Lemgoer Film "Die Blumen von Gestern" begeistert Publikum und Kritiker

Marianne Schwarzer

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Holocaustforscher Toto alias Lars Eidinger und seine jüdische Praktikantin Zazie alias Adèle Haenel entdecken, was sie verbindet. - © die-blumen-von-gestern.de
Holocaustforscher Toto alias Lars Eidinger und seine jüdische Praktikantin Zazie alias Adèle Haenel entdecken, was sie verbindet. (© die-blumen-von-gestern.de)

Kreis Lippe. Unerträgliche Spannung: Der Abspann läuft, aber die Gesichter der japanischen Zuschauer bleiben unergründlich. Filmproduzentin Kathrin Lemme erinnert sich noch gut an den Moment, als sie und Regisseur Chris Kraus „Die Blumen von Gestern" auf dem Internationalen Filmfestival in Tokio präsentieren. Dann verschwindet der letzte Name auf der Leinwand – und der Applaus bricht los. Die Zuschauer haben gerade den Siegerfilm des Festivals gesehen.

Und der Streifen mit Lars Eidinger, Jan Josef Liefers, Hannah Herzsprung und Adèle Haenel beginnt seinen Siegeszug. Kathrin Lemme und Chris Kraus ahnen das in Tokio noch nicht. Darum steigen die beiden erst einmal wieder ins Flugzeug nach Deutschland – und nur einen Tag später retour, um die Siegestrophäe entgegenzunehmen. „Als der Anruf kam, dass wir zur Siegerehrung zurückkommen sollen, habe ich geschrien und geweint, weil ich mich so gefreut habe", erzählt die Professorin, die an der Hochschule Ostwestfalen im Fachbereich Medienproduktion lehrt. Am Ende ist es ein doppelter Sieg: Nicht nur die Jury kürt den Film zum besten Beitrag, er erhält auch den Publikumspreis.

Diese Episode passt gut zum Film, denn der wartet mit unzähligen Überraschungen und ungewöhnlichen Momenten auf. Es ist nicht nur eine  Liebesgeschichte, sondern auch ein Film über den Holocaust – nur diesmal aus der Perspektive der Enkelgeneration. Erfrischend fröhlich, tragisch und voller Tabubrüche, setzt die Tragikomödie dieses eigentlich bedrückende Thema auf ebenso tiefsinnige wie berührende Weise in Szene.

Das hat ihm auch den Sieg bei der baden-württembergischen Filmschau eingetragen. Die Preise sind der Lohn für vier Jahre harte Arbeit. Lob ist  Prof. Kathrin Lemme durchaus gewohnt – der von ihr produzierte  Dokumentarfilm „Eisenfresser" über die Saisonarbeiter auf Abwrackwerften in Bangladesh hat immerhin den Grimme-Preis gewonnen. „Aber das hier war noch mal etwas ganz anderes."

Das übrigens ebenfalls preisgekrönte Drehbuch zu „Die Blumen von Gestern" stammt aus der Feder von Regisseur Chris Kraus, einem Freund Lemmes aus Berliner Studienzeiten.  Es begeisterte Kathrin Lemme; die beiden gründeten eine Produktionsfirma,  fanden in dem  österreichischen Filmproduzenten Danny Krausz einen starken Partner und stellten das 5,2-Millionen-Projekt gemeinsam auf die Beine. „Das war harte Arbeit, insgesamt sind 16 Finanzierungspartner beteiligt", erzählt Kathrin Lemme. „Es hat eineinhalb Jahre gedauert, bis die Finanzierung stand."

Dass es den Filmemachern gelungen ist, die Creme de la Creme der deutschen Schauspielszene für das Projekt zu gewinnen, in dem übrigens jeder Einzelne vor der Kamera wirklich glänzt, war für sie „ein kleines Wunder", erinnert sich Kathtrin Lemme: „Sie sind alle sehr gefragt und mussten  überhaupt erst Mal zusammen Zeit haben." –   Zeit für 42 Drehtage in New York, Riga, Wien, Berlin und Stuttgart im Frühjahr 2015.

Dass für den Film eine Autobahn gesperrt werden musste, eine riesige Halle in ein Forschungszentrum mit Aktenarchiv und eine leer stehende Berliner Villa detailverliebt in das Domizil eines Holocaustforschers verwandelt wurde, spricht für die Herausforderungen, die das Projekt mit sich gebracht hat. „Die Ausstattung hat Großartiges geleistet." Kathrin Lemme ist immer noch begeistert.

Einige Szenen spielen an Originalschauplätzen, etwa an der Holocaust-Gedenkstätte in Riga. Beklemmende Momente für das ganze Team: „Der Ort hat uns alle sehr berührt." Sie selbst hat das Thema Shoah nicht mehr losgelassen, und es hat sie animiert, auch in der eigenen Familiengeschichte nachzuforschen. Vier Jahre lang hat sich das schwierige Thema wie ein roter Faden durch ihr Leben gezogen. „Und ich glaube, ich bin damit noch nicht durch."

Die LZ lädt zur Vorstellung

Regulär kommt der Film „Die Blumen von Gestern" nicht in Lippes Kinos. Doch am Donnerstag, 12. Januar, um 19.30 Uhr plant Filmproduzentin Kathrin Lemme in Zusammenarbeit mit dem Hansa Kino in Lemgo, Neue Torstraße 22, und der Lippischen Landes-Zeitung eine Sondervorstellung mit anschließender Diskussion. Karten können ausschließlich beim Hansa Kino reserviert werden.

Sie wird selbst bei der Vorführung zugegen sein und für alle Fragen aus dem Publikum zur Verfügung stehen. Denn einige Szenen sind durchaus umstritten, und die Produzentin wird Einblicke in die Entstehung des Streifens geben. Zur Handlung: Totila Blumen ist Holocaust-Forscher. Als solcher versteht er keinen Spaß. Schon gar nicht, wenn seine Kollegen versuchen, aus einem Auschwitz-Kongress ein werbefinanziertes Spektakel zu machen. Als man Totila dann auch noch die französische Studentin Zazie vor die Nase setzt, ist er am Ende.

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Information

Von der Hochschule OWL zum Filmfestival nach Tokio

Kathrin Lemme, Jahrgang 1968, stammt aus Hannover und hat in Stadthagen Abitur gemacht, bevor sie in Berlin Jura studierte. Nach dem zweiten Staatsexamen hängte sie ein Studium an der Hamburger Media School dran. Sie gründete eine Produktionsfirma und produziert Spiel- und Dokumentarfilme. Seit 2006 lehrt die zweifache Mutter an der Hochschule OWL.

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