Bielefeld (nw). Drei von vier Deutschen sind dafür, "Benehmen" als Schulfach einzuführen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Instituts YouGov hervor. Eltern- und Lehrervertreter sehen eine Institutionalisierung guter Umgangsformen skeptisch, Wirtschaftsvertreter dagegen sehen einen Trend zu lebensnäheren Lerninhalten.<br /><br />Verpflichtenden Benimmunterricht in der Schule wünschen sich 51 Prozent der Deutschen, für 24 Prozent sollte es immerhin Wahlfach sein. In Sachen Pflichtfach liegt das "Benehmen" sogar vor Wirtschaft (48 Prozent), Gesundheitskunde (42 Prozent), Suchtprävention (39 Prozent) oder Computerprogrammierung (35 Prozent). 68 Prozent der Befragten meinen, dass Kinder in der Schule "zu viel unnützes Zeug" lernen.<br /><br />Dass das Wissen um Tischsitten, höflichen Small Talk und den richtigen Handschlag wichtig für den Berufseinstieg ist, ist Jugendlichen bewusst. Das zeigt der Ansturm auf die "Benimm ist in"-Kurse im Berufsorientierungsangebot der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld. "69 Prozent unserer Teilnehmer entscheiden sich für die Teilnahme am Miniknigge", sagt Geschäftsführer Swen Binner. Interne Umfragen zeigten zudem, dass 50 Prozent der Betriebe in OWL bei Auszubildenden bei den Umgangsformen Nachholbedarf sehen.<br /><br />Die Deutsche Knigge-Gesellschaft bestätigt das wachsende Interesse. "Viele Trainer bieten Kurse für junge Menschen an", sagt Vorstandsvorsitzender Clemens Graf von Hoyos. Die Gesellschaft arbeite deshalb bereits an einem Programm für Schulen.<br /><br /><span style="font-weight: bold;">Benehmen auch Schulsache</span><br /><br />Dass gutes Benehmen auch Schulsache ist, bestätigt Eberhard Kwiatkowski. Der Vorsitzende der Landeselternkonferenz NRW sieht aber keinen Bedarf für ein Knigge-Fach. "Benehmen ist bereits Bestandteil des täglichen Umgangs in den Schulen." So würden in der Mensa Tischregeln eingeübt, im Schulalltag außerdem Regeln des gegenseitigen Respekts. Benimmtraining auf ein Schulfach zu beschränken bewertet der Elternvertreter als kontraproduktiv. "Das reicht nicht. Umgangsformen und Miteinander müssen in den verschiedensten alltäglichen Situationen eingefordert und praktisch geprobt werden." Das könne an Schulen zwar konsequenter passieren, doch auch in den Familien gebe es "Verbesserungspotenzial. Die Schule ist nicht alleiniger Erziehungsort."<br /><br />Verärgert reagiert Udo Beckmann vom Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE). "Immer wenn ein soziales Defizit auftritt, soll die Schule das Problem lösen und gleich dazu passend ein Sonderfach einführen." Der Vorsitzende der Lehrerorganisation sieht jeden Erwachsenen in der Pflicht. "Gesellschaft und Eltern haben eine Vorbildfunktion, der sie nicht ausreichend nachkommen." Der Schule komme lediglich eine Mitverantwortung zu.<br /><br />Durch die Einführung von Kopfnoten im Jahr 2007 hatte die damalige Landesregierung sich schon einmal eine bessere Rückmeldung über die Sozialkompetenz der Schüler erhofft. Die Nachfolgeregierung schaffte sie ab, denn sie ließen "eine angemessene pädagogische Rückmeldekultur nicht zu". Benotete Soft Skills fielen damals durch.