Text: Magdalena Brück 19 talk verabscheut, lebt nach dem Prinzip: Was wahr ist, muss gesagt werden, auch wenn es weh tut. Damit eckt er im Paris des 17. Jahrhunderts ordentlich an. Insbesondere in der Liebe legt seine Moral ihm Steine in den Weg: Er begehrt die junge Célimène, die ihm gegenüber zwar nicht abgeneigt ist, die aber aufgeht im aufgesetzten Gesellschaftsspiel. Sie flirtet, plaudert und tratscht hinter dem Rücken anderer, was das Zeug hält. Alceste verabscheut diese Charakterzüge in ihr zutiefst, versucht aber trotzdem, sie für sich zu gewinnen; seine Gefühle zu ihr bleiben unverändert. Doch die Versuche, seine Ideale mit der Realität in Einklang zu bringen, scheitern zunehmend — bis er allein zurückbleibt. Molières Stück hat in über 350 Jahren wenig an Aktualität eingebüßt. Trotz seiner klassischkomödiantischen Form ist »Der Menschenfeind« keine leichtfüßige Farce, sondern ein Werk voller Ambivalenz — ein Seelenporträt zwischen Idealen und Abgründen mit psychologischer Tiefe. In einer Gesellschaft der diplomatischen Floskeln und sozialen Maskenspiele wirkt Alcestes kompromisslose Ehrlichkeit wie ein Spiegel für unser eigenes Ringen um Wahrheit, Moral und Mitmenschlichkeit. Vor allem zeigt »Der Menschenfeind«: Die Welt, in der wir heute leben, mag eine völlig andere sein, die Menschen sind allerdings genau dieselben geblieben. Inszeniert wird das Stück am Landestheater Detmold von Ekat Cordes, der seine Arbeit zum ersten Mal dem Detmolder Publikum präsentiert. Ekat Cordes arbeitet seit 2010 freischaffend als Regisseur, Autor, Musiker und Sounddesigner. Er inszenierte zuvor bereits deutschlandweit an verschiedensten Theatern, u. a. am Maxim Gorki Theater, am Schauspiel Essen, am Badischen Staatstheater Karlsruhe, am Theater und Orchester Heidelberg, am Staatstheater Mainz, am Theater Konstanz, am Rheinischen Landestheater Neuss und am Stadttheater Ingolstadt. Seine Werke zeichnen sich aus durch starke und bunte Bilder, ein immersives Sounddesign, einen deutlichen Aktualitätsbezug, Zugänglichkeit für alle Altersgruppen und — eine gute Prise Humor. Den »Menschenfeind« transplantiert Cordes von Célimènes Salon in ein moderneres Setting: Statt in ihr Appartment lädt die junge Frau ihre Gäste in ihre Fernsehshow »Célimène unzensiert« ein, um ihnen eine Bühne für ihr Anliegen zu bieten, und unterhält das Publikum dabei mit viel Klatsch und Tratsch. Alles in ihrer Show glitzert, funkelt und glänzt, ist gekonnt konstruiert und verfolgt ein Ziel: die Quoten hochzutreiben und den Beliebtheitswettbewerb zu gewinnen. Einer ihrer Gäste ist niemand geringeres als Alceste, der als investigativer Journalist kürzlich ein entlarvendes Buch über die scheinheiligen Machenschaften der Politik veröffentlicht hat, und sich widerwillig in Célimènes Showformat begibt, um sein Werk vorzustellen. Dennoch hadert er damit, Célimènes Spiel mitzuspielen und sich als einer zu geben, der er nicht ist — und gerät damit in die Schusslinie von mächtigen Spieler*innen der High Society. Inmitten dieser Hochglanz-Welt muss er sich behaupten. Mit dieser Umsetzung, die die Zeiten von Schönheitswahn und Instagram-Filtern aufgreift, in der gekünstelte Selbstdarstellung mehr und mehr Alltag wird und Erfolg zunehmend von guten Beziehungen statt von eigenem Können abhängig ist, gewinnt Molières zeitlose Frage an neuer Dringlichkeit: In was für einer Gesellschaft wollen und können wir leben? Der Menschenfeind 12+ Komödie von Molière Regie und Musik: Ekat Cordes Bühne und Kostüm: Sita Messer Dramaturgie: Magdalena Brück Mit: Stella Hanheide, Patrick Hellenbrand, Hartmut Jonas, Leonard Lange, Ewa Noack, Manuela Stüßer, Emanuel Weber, Sebastian Zumpe EinführungsMatinee: So 21.9.2025, 11:30 Uhr, Haus der Immobilie Vis-à-vis — Theater und Kirche im Dialog: So 26.10.2025, 11:00 Uhr, Heilig Kreuz Kirche Weitere Vorstellungen: Sa 4.10. / Do 9.10. / Fr 10.10. / Sa 18.10.2025 (15:00 Uhr und 19:30 Uhr), So 16.11. / Mi 10.12. / Mi 17.12. / Do 18.12.2025 jeweils 19:30 Uhr, wenn nicht anders angegeben THEATERZEIT!
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