge Leute ist, dass es auch ein Internetangebot gibt. Da kann man alles nicht nur lesen, sondern auch anhören. Spannend ist auch das Projekt „Dialektatlas“, das von den Unis Münster, Siegen, Paderborn und Bonn durchgeführt wird. Das Projekt dauert 16 Jahre, es werden alle verschiedenen Dialekte in NRW und teilweise auch inNiedersachsenundRheinland-Pfalz erfasst und ausgewertet – darunter auch das lippische Platt. Das Interview führte Benjamin Marquardt. Noch mehr Infos sowie Lernmöglichkeiten für das lippische Platt finden sichunterwww.lippischplatt.de ten lebännig teo haulen. Briuke, de typisch hür sin, schüinen valichte up den örsten Blick nich ganß iutergewönnlick, wo Austerfur. Besunners sin do de Drachtenvereune, de jo faken düht unnerscheudlicke un un besonnere Drachten drejen, van denen et öbber bleos nau tweu müi bekannte in Lippe gifft, nämlick in Leopoldshöhe un Schwolenberg. Valichte weuniger eun Briuk, öbber untrennbor verbunnen met de lippsken Kultur, ess dat heumske Platt. Wat ess typisk för dössen Dialekt? Gifft et Unnerscheude teo anneren plattdiutsken Varianten? ZAHN: Do helpet valichte eune kleune Inornunge. Lippsk Platt gehort teo de nedderduitsken Sproke, de et in achte affsünnigen Bundeslännern gifft. Wo hauchduitsk ess nedderduitsk eune eugene Sproke, keun Dialekt van de hauchduitsken Sproke, wo teon Büispell bayrisch eoder berlinerisch. Innerhalw van de nedderduitske Sproke gifft et verschiene Dialekte, euner dovan ess dat lippske Platt, et klinget valichte eun bettken hachter os teon Büispell dat hamburgische Platt. Unnerscheude gifft et manken den eunzelen Dialekten vör ollen in den Schrüiwwüisen van de Weorten. Un et gifft auk eunige Weorter, de et in anneren plattduitskenDialektennichgifft. Seo sächtman inNeddersachsen„snacken“, wat „reden“ bedütt, hür wird dojiegen „kürn“ sächt. Wo versoiket man, dat Platt an’n Lieben teo haulen? ZAHN: Auk wenn dat Plattdiutske iut den lippsken Olldag Affscheud namm, seo gaff et doch jümmer Versoike et an’n Lieben teo haulen. Doteo tellen bät in de 90er Johren Lesewettbewerbe in Scheolen, wat dänn öbber inschleup. Vör ungefohr twintig Johrn hät dänn de EUeune Charta maket teon Schutz van de Minnerheutssproken, auk de Bund un dat Land NRW häbben sick verflichtet, de plattduitske Sproke teo schütten un teo föddern. In Lippe hät de Heumebund verschiene Beoker för Scheolen un Konnergoorns hariutbrocht. Et gifft eunWeorterbeok und süit korten auk eune Grammatik van Wilhelm Oesterhaus, schriewen in’n Johr 1880. Wichtig just för junge Luie ess, dat et auk eun Internetangebott gifft. Do kann man olles nich bleos lesen, sunnern auk anhojjern. Spannend ess auk dat Projekt „Dialektatlas“, dat van den Universiteuten Münster, Siegen, Paderborn un Bonn maket wärt. Dat Projekt diuwert 16 Johre, et wern olle verschiene Dialekte in NRW un deilwüise auk Niedersachsen un Rheinland-Pfalz erfatet un iutwertet – dorunner auk dat lippske Platt. Dat Interview make Benjamin Marquardt. Nau mahr Infos seowo Lernmöglikkeuten för dat lippske Platt finnen sick unner www.lippischplatt.de. Persönlich Schon aus seiner Kindheit kennt der 1949 geborene Werner Zahn das lippischePlatt.Zumeinensprachen es noch seine Großeltern zu Hause, wo der heute 74-Jährige bereits einige Wörter aufschnappte und auch immer versuchte mitzureden. Zudem war sein Vater viele Jahre imHeimatverein und dort in einer plattdeutschen Theatergruppe tätig. Deren Proben verfolgte Werner Zahn schon aufmerksam. Von ihm erhielt er auch ein Liederbuch auf Platt aus dem Jahr 1923. Doch es dauerte noch einige Jahre, bis Zahn sich intensiver mit dem hiesigen Dialekt beschäftigte. 2002 nahm er eine CD mit lippischen Liedern auf Platt auf. Nach seiner Pensionierung 2015 konnte der ehemalige Lehrer für Physik undMathematikamGrabbe-GymnasiumdannnochmehrZeit fürdie Erforschung des hiesigen Dialekts investieren. Darüber hinaus engagiert er sich imLippischenHeimatbund; er ist dort seit 2019 Leiter der Fachstelle Mundart und Brauchtum. Doch auch außerhalb des Kreises ist er aktiv. So ist er Mitglied im Bundesrat für Niederdeutsch, der sich für die Umsetzung der europäischen Sprachencharta einsetzt und somit den Erhalt der niederdeutschen Sprache gewährleisten soll. (qdt) Werner Zahn ist Experte für das lippische Platt, für dessen Erhalt er sich vielfältig einsetzt. FOTO: BEN HERMANNI 900 Jahre Lippe · 50 Jahre Kreis Lippe 15 SAMSTAG 4. MÄRZ 2023
„Lippe hat seine Wiege wieder“ Neben der Gründung des Innovation Campus hält Landrat Dr. Axel Lehmann die Ausgrabung der Falkenburg für eine der besten Entscheidungen der vergangenen Jahrzehnte. Ein großes Jubiläum: 50 Jahre Kreis Lippe. Woran denken Sie zuerst? DR. AXEL LEHMANN: An eine Erfolgsgeschichte. Die schreibt Lippe sogar seit mehr als 50 Jahren. Lippe war ja lange eine sehr arme Region, und nach dem Zweiten Weltkrieg lag einiges am Boden. Aber spätestens seit der wichtigen und richtigen Fusion der beiden Kreise haben wir uns wirtschaftlich gut entwickelt. Woran machen Sie das fest? LEHMANN: Die Holz- und Möbelindustrie und auch die Staatsbäder sind vor Jahren in schwere Turbulenzen geraten. Dafür haben sich aber andere als Weltmarktplayer erwiesen, insbesondere im Bereich der elektronischen Verbindungstechnik. Aber auch der größte europäische Damenschuhhändler und -hersteller ist hier angesiedelt; es werden Präzisionswerkzeuge für Zahnmedizin produziert und vieles mehr. Wir haben starke, innovative Familienunternehmen. Dann ist mir natürlich die Kulturszenewichtig, die man so einem Raum wie wir es sind, abseits der Metropolen, nicht unbedingt zutraut. Landestheater, Museen, Hochschule für Musik... LEHMANN: ... und eine große Szene insgesamt. Das ist ein Stück Lebensqualität, was man häufig nicht zu schätzen weiß, wenn man hier wohnt. Wer von außen kommt, nimmt das sehr wohl zur Kenntnis. Was ist zu tun, um dieses Stück Lebensqualität zu bewahren? LEHMANN: Das hängt natürlich vom Träger ab. Ich bin froh, dass der Landesverband Lippe wieder auf einem guten, erfolgversprechenden Kurs ist. Für das Landestheater haben wir eine Machbarkeitsstudie angestoßen. Wir wollen schauen, wie es sich inhaltlich und baulich weiterentwickeln kann. Es geht um die Digitalisierung, die Öffnung in Richtung Stadt- und Kreisgesellschaft – wir wollen ja keinen abgeschlossen Musentempel, als den es der ein oder andere vielleicht sieht – und um kulturelle Bildung, um junge Menschen zu begeistern. Daraus folgen bauliche Schritte. Wir Träger stellen uns dem, ebenso wie der Landschaftsverband als Träger des Freilichtmuseums. Wir sind also nicht nur bewahrend aufgestellt, sondern gucken nach vorn. Die leeren Kassen sind da eine Herausforderung. LEHMANN: Ja. Für jeden. Ich hoffe sehr, dass sich alles positiver entwickelt als befürchtet. Aber die Defizite in den kommunalen Kassen sind immens. ... und ein Theater zu betreiben ist ja keine Pflichtaufgabe des Kreises. LEHMANN: Nein, aber ich lege mich fest: Wenn wir uns nur noch Pflichtaufgaben zuwenden, dann machen wir was falsch. Die öffentliche Hand hat auch freiwillige Aufgaben, die richtig sind und die gemacht werden müssen. Um den Bogen zum Jubiläum zu spannen: Erlebt Lippe seine schwersten Jahre? LEHMANN: Schwierig zu beurteilen. Corona haben wir besser weggesteckt als gedacht... Wir hatten aber auch schon andere schwierige Zeiten – ich erwähnte die Holzindustrie, die Bäderkrise. Wie hat der Lipper es geschafft, da rauszukommen? LEHMANN: Offen für Veränderungen sein. Anpacken: Wie bleibendieKurorteattraktiv?BadSalzuflen ist sehr stark geworden, in Bad Meinberg arbeiten Touristiker und Naturschützer am Potenzial beim Thema Moor. Und ein wesentlicher Teil des Erfolgsrezeptes ist die Zusammenarbeit. Die Falkenburg ist für Landrat Dr. Axel Lehmann neben der Stadt Lemgo die Wiege Lippes. Über Jahrhunderte war sie in einem Berg verschüttet. FOTO: YVONNE GLANDIEN 900 Jahre Lippe · 50 Jahre Kreis Lippe 16 SAMSTAG 4. MÄRZ 2023
© Foto: Teutoburger Wald Tourismus / Ketz © Foto: Jan Voth Pure Lebensqualität Wo Gesundheit zu Hause ist. www.staatsbad-salzuflen.de www.bad-salzuflen.de Ein Kurort voller Heilkraft. Ein Ausflugsziel zum Bummeln, Genießen und Entspannen. Ein attraktiver Lebensmittelpunkt für Job und Karriere, Familie und Freizeit. Bad Salzuflen erfüllt viele Wünsche: mit einer wunderschönen historischen Altstadt, einer herausragenden Gesundheitskompetenz, einer modernen Infrastruktur und einer besonderen Vielfalt an Unternehmertum, Gastronomie und Kultur. Die SalzuflenCARD für Einwohner*innen, Gäste und Unternehmen. SalzuflenCARD 11883901_800123
RkJQdWJsaXNoZXIy MTYwMTc1MQ==