Hamm (lnw). Es geht um sehr kleine Zellen und offene Toiletten: Angesichts einer Prozessflut um die Zustände in vielen Gefängnissen in NRW sucht das Land mit immer mehr Häftlingen eine Einigung. Am Oberlandesgericht Hamm wurden allein am Mittwoch drei Vergleiche mit jetzigen oder ehemaligen Sträflingen geschlossen.<br /><br />Dadurch werden Urteile überflüssig. Das Land ist demnach bereit, den drei Klägern mit Summen in Höhe von je 345 Euro, 5.000 Euro und knapp 2.100 Euro entgegen zu kommen. Geld fließt jedoch nicht. Die Beträge werden mit den Kosten für die Prozesse verrechnet, die die Straftäter einst ins Gefängnis gebracht hatten. Das Land erkennt auch keine Schuld an. In NRW gab es nach Auskunft des Justizministeriums seit dem Jahr 2005 rund 125 solcher Einigungen. Ein Großteil sei in der jüngeren Zeit geschlossen worden. In einem anderen Fall will das Gericht am 29. September ein Urteil sprechen.<br /><br />Die Gerichte zwischen Rhein und Weser müssen sich zurzeit mit einer Klageflut wegen vermeintlich menschenunwürdiger Unterbringung von Häftlingen befassen. Allein beim Oberlandesgericht (OLG) Hamm sind mehr als 300 Klagen anhängig, sagte der Vorsitzende Richter des 11. OLG-Zivilsenates, Manfred Heine. Untere Instanzen hatten teils Schadenersatz zugesprochen, teils auch verneint. Am Mittwoch wurden in Hamm die Klagen von sechs Gefangenen aus Münster und Detmold verhandelt, zwei von ihnen wurden in Fußketten in den Saal geführt.<br /><br />Das OLG hatte zu prüfen, ob die Gefangenen freiwillig in Zellen geblieben waren, in denen sie weniger als fünf Quadratmeter für sich hatten, oder aber vergeblich einen Antrag auf eine Verlegung gestellt hatten. Zum Teil lebten die Männer monatelang zu zweit auf 8,6 Quadratmetern. Der zweite Kritikpunkt sind offene Klos im Raum. Es geht um Zellen von Gefangenen in den Jahren zwischen 2006 und 2008.<br /><br />Das Land hat inzwischen viele Toilettenanlagen modernisiert.<br />"Der Schutz der Menschenwürde würde verkümmern, wenn deren Verletzung nicht sanktioniert würde", sagte Richter Heine. "Es ist nicht erforderlich, dass eine physische oder psychische Schädigung eingetreten ist." Bei Beleidigungen etwa komme es schließlich auch nicht auf tatsächliche Schäden an. Das OLG Hamm hatte im März 2009 bereits einem Detmolder Häftling Schadenersatz zugesprochen. Der Bundesgerichtshof hatte das vom Land angefochtene Urteil aufgehoben und gefordert, das Problem stärker auf den Einzelfall zu fokussieren.<br /><br />Die Leiterin der JVA Münster, Maria Look, sagte als Zeugin, dass jeder Gefangene, der eine Einzelzelle wolle, den Wunsch auch erfüllt bekomme. Ohne längeres Warten seien in der Regel aber nur Räume im Zellenblock B1 zu bekommen. Dieser Block sei eher unbeliebt, dort seien die Gefangenen auf Durchgangsstation untergebracht, die nur kurz da seien. "Die Gefangenen wollen ihre Abteilung nicht wechseln.<br /><br />Dort kennen sie die Beamten, ihre Nachbarn links und rechts", sagte Look. Die JVA Münster gilt als zweitältestes Gefängnis Deutschlands.<br />Anwalt Dirk Thenhausen glaubt, dass viele Insassen nicht über ihre Rechte informiert worden seien. "Das Land kommt jetzt mit dem juristischen Trick: "Hättest Du doch einen Ton gesagt!"" Thenhausen vertritt in Münster knapp 200 Ex-Häftlinge. Seiner Überzeugung nach wurde vielen suggeriert, ein Antrag auf Verlegung habe keine Chance.