Herr Oschmann, ich treffe Sie gerade telefonisch in Ihrem Auto an, auf dem Weg zum nächsten Auftritt. Dabei hatten Sie erst vor wenigen Tagen einen sehr schweren Unfall, den Sie glimpflich überstanden haben. Ingo Oschmann: Ja, das war nachts auf dem Weg nach Hause, zwei Minuten von der Haustür entfernt, da stand kurz nach der Abfahrt in einem Tunnel hinter einer Kurve ein Lkw. Der hatte keine Warnblinker an. Ich bin sofort in die Eisen gegangen. Der Fahrer hatte keinen Gang eingelegt. So habe ich den Lkw wie beim Autoscooter weitergekickt. Das hat mir wohl das Leben gerettet. Welche Erinnerungen haben Sie noch an den Unfall? Oschmann: Ich habe gemerkt, dass es geknallt hat, habe schwer geatmet und hatte einen ganz merkwürdigen Geschmack. Und dann habe ich den Airbag angeschaut und gedacht: Was ist denn das für ein blöder Stoff? (lacht) Dann habe ich gesehen, dass mir der Lkw-Fahrer entgegen lief und da habe ich mir gedacht: Jetzt muss du mal aussteigen. Ich stand total unter Schock. Ich weiß noch, dass die Polizei 35 Euro von mir haben wollte und mit dem Kartenlesegerät vor mir stand. Ich hatte gar nicht verstanden, was die eigentlich von mir wollte. Das hat bis zum nächsten Tag gedauert, dass ich begriffen habe, was da eigentlich passiert war. Ich frage deshalb nach, weil Sie noch an der Unfallstelle ein Handyvideo gemacht und später bei Facebook gepostet haben. Oschmann: (lacht) Ich habe nur gedacht: Mist, du kannst die nächsten Auftritte nicht machen. Dass dieses Video dann solche Wellen schlägt, hätte ich nicht gedacht. Meine Eltern haben von dem Unfall aus der Presse erfahren. Die hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht angerufen, weil ich noch unter Schock stand. Ich habe nur gedacht: Du musst alle informieren, dass ich nicht auftreten kann. Ich kam ja von einem Auftritt und war noch voll in diesem Modus. Wäre das in einem privaten Umfeld passiert, hätte ich den Gedanken wohl gar nicht gehabt. Sie haben sich ja nur wenige Tage Auszeit gegönnt. Mit welchem Gefühl haben Sie sich wieder ans Steuer gesetzt? Oschmann: Das ist wohl das Niki-Lauda-Syndrom. Der hat ja auch irgendwann gesagt, dass er sehr kurz nach seinem Unfall wieder gefahren ist. Ich bin gleich am nächsten Tag wieder ins Auto und ich glaube, das war ganz gut so. Sie schreiben selbst auf Facebook, dass Ihnen ein zweites Leben geschenkt worden ist. Oschmann: Ich behaupte, dass ich sehr bodenständig bin und auch zu schätzen weiß, was für ein privilegiertes Leben ich führe. Doch so ein Erlebnis macht einen doch noch nachdenklicher und kleiner. So, dass man die Dinge, die wirklich wichtig sind, noch mehr zu schätzen weiß. Dass all die Menschen, die ich liebe, noch da sind: meine Frau, meine Kinder, meine Eltern. Und wie wichtig es ist, Zeit miteinander ganz bewusst zu verbringen. Dankbarkeit und Bescheidenheit lernt man durch einen solchen Moment. Das sind Eigenschaften, die vergisst man manchmal, wenn es einem gut geht. Aber das kann von jetzt auf gleich auch vorbei sein. Sie sind als Comedian jemand, der zumindest auf der Bühne die Dinge eher von der leichten Seite her betrachtet. Wie beeinflusst ein solches Erlebnis Ihre Arbeit? Oschmann: Wer meine Programme besucht, der weiß, dass dort auch leise, nachdenkliche Töne vorkommen. Und auch der Tod ist bei mir ein wichtiges Thema. Ich habe ja auch in Bethel Sterbebegleitung gemacht. Aber wenn man selbst direkt damit konfrontiert wird, dann hat das schon eine andere Qualität. Ich denke, ich lebe jetzt bewusster. Und ich werde jetzt zweimal im Jahr Geburtstag feiern. Wie war denn die Reaktion Ihrer Fans auf den Unfall? Oschmann: Ich habe unglaublich viele gute Wünsche bekommen, das tat schon gut. Und einer meinte, dass es gut sei, dass mein aktuelles Programm schon vorher den Titel hatte: „Schönen Gruß, ich komm zu Fuß" (lacht). Wo Sie den Titel erwähnen: Würden Sie auch Witze über Ihren Unfall machen? Oder wäre Ihnen das doch zu nah? Oschmann: Ich lebe ja noch, insofern geht das (lacht). Mit Humor lassen sich schwierige Erlebnisse ja vielleicht auch besser verarbeiten. Oschmann: Ja, definitiv: Ich hatte am Mittwoch wieder meinen ersten Auftritt nach dem Unfall, das tat schon sehr gut. Es tut gut, wieder auf der Bühne zu sein. Wenn man darüber nachdenkt, dreht man sich ja auch nur noch im Kreis und das bringt einen ja auch nicht weiter. Ich bin ja nicht der erste, dem das passiert ist. Ich bin nur glücklich, dass das so glimpflich ausgegangen ist. Ich habe nur einen Cut am Knie. Da muss man auch nicht im Mitleid versinken, sondern froh sein, dass man am Leben ist und das Leben feiern. Jetzt haben Sie Auftritte nahe Ihrer alten Heimat, in Rietberg und in Gütersloh. Haben Sie noch Bezug zur Region? Oschmann: Ja, beim Kinderkulturfest bin ich früher öfter mal in Mohns Park aufgetreten. Und ich bin ein großer Fan der Stadtbibliothek in Gütersloh. Als ich früher noch in Bielefeld wohnte, hatte ich dafür einen Ausweis und bin oft dahin gefahren. Ich fand das toll mit dem Café in der Mitte, da habe ich mich immer gern hingesetzt. Und die Cultura in Rietberg ist ja auch eine tolle Location. Das ist ja ein Traum, ein Geschenk. In Rietberg moderieren Sie die Cultura Comedy Club, in Gütersloh treten Sie mit Ihrem Soloprogramm auf. Was bedeutet eigentlich mehr Arbeit für Sie? Oschmann: Die Moderation, ganz eindeutig. Das sind ja fast alles ganz neue Sachen, die ich dort erzähle, eigens für den Comedy Club entwickelt. Das ist schon extrem anstrengend. Denn es gibt ja einige Leute, die auch meine Soloprogramme besuchen, und denen kann ich ja nicht alles doppelt vorsetzen. Gala und Soloprogramm sind zwei unterschiedliche Dinge. Sie wohnen ja jetzt ganz woanders? Oschmann: Ja, leider. In Düsseldorf. Meine Frau ist Düsseldorferin, die wollte unbedingt wieder zurück, nachdem sie zwei Jahre in Bielefeld gelebt hatte. Ich bin zwar viel unterwegs, da ist es mir fast egal, wo ich wohne, aber ich vermisse Bielefeld und Umgebung schon sehr. Kann man als Ostwestfale denn nicht heimisch werden im Rheinischen? Oschmann: Schwer. Das ist schon der komplette Gegensatz zu allem Westfälischem. Dieses ständige Quatschen, dieses Fröhlichsein beim Karneval, das ist ja unserem Naturell schon sehr entgegengesetzt. Ich bin immer wieder froh, wenn ich in der Heimat bin. Darf ich das so schreiben? Haben Sie keine Angst, dass Ihre Frau das zu lesen bekommt? Oschmann: Nö, die weiß das. Sie ist ja die meiste Zeit zuhause und sie muss sich dort wohlfühlen. Eine Beziehung besteht halt immer aus Kompromissen.