Herford/Detmold. Kim-Lea Glaub hat das Down-Syndrom. Die 19-Jährige arbeitet in den Herforder Werkstätten und verdient 80 Euro im Monat. Aufgrund des geringen Verdienstes steht der Herforderin Grundsicherung zu. Doch die Auszahlung wird ihr und vielen anderen Menschen mit Behinderung aufgrund der Neufassung eines Paragrafen im Sozialgesetzbuch verwehrt. Dagegen wehrt sich Familie Glaub mit Unterstützung der Lebenshilfe, die nach einem monatelangen Kampf nun endlich Erfolg hat. Denn das Sozialgericht Detmold hat entschieden, dass Kim-Lea Glaub Anspruch auf Grundsicherung hat (AZ: S 2 SO 15/18). Der Kreis Herford muss ihr nun rückwirkend ab ihrem 18. Lebensjahr Grundsicherung zahlen, die monatlich mindestens 416 Euro umfasst. „Wir sind sehr froh über die Entscheidung", sagt Mutter Karin Glaub. „Doch der Ärger darüber, dass wir überhaupt klagen mussten, ist groß. Ich frage mich, warum versucht wird, an den Schwächsten unserer Gesellschaft zu sparen, wenn sich die Bundesregierung gleichzeitig über Rekordeinnahmen freut."Vor dem Sozialgericht Detmold haben bereits die Sozialgerichte Augsburg und Gießen im Sinne der Betroffenen geurteilt. Das Augsburger Urteil wird aktuell vom Landessozialgericht München geprüft, während das Landessozialgericht Hessen das Urteil aus Gießen bereits bestätigt hat. Mit Blick auf mehrere Tausend Menschen mit Behinderung, denen die Grundsicherung verwehrt wird, fordert die Lebenshilfe eine Anpassung des Paragrafen im Sozialgesetzbuch. „Es gibt mehrere Urteile, die eine klare Sprache sprechen. Wie lange sollen die Menschen mit Behinderung noch auf ihr Geld warten? Nach dem Detmolder Urteil muss die Bundesregierung endlich handeln", fordert Bundesvorsitzende Ulla Schmidt. Aktuell bleibt Menschen wie Kim-Lea Glaub und ihren Familien nur der Weg vor Gericht, wenn die Auszahlung der Grundsicherung abgelehnt wird. „Deshalb ist eine bundeseinheitliche Regelung so wichtig, denn das Detmolder Urteil gilt zunächst nur für Kim-Lea Glaub und nicht auch für die vielen anderen Betroffenen", erklärt Sprecher Philipp Peters. Bis nun das Urteil für Kim-Lea Glaub rechtskräftig ist, muss die Herforderin weiter allein mit ihrem Werkstatt-Entgelt auskommen – mit gerade mal 80 Euro im Monat, was einem Stundenlohn von 58 Cent entspricht. „Ab wann und wie viel Grundsicherung Kim-Lea erhalten wird, wissen wir leider noch nicht, weil unklar ist, ob der Kreis Herford Berufung einlegen wird", sagt Karin Glaub. Auf Nachfrage erklärt eine Sprecherin der Kreisverwaltung, dass der Fall geprüft wird und damit auch der Weg in die zweite Instanz. Familie Glaub hofft auf eine schnelle Entscheidung. „Kim-Lea steht das Geld zu. Von 80 Euro im Monat kann niemand leben, geschweige denn sich auch mal Wünsche erfüllen", sagt Karin Glaub. Das zuständige Bundesarbeitsministerium versteht die neue Vorschrift im Sozialgesetzbuch jedoch so, dass die dauerhafte und volle Erwerbsminderung von Beschäftigten in der Werkstatt für behinderte Menschen erst nach Ende des Berufsbildungsbereichs festgestellt werden kann. Bis dahin sei eine Entwicklung denkbar, die den Wechsel auf den ersten Arbeitsmarkt ermögliche. Die Folge: Betroffene wie Kim-Lea Glaub haben im Berufsbildungsbereich keinen Anspruch auf Grundsicherung. Die Lebenshilfe bewertet diese Rechtsauslegung als weltfremd. „Erfahrungsgemäß schaffen es nur sehr wenige Werkstattbeschäftigte auf den ersten Arbeitsmarkt", so Peters.