Kurstadt bleibt in der Verlosung für ICE-Neubautrasse

Bad Salzuflen/Bielefeld/Herford . Es klingt spektakulär: Superschnelle ICEs sollen Passagiere künftig statt in 48 in 31 Minuten Fahrtzeit mit bis zu Tempo 300 von Bielefeld nach Hannover katapultieren. So lautet der Auftrag des Verkehrsministeriums an die Deutsche Bahn. Auf den bestehenden Gleisen ist das aber nicht umsetzbar.

Bahn-Ingenieure suchen deshalb seit zwei Jahren im Auftrag des Ministeriums nach einem Schienenweg, auf dem das möglich wäre. Derzeit streiten die Planer mit Bürgerinitiativen und Naturschutz-Verbänden über die Bewertungsmethodik, um die Strecken zu vergleichen. In diesem Frühjahr will die Bahn konkrete Streckenführungen vorschlagen. Physiker und Bahn-Experte Jan Hinrich Thies hat die bisher bekannten Kriterien in mögliche Trassen umgesetzt und stellt sie vor.

Nicht länger als 104 Kilometer Demnach gibt es recht viele Möglichkeiten für Tempo-Strecken zwischen Bielefeld und Hannover. Die Distanz darf – Anfahren und Abbremsen eingerechnet – nicht länger als 104 Kilometer betragen. Thies hat die von den Bahn-Planern bereits ausgetüftelten Grobkorridore auf eine Landkarte übertragen und mit einem Zirkel den notwendigen Kurvenradius (4250 Meter) für Tempo 300 eingezeichnet. Herausgekommen sind mehrere rein hypothetische Hochgeschwindigkeitstrassen, die der Physiker in seinem Internet-Blog vorstellt.

In allen Fällen wäre laut Thies Bad Salzuflen oder die unmittelbare Nachbarschaft betroffen. Erst nach der Kurstadt fächern sich die Möglichkeiten für die Hochgeschwindigkeitsstrecken viel weiter auf. &bdquo;Das erklärt sich schon dadurch, dass Bad Salzuflen quasi auf einer direkten Linie zwischen den Bahnhöfen von Bielefeld und Hannover liegt.“ Und für eine Fahrtzeit von 31 Minuten müsse es die möglichst direkte Strecke sein, große Schlenker seien für diese Zielvorgabe nicht drin.

Experte für Ausbau der Bestandsstrecke All diese neuen Hochgeschwindigkeitstrassen hält Thies allerdings nicht für notwendig. Er spricht sich klar gegen Neubau-Pläne aus und favorisiert stattdessen den Ausbau der Bestandsstrecke in OWL sowie die Beseitigung des Engpasses zwischen Minden und Wunstorf. &bdquo;Wir brauchen mehr Verkehr auf der Schiene, und zwar schnell“, sagt Thies. &bdquo;Es muss jetzt etwas passieren, nicht erst in zehn Jahren. Sonst müssen wir die A 2 weiter ausbauen.“ Die war erst kurz vor der Jahrtausendwende von vier auf sechs Spuren erweitert worden. Der Physiker hat mit seinem Kompagnon Stephan Schröder vom Ingenieurbüro &bdquo;Bahnzentrum“ (Bielefeld/Minden) als Gutachter der Bürgerinitiative &bdquo;WiduLand“ eine ICE-Trasse entworfen, die weitgehend ohne Tempo 300 auskommt.

Der Clou ihres Vorschlags: Züge könnten immerhin noch mit Tempo 200 über weite Strecken auf der bestehenden Bahntrasse durch OWL und an Bad Salzuflen vorbei rollen und müssten nur in Niedersachsen auf neue Gleise ausweichen. Die Fahrtzeit dieser &bdquo;WiduLand“-Trasse liegt allerdings bei rund 43 Minuten. Das sei zwar langsamer als bei den Neubautrassen, allerdings würden damit auch wichtige Umsteigetakte eingehalten. Ähnlich dem Prinzip des Deutschlandtaktes, der schnelle Umsteigemöglichkeiten an bedeutenden Knotenpunkten vorsieht.

Fahrtzeit-Vorgabe von 31 Minuten als Korsett Die Deutsche Bahn dagegen hat noch vom ehemaligen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den Auftrag bekommen, 31 Minuten Fahrzeit zwischen Bielefeld und Hannover zu schaffen. Züge zwischen Hamm und Hannover sollen weniger als eine Stunde Fahrtzeit benötigen, damit die Umsteigezeiten an diesen Knotenpunkten passen. Dieses Tempo wird aber nur möglich, wenn die Züge möglichst auf gerader Strecke Höchsttempo fahren – ungestört von Bahnsteigen und engen Kurven. Und das ginge nur mit neuen Trassen von Hamm bis Hannover, so Thies.

Der Bahnexperte zeigt in seinem Gedankenexperiment, dass es nach den Ministeriumskriterien mehrere Streckenführungen quer durch OWL und Niedersachsen geben könnte. Ab Bad Salzuflen und Herford tut sich ein Labyrinth der Möglichkeiten auf. Das Gedanken-Experiment des Bahnexperten belegt aber auch: Das 31-Minuten-Ziel ist nur durch Neubau zu verwirklichen. &bdquo;Eigentlich müsste die Strecke so nah wie möglich am Bielefelder Bahnhof ausfädeln und so nah wie möglich in Hannover wieder einfädeln“, sagt Thies. Südlichere Streckenführungen und damit durch beispielsweise Dörentrup oder Barntrup hält er allesamt für uninteressant. So würden die 31 Minuten Fahrtzeit nicht erreicht, wohl aber beispielsweise mit einer Route über Kalletal.

DB spricht von CO2-Einsparung Die vielen Hügel und Täler im Minden-Ravensberger Land dürften die Baukosten für eine Neubaustrecke enorm in die Höhe treiben. Brücken, Tunnel – wie beispielsweise durch den Salzufler Obernberg – und die dafür notwendigen Erdarbeiten werden die Klima-Bilanz zudem erheblich trüben, kritisieren Naturschützer. Die Deutsche Bahn verweist dagegen auf eine bereits vorliegende Klimabilanz für den Korridor Berlin-Hannover-Bielefeld. &bdquo;Gemäß der Bilanzierung des Bundes spart das Gesamtprojekt künftig unter Beachtung der CO2-Emissionen des Baus pro Jahr 41.000 Tonnen Kohlendioxid ein“, hat eine Bahnsprecherin auf Anfrage dieser Zeitung erläutert.

Kurstadt bleibt in der Verlosung für ICE-Neubautrasse

Das sagen Bahn-Vertreter über eine mögliche ICE-Trasse durch Bad Salzuflen

Politiker aus OWL fordern Planungsstopp für neue ICE-Trasse durch die Region

Bahnexperte: OWL droht Kollaps auf der Schiene ohne Neubaustrecke

Herforder Petition gegen ICE-Pläne der Bahn geht auf die Zielgerade

Meinung: ICE-Trasse Hannover - Bielefeld: Zukunft? Ohne uns!

Wenn der ICE durch Lippe fährt

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus!

0,99 Euro im ersten Monat

Weiterlesen mit LZplus