Lüdenhauserin Dunja Sharbart Dar lebte ein Jahr lang in Fukushima

Menschen wohnen dort teils immer noch in Notunterkünften

Anna Catharina Muer

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Hat die Unglücksregion mit eigenen Augen gesehen: Die 23-jährige Studentin Dunja Sharbat Dar hat sich vor Ort in Hilfsprojekten engagiert. Das Bild zeigt sie vor einem neu gebauten Zentrum für erneuerbare Energien. - © Privat
Hat die Unglücksregion mit eigenen Augen gesehen: Die 23-jährige Studentin Dunja Sharbat Dar hat sich vor Ort in Hilfsprojekten engagiert. Das Bild zeigt sie vor einem neu gebauten Zentrum für erneuerbare Energien. (© Privat)

Kalletal-Lüdenhausen. Außenstehende würden Fukushima Stadt heute wohl wie jeden anderen Ort wahrnehmen: Die Menschen arbeiten, pflanzen Obst und Gemüse an – über alles andere schweigen sie. Diese Erfahrung hat Dunja Sharbat Dar gemacht. Die Lüdenhauserin hat ein Jahr in der Stadt der Reaktorkatastrophe gelebt.

Die 23-jährige Studentin wohnte nur wenige Kilometer entfernt von der Unglücksstelle in der 200.000 Einwohner großen Stadt. Sie war für ein Auslandssemester dorthingekommen: „Ich studiere Japanologie und Religionswissenschaften in Bochum. In Fukushima haben wir eine Partneruni, und weil ich neugierig auf das Land und die Menschen war, habe ich diese Chance genutzt.“ Auf Einladung der evangelisch-reformierten Gemeinde berichtete Dunja Sharbat Dar jetzt in der Langenholzhauser Kirche von ihren Erfahrungen.

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Fukushima ist nicht überstanden

Viele Japaner haben nach der Katastrophe immer noch große Angst vor Strahlung – und sie haben auch Grund dazu. Die radioaktive Verseuchung wird nach Meinung von Experten viele Jahre anhalten. Viele Einwohner, sagte Dunja Sharbat Dar, litten unter Krebs oder seien bereits schon daran gestorben. Vor allem die Arbeiter im Atomkraftwerk hatte es stark erwischt, genauso wie die Menschen, die direkt nach dem großen Unglück bei den Aufbauarbeiten halfen.

Angst vor Strahlung hatte die junge Frau nicht – die größte Gefahr sei vorbei, die gefährlichen Zonen seien abgesperrt, sagt sie. Die Region hatte nach Erdbeben und Tsunami am 11. März 2011 den schwersten nuklearen Zwischenfall nach Tschernobyl erlebt. Die Geschehnisse seien den Menschen in Japan anzumerken – wobei sie stillschweigend leiden. „Die Japaner meiden es, über Gefühle zu sprechen, sie leiden eher nach innen hinein“, erklärt Dunja Sharbat Dar.

Mittlerweile gibt es in Japan Hilfsprojekte, für die sich auch die Studentin eingesetzt hat. Sie kümmern sich um die Menschen: „Manchmal wurden sogar ganze Dörfer evakuiert. Wir haben die Leute besucht, damit sie in ihren kleinen Notunterkünften, in denen sie immer noch untergebracht sind, nicht vereinsamen.“ Oft könnten die Menschen nicht mehr in ihr altes Dorf zurück. Die einst belebten Orte hätten sich nun zu Geisterstädten entwickelt: „Es sieht aus, als würden dort Menschen leben – schicke Autos vor den Häusern, abgestellte Busse. Aber es ist niemand mehr dort“, bemerkte die Lüdenhauserin, deren Vater aus dem Iran kommt.

Zur Unglückszeit selbst, erzählte ihr ein Studienkollege, sei den Japanern zuerst nicht richtig klar gewesen, was wirklich passiert war – Erdbeben seien keine Seltenheit. Wahrscheinlich hätten die Deutschen schon viel früher über die Medien von dem Ausmaß erfahren. Trotz alledem: Ein Großteil der Einwohner lebt immer noch in Fukushima.

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