Detmold/Berlin. Der Verlust der Heimat, die Strapazen monatelanger Flucht, die Trauer um verstorbene Familienangehörige – knapp 50 Prozent der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge leiden aufgrund des Erlebten unter psychischen Störungen. Nicht selten können derartige Erkrankungen zu Chronifizierung und Isolation führen. Mit einer Kurzzeittherapie will eine Psychologin dieser Gefahr entgegenwirken.<br /><br />Unter dem Titel „Interpersonelles Integratives Modelprojekt für Flüchtlinge“ (IITF) hat die gebürtige Detmolderin Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier gemeinsam mit PD Dr. Meryam Schouler-Ocak aus der Charité ein zweimonatiges interkulturelles Therapieprogramm entwickelt, das psychisch erkrankten Asylbewerbern bei der Verarbeitung von schwierigen und traumatisierenden Ereignissen helfen und zeitgleich die Integration in die Arbeits- und Sozialwelt erleichtern soll. „Das Programm setzt sich aus verschiedenen Behandlungsbausteinen zusammen. Dabei spielen therapeutische Gespräche, Sozialberatung, Ergotherapie und die psychiatrische Behandlung eine Rolle“ erklärt die 39-jährige Psychologin, die als Professorin an der Psychologischen Hochschule Berlin arbeitet.<br /><br />In Berlin ist im November auch die erste Pilotphase angelaufen, in der 30 Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak durch ehrenamtliche Therapeuten, professionelle Dolmetscher sowie Sozialarbeiter und Ergotherapeuten behandelt werden. „Die Herausforderung liegt hierbei auch im kulturellen Kontext. Insbesondere in arabischen Ländern sind psychische Erkrankungen und Psychotherapie noch ein gesellschaftliches Tabu“, sagt Brakemeier.<br /><br />Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen gehören laut Brakemeier zu den psychischen Erkrankungen, die am häufigsten bei Flüchtlingen diagnostiziert werden. Dabei komme es oft vor, dass die Symptome monatelang unterdrückt würden. Ein Patient habe beispielsweise vor zwei Jahren seinen Sohn durch einen Anschlag in einem Lager bei Damaskus verloren. Er selbst sei bei dem Anschlag schwer verletzt worden. Doch erst jetzt komme der Vater, bei dem eine Depression diagnostiziert wurde, zur Ruhe und erhalte somit die Chance, endlich den Verlust zu betrauern.<br /><br />„Wenn solche traumatischen Erlebnisse nicht behandelt werden, können sie schwere psychische Störungen zur Folge haben. Der Erkrankte zieht sich zurück und isoliert sich im schlimmsten Fall vollständig. Das erschwert die Integration“, erklärt die Psychologin weiter. Ziel sei es daher, bei der Traumaverarbeitung zu helfen und gleichzeitig neue Perspektiven für die weitere Lebensgestaltung aufzuzeigen.<br /><br />Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterstützt das Projekt mit knapp 100.000 Euro an Fördermitteln, für die Testphase ist ein Gesamtvolumen von 233.000 Euro angesetzt, wobei der Rest aus ehrenamtlichen Engagement und Eigenmitteln finanziert wird. Ein stetiger Austausch zwischen den Mitwirkenden soll dabei bestmögliche Ergebnisse erzielen. „Auch die Therapeuten setzen sich in diesem Hilfsprojekt einer Doppelbelastung nach ihrem regulären Arbeitstag aus“, sagt Brakemeier.