Kitaessen ohne Schweinefleisch

OWL-Kindergärten stellen sich auf das immer buntere Völkergemisch in den Gruppen ein

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Eine bunte Kindergartenfamilie - © Elena Gunkel
Eine bunte Kindergartenfamilie (© Elena Gunkel)
Bielefeld. Jedes dritte Kindergartenkind in OWL hat einen Migrationshintergrund. In Bielefeld ist es sogar jedes zweite Kind, so die Statistik von IT NRW. Auch Kitas, in denen fast nur noch Migrantenkinder betreut werden, sind inzwischen in der Region nicht selten.

Den städtischen Kindergarten in der Seidenstickerstraße in Bielefeld besuchen 116 Kindergarten- und Hortkinder im Alter von null bis zehn Jahren. Mehr als 90 Prozent stammen aus ausländischen Familien und müssen Deutsch als Fremdsprache lernen, berichtet Vanessa Mönch von der Kita-Leitung. Rund ein Drittel dieser Kinder kommt aus dem Irak, andere haben russische oder türkische Wurzeln, Roma sind dabei, Kinder aus Albanien, Afghanistan, Ägypten, Ghana, Iran, Marokko. "Zum großen Teil sind die Familien Flüchtlinge, die nicht davon ausgehen, dass sie lange in Deutschland bleiben können", erzählt Mönch über ihre bunte Kindergartentruppe.

Sich mit den Kindern zu verständigen sei im Alltag oft schwierig. Die Kinder und ihre Eltern verstehen anfangs oft kein Wort Deutsch. Zum Glück gibt es in der Kita eine kurdische Erzieherin und eine Köchin aus dem Irak, die immer wieder dolmetschen. Zu Elterngesprächen werden über das Amt für Integration professionelle Übersetzer eingeladen. Auch ältere Kinder helfen den Erziehern, sich mit den Neuankömmlingen zu unterhalten. "Ansonsten helfen wir uns mit Händen und Füßen", sagt Vanessa Mönch.

"Eltern sind oft unsicher"

Christiane Bork arbeitet seit drei Jahren in der Kita als Fachkraft für Sprache und Integration. Sie organisiert Spielkreise für Eltern, damit sie durch deutsche Lieder und Bilderbücher  zusammen mit ihren Kindern Deutsch lernen können. Immer wieder versucht Bork, die Eltern zu motivieren, mit ihren Kindern auch in der Öffentlichkeit Deutsch zu reden. Dies aber trauten sich nur selten. "Die Eltern sind oft unsicher und zurückhaltend, aber sie geben sich Mühe", sagt Bork.


Schilan Brendarshamo ist so eine Mutter. "Jeden Tag besuche ich das Elterncafé. Mir gefällt es sehr. Dort spreche ich mit den anderen Eltern und kann so besser Deutsch lernen", sagt sie. Die Irakerin hat ihre Tochter Elin bereits mit einem Jahr in den Kindergarten geschickt, damit sie schneller die fremde Sprache lernen kann. Für jedes Freizeitangebot der Kita ist sie dankbar.

Da es fast keine christlichen Kinder in der Einrichtung gibt, werden kirchliche Feste so gestaltet, dass deren christlicher Hintergrund verschwindet, erzählt Mönch. So hat das Laternenfest nichts mehr mit Sankt Martin zu tun und wird in der Kita als "Lichterfest" gefeiert.

Kein Schweinefleisch in Bielefelder Kitas


Aus Rücksicht auf muslimische Kinder gibt es in sämtlichen städtischen Kindergärten in Bielefeld kein Schweinefleisch mehr auf dem Speiseplan. In manch anderen OWL-Kitas können die Eltern wählen, ob ihre Kinder Schwein bekommen oder nicht.

"Muslimische Eltern in unserer Einrichtung legen Wert darauf, dass ihre Kinder die Gottesdienste in der Kita besuchen und christliche Werte vermittelt bekommen", sagt Anja-Heike Pieper, die den evangelischen Kindergarten Stift Berg in Herford leitet. "Auf Wunsch der Eltern wird für ihre Kinder jedoch separat gekocht."

Auch gelatinehaltige Produkte sind für viele Muslime tabu. "Die meisten Eltern aber haben nichts dagegen, wenn ihre Kinder gelatinehaltige Lebensmittel in der Kita bekommen", sagt Claudia Aulenkamp-Fleer, seit zehn Jahren Erzieherin in der Kita Seidenstickerstraße. "Andere lassen nicht mal Gummibärchen zu."
Aulenkamp-Fleer sagt, sie arbeite gerne mit Migrantenfamilien. "Man muss den Eltern auf der Augenhöhe begegnen. Das Wichtigste ist, dass sie das Gefühl haben, dass wir das Beste für ihr Kind machen", sagt sie.

Dass fast 100 Prozent der Migrantenkinder im Alter zwischen vier und fünf Jahren in Bielefeld Kitas besuchen, sei ein großer Erfolg, so Karl-Heinz Voßhans, Leiter des Amts für Integration in Bielefeld. "Damit erhöhen sie ihre Chancen auf eine erfolgreiche Integration." Dass sich auch deutsche Erzieher in den neuen Alltag integrieren müssen, damit das friedliche Zusammenleben funktioniert, wird oft vergessen.

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