Nikita Miller spricht im Sommertheater über gebrochene Klischees einer Kindheit

Detmold. Wenn jemand ein Geschichtenerzähler ist, dann er. Bevor Nikita Miller Comedian wurde, hat er Philosophie studiert, in einer IT-Firma gearbeitet, Kaninchenställe geputzt, war Türsteher, Umzugshelfer, Bandarbeiter und hat Schmuck verkauft – aus dem Kofferraum. In Detmold füllte der russische Kasache das Sommertheater und markierte die Etappen einer zweistündigen Show mit intelligenten Obszönitäten.

Miller hatte noch am Samstagnachmittag in Detmold in einem Café gesessen und eines über Detmold festgehalten: &bdquo;Da saß jemand, der aus dem Fenster sah, also nicht auf sein Handy. Voll der Psycho.“ Dann fing er an, über seine kasachischen Wurzeln, seine russische Clique in seiner schwäbischen Heimat und die Erziehungsmethoden seines russischen Vaters zu berichten. Seine Storys porträtieren seine Jugend, gefärbt von männlichen Einflüssen, zahlreichen unfassbaren Erlebnissen und der einen wichtigen Frage: Was bedeutet es denn, ein richtiger Mann zu sein? So nannte Miller übrigens sein erstes Programm. In Detmold ging es aber um &bdquo;Viel Neues im Westen“.

Geschichten aus der eigenen Jugend Miller sitzt Minute für Minute in weißen Turnschuhen auf einem Barhocker und legt eines vorab fest: Es geht um die Story selbst, weniger um die Pointe. Dabei eskaliert jedes ironisch-gebrochene Klischee seiner Herkunft, weil der Mann oft wie ein Protagonist aus einem Tarantino-Streifen spricht. Den ersten Abschnitt seines Wegs in Deutschland ist er auf dem Land gegangen, genauer: in Ruppertshofen bei Schwäbisch Gmünd. Ein Kaff. Oder wie Miller scherzt: &bdquo;Die Einwohner sind zu 90 Prozent miteinander verwandt.“ Er war vier Jahre alt, als seine Familie die auseinanderfallende Sowjetunion verließ und nach Deutschland kam.

Die Geschichten, die er auf der Bühne vorträgt, stammen hauptsächlich aus seiner Jugend. Wiederkehrende Figuren heißen Viktor, Olek oder Vidam. Und wer hört ihm in Detmold zu? Mindestens 75 Prozent der Gäste im Sommertheater sind unter 30. Einige kommen in kurzen Hose, lassen die Mütze oder das Base-Cap gleich auf. Man merkt, dass ein Video von Miller mal bei TikTok gesperrt wurde.

Und inhaltlich? Die Krönung seiner Geschichten dreht sich um die Frage, was er als junger Mann unter keinen Umständen tun durfte, weil er sonst für schwul gehalten worden wäre. Die Liste ist mittellang und liest sich so: einen Fahrradhelm tragen, frieren, Französisch sprechen, Sandalen tragen, einen Regenschirm mitnehmen, wenn man das Haus verlässt. Da Nikita Miller hetero ist, macht er das alles nicht. Wäre er unsterblich, würde er seiner Freundin sagen, dass sie zugenommen hat.

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