Kreis Lippe. Um 7 Uhr waren die ersten da, die, die ganz sicher gehen wollten, den Schlusspunkt im Verfahren gegen Reinhold Hanning zu erleben. Von „Das hätte man sich auch sparen können, denn was bringt das, ihn zu verurteilen?" bis „Sechs Jahre, wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hat, sind viel zu wenig" ist alles zu hören. Am Ende sind es fünf Jahre ohne Bewährung. Hanning kommt mit denen, die ihr Urteil über ihn vor dem Landgericht gefällt haben, nicht in Berührung. Und auch das bedauern einige. Die Wartenden diskutieren, einige haben mehrere Prozesstage verfolgt. Werner Gevelhoff aus Bielefeld ist pensionierter Lehrer, und mit 66 hat er die Zeit, sich mit der Geschichte zu befassen, die in den Prozesstagen aufgearbeitet worden ist. Die klare Linie des Gerichts hat ihn beeindruckt, die vielen historischen Details, „die auch ich nicht gewusst habe, obwohl ich mich sehr dafür interessiere". Der Prozess ist aus seiner Sicht wichtig, allerdings hätte die Aufarbeitung früher beginnen müssen. „Das ist eine der wichtigsten Fragen überhaupt: Warum wird das erst jetzt gemacht?" Eine Antwort darauf habe ihm auch der Prozess nicht gegeben. Die kollektive jahrzehntelange Scham einer Gesellschaft, die es nicht schafft, sich den Verbrechen zu stellen – für Stefan Betgke aus Verl ist das der eigentliche Skandal. Das Urteil sei in Ordnung, aber für ihn zweitrangig. „Was soll das denn bringen, wenn ein so alter Mann verurteilt wird? Das steht in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, der da mit Steuergeldern finanziert wird", sagt er und erntet dafür einiges Unverständnis, und die, die insgeheim zustimmen, sagen lieber nichts. Lesen Sie mehr in Ihrer LZ.