Blomberg. Die ganz großen Liebesgeschichten werden auf der Kinoleinwand erzählt oder in Romanen nieder geschrieben. Die vielleicht schönsten aber schreibt das Leben selbst. Eine davon hat sich im Blomberger Kreisseniorenheim abgespielt. Hier haben zwei Menschen die späte Liebe gefunden - vielleicht ist es sogar die größte ihres Lebens.
Wer ins Altenheim kommt, rechnet nicht unbedingt damit, sich noch einmal neu zu verlieben. Auch Lilli Brand tat das nicht. Schon seit 30 Jahren ist die 92-Jährige verwitwet. "In all den Jahrzehnten habe ich nie einen anderen Mann angeguckt", sagt sie. Nicht, weil sie nicht wollte. Es hat sich einfach nie ergeben. Für eine neue Liebe musste Lilli Brand erst alt werden und von Bad Pyrmont in die Kreissenioreneinrichtung nach Blomberg ziehen. Das erste Jahr dort sei sehr schwer gewesen, der Lebensmut habe ihr gefehlt. Dann lernt sie Alwin Topp kennen. "Er hat mich aus dem Loch geholt", sagt sie und legt ihre Hand auf seine: "Ohne ihn wäre ich sehr einsam."
Verstehen ohne Worte
Beide sitzen im Rollstuhl, Seite an Seite, und werfen einander tiefe Blicke zu, während sie ihre Geschichte erzählen. Alwin Topp ist 88 Jahre alt und hatte im Jahr 1994 einen Schlaganfall. Deshalb fällt ihm das Sprechen schwer, gerade für Außenstehende sei es nicht immer ganz einfach, ihn zu verstehen. Für Lilli Brand ist das kein Problem. "Ich muss ihn nur anschauen, schon weiß ich, was in ihm vorgeht", sagt sie und lächelt. Aber auch mit Worten versteht sich das Paar bestens. "Wir können über alles reden", sagt Alwin Topp: "Außer Fußball."
Die Beziehung der beiden ist gerade deshalb sehr innig, vermuten beide. "Liebe im Alter ist viel intensiver", findet Lilli Brand. Früher waren die Kinder der Mittelpunkt, jetzt geht man mehr aufeinander ein. Für beide ist es eine ganz neue Ebene. "Man kann auch lieben, ohne miteinander ins Bett zu gehen", sagt die 92-Jährige. Am wichtigsten sei, dass sie aufeinander zählen können. Nicht mal zu ihrem ersten Mann hat Lilli Brand eine derart enge Beziehung gehabt.

Es war Schicksal
Selbst das Kennenlernen war schicksalhaft. Als Alwin Topp im Januar 2012 ins Altenheim nach Blomberg kam, war er nicht allein. Er zog mit seiner schwerkranken Frau in die Einrichtung. Zwei Jahre später starb sie. "Das war schwer", sagt er heute. Lilli Brand habe ihm damals zur Seite gestanden und ihm über die Zeit der Trauer hinweg geholfen. Aus Freundschaft wurde mehr. "Seitdem sind wir unzertrennlich", sagt die 92-Jährige. Beide hätten schon vor dem Tod seiner Frau mehr füreinander empfunden, gibt das Paar heute zu. Doch erst später hätten sie die Gefühle zugelassen. Jetzt ist es ihr größter Wunsch, noch ein paar gemeinsame Jahre miteinander verbringen zu können. "Wenn einer von uns gehen muss, wird es hart", sagt Alwin Topp ernst. Doch bis dahin sollen noch einige Sommer kommen.
Sogar über eine erneute Heirat hat das Paar bereits nachgedacht, doch letztendlich haben sie sich aus pragmatischen Gründen dagegen entschieden. "Wir hätten dann nur noch von einer Rente gemeinsam leben müssen, das wäre eng geworden", sagt Lilli Brand. Dafür hat das Paar in einer kleinen Zeremonie während einer Feier im Altenheim einfach Brautpaar gespielt. "Wir brauchen keine Ringe, wir wissen auch so, dass wir zusammen gehören", sagt sie.
Alwin Topp muss bei dieser Liebeserklärung lächeln, seine Augen leuchten. Genau diese Art schätzt Lilli Brand an ihrem Partner. "Er hat wunderschöne Augen, ist liebevoll und ausgeglichen." Und auch wenn beide einmal Zoff haben, bei den wirklich wichtigen Dingen sind sie sich einig. Nur eins kann Alwin Topp absolut nicht nachvollziehen: "Ich kann nicht verstehen, dass diese tolle Frau so lange allein war."
