Blomberg. Blauer Himmel und Sonnenschein herrschen über Blomberg, als sich die Wagenkolonne von Bundespräsident Joachim Gauck und seinen Begleitern der Firmenzentrale von Phoenix Contact am Flachsmarkt nähert. In welchem Wagen das Staatsoberhaupt sitzt, ist deutlich an der Standarte mit dem Bundesadler darauf zu erkennen. Einen Tag lang besucht Joachim Gauck Unternehmen des Technologie-Netzwerks „its owl" in Ostwestfalen-Lippe und lässt sich zeigen, wie Firmen die Herausforderungen des digitalen Zeitalters meistern wollen. Industrie 4.0 lautet das Stichwort. Die erste Station macht der Präsident bei Phoenix Contact. Mit einem lauten „Guten Morgen" und einem herzlichen Lächeln geht Joachim Gauck auf das Empfangskomitee zu, das sich zu seiner Begrüßung aufgestellt hat. Dazu zählen die Phoenix-Contact-Geschäftsführer Frank Stührenberg und Roland Bent, „its owl"-Vorsitzender Prof. Jürgen Gausemeier, Betriebsratschefin Uta Reinhard sowie Landrat Dr. Axel Lehmann und Bürgermeister Klaus Geise. Zu Beginn gibt es für den Bundespräsidenten ein wenig Theorie darüber, wie Technologietransfer in kleinen und mittleren Unternehmen überhaupt funktioniert. Wie das in der Praxis vonstatten geht, erfährt das Staatsoberhaupt kurz darauf in Produktionshalle 8. Dort steht eine nagelneue Maschine, die vollautomatisch Kabel für die Anbindung von Sensoren und Motoren herstellt. Und das in den verschiedensten Varianten, komplett auf die Wünsche und Bestellungen der Kunden zugeschnitten. Aufmerksam und konzentriert lauscht Gauck den Erklärungen von Geschäftsführer Bent über den Produktionsprozess. Immer wieder geht der Blick des Staatsoberhauptes dabei zu den sich pausenlos bewegenden Greifarmen, die begleitet von zischenden Geräuschen die einzelnen Fertigungsschritte erledigen. „Früher brauchten wir dafür drei verschiedene Anlagen, heute macht das eine", erklärt Mechatroniker Lukas Wiemann dem neugierigen Joachim Gauck. Der will von dem jungen Mann nicht nur noch mehr Details über die Produktion wissen, sondern auch etwas über dessen Ausbildungsweg. „Außerdem hat er gefragt, ob ich ein echter Lipper bin", erzählt der Pivitsheider später, der das Staatsoberhaupt als „sehr nett und sympathisch" erlebt hat. Einen ähnlichen Eindruck hinterlässt der 76-Jährige auch bei Martin Rheker und Phillip Jungemann. Beide sind Technische Fachkräfte bei Phoenix Contact und unter anderem für ein flexibles Fertigungssystem zur Produktion von Kunststoff-Bauteilen zuständig, das vollautomatisch läuft. Auch von Rheker und Jungemann möchte Gauck wissen, welche Ausbildung sie gemacht haben. „Ich bin seit 13 Jahren bei Phoenix und mache gerade meinen Techniker. Im nächsten Jahr bin ich hoffentlich fertig", berichtet Rheker dem Bundespräsidenten. Der ist am Ende seines Besuchs bei Phoenix Contact beeindruckt. Ganz gezielt besuche er Regionen in Deutschland, die nicht immer so sehr im Blick der Öffentlichkeit stünden. Dabei gebe es leistungsstarke Standorte wie beispielsweise Ostwestfalen-Lippe, wo unter dem Stichwort Industrie 4.0 viel bewegt werde. Hochschulen, Unternehmen und die öffentliche Hand „bilden eine neue Kultur der Zukunftsfähigkeit, das ist das Besondere hier", sagt Gauck. In seiner Amtszeit wird Joachim Gauck wohl nicht noch einmal nach OWL kommen. Vielleicht aber als Rentner. „Radfahren mag ich ja", sagt er. Ein Versprechen, den nächsten Urlaub in Lippe zu verbringen? „Eine Absicht", beschwichtigt Gauck, ehe er sich auf den Weg zu den nächsten Terminen nach Paderborn macht. Kommentar: Beste Werbung für die Region von Silke Buhrmester Bundespräsident Joachim Gauck kommt nach Blomberg und – natürlich – besucht er den Vorzeigebetrieb schlechthin. Zu mehr als einer „Closed Shop"-Veranstaltung bei Phoenix Contact reichte die Zeit nicht. Doch der Blomberger Elektronikhersteller von Weltruf verstand es, während des gut einstündigen Besuches nicht nur Werbung für sich selbst zu machen, sondern für die ganze Region. Und es gelang, dem Bundespräsidenten das Thema Industrie 4.0 am Beispiel von Mitarbeitern und Maschinen hautnah zu vermitteln. Gauck zeigte sich am Ende beeindruckt. Dabei ging es ihm nicht nur um die Technologie, sondern auch um die Menschen, die er im Werzeug- und Maschinenbau kennenlernte, und um deren gesicherte Arbeitsplätze. Denn hier liegt die große Skepsis vieler – und das wohl zu recht. Aber Industrie 4.0, das erfuhr der Bundespräsident aus erster Hand, bietet für Unternehmen und die Mitarbeiter, die bereit sind, sich darauf einzulassen, viele Chancen. Wer mit der neuen Technologie umgehen will, muss sich weiter qualifizieren. Die Möglichkeiten dazu müssen vor Ort geschaffen werden, und das funktioniert dank der Kooperation von Hochschulen, Unternehmen und öffentlicher Hand in OWL ausnehmend gut. „Ich bin hier zu Besuch bei Leuten, die ans Gelingen glauben", lobte Gauck in die Mikrofone bundesweiter Medien. Dann fuhr er davon. Der Nachhall blieb. Bessere Werbung gibt es nicht.