Herford. Manchmal wundert sich Anja Huber selbst darüber, weshalb genau sie an Weihnachten einen Stollen backt. Gewisse Traditionen haben sich bei ihr und in der Gesellschaft so tief verankert, dass keiner mehr hinterfragt, woher diese Rituale stammen. Mit vielen jahrhundertalten Bräuchen sind auch die mystischen Rauhnächte zwischen Heiligabend und dem Dreikönigstag (6. Januar) verbunden. Die 56-Jährige, die sich seit Jahren mit der Geschichte der Rauhnächte beschäftigt, berät normalerweise Menschen, die ihr Leben verbessern wollen – die Herforderin hat aber auch einige Tipps für die Zeit zwischen den Jahren. Vor vielen Jahrhunderten hatten die Menschen vor dem Jahreswechsel Angst, weil die Sonne sich vor der Wintersonnenwende besonders selten blicken ließ und die Dunkelheit überwog. Sie prognostizierten in den zwölf Rauhnächten das Wetter für das nächste Jahr und rührten die dreckige Wäsche nicht an. Denn in dieser mystischen Zeit sollen die Geister – darunter Frau Holle, eigentlich eine alte germanische Gottheit und der oberste germanische Gott Odin mit seinem Gefolge – übers Land gezogen sein. Verfängt sich eine der an diesem Umzug beteiligten Seelen in einem weißen Laken, so ist das ein schlechtes Zeichen, glaubte man früher. So könnte derjenige, der es aufgehängt hat, im nächsten Jahr tot in einem Leichentuch enden. Auch verboten war es, Garn zu spinnen, und selbst das Annähen eines Knopfes an Weihnachten, so glaubte man, könne schon Unglück bringen. Schutz vor schlechten Einflüssen Anja Huber verrät, dass sie sich trotz dieses Aberglaubens zwischen den Jahren ihrer Wäsche widmet. In den Rauhnächten lässt sie aber von alten Gewohnheiten los und reflektiert, was alles schief gelaufen ist. Sie empfiehlt anderen, die Verfehlungen auf einen Zettel zu schreiben und diese dann in einem Tontopf zu verbrennen. Das helfe, die Dinge loszulassen. Ebenso bringe es viel, die eigene Wohnung auszumisten und sich von Altem für den Neustart zu trennen. Auch diese Art des Aufräumens hat ihren Ursprung im Aberglauben: Böse Geister werden dadurch nicht in dreckige Ecken eingeladen, so glaubte man. Ebenso könne man mit einer Räucherschale durch die Zimmer gehen, um sich vor schlechten Einflüssen und Geistern zu schützen. Darüber hinaus sollte man Träume in diesen Nächten aufschreiben und später analysieren, empfiehlt Huber. Sie notiert sich auch 13 Wünsche für das neue Jahr und verbrennt je einen Zettel davon geschlossen an jedem Abend, ohne nachzuschauen. Übrig bleibt nach den zwölf Rauhnächten ein einziger „Herzenswunsch", den sie sich eigenständig erfüllt. Ihren Ursprung haben die Rauhnächte in der Mythologie. Der germanische Kalender nutzte das Mond- und das Sonnenjahr. Als die Menschen vom Mond- zum Sonnenjahr übergegangen waren, waren elf Tage und zwölf Nächte übrig. Sie bildeten eine spezielle „Zwischenzeit". Mit Böllern die Geister vertreiben Zwischen den Jahren hat auch Beraterin Huber eine besonders hohe Auftragslage. Viele wollen von ihr bei den Zielen für neue Abschnitte unterstützt werden. „Die Meisten möchten mit dem Rauchen aufhören oder das Gewicht reduzieren", sagt der Coach, der mit Hypnose arbeitet. Huber weiß, dass das aber nur gelingen kann, wenn Menschen den Stress minimieren. Übrigens, das Ritual mit dem Stollen führt auf die Mönche zurück. Ohne Milch und Zucker war das vor 700 Jahren eine Fastenspeise in den Klöstern in der Adventszeit. Und was viele nicht wissen, auch die Böllerei an Silvester hat mit Rauhnächten zu tun. Früher vertrieben die Menschen mit Krach die Dämonen am Jahresende, weiß Huber. Einen besonderen Partnerschaftstipp gab es in der damals ja noch von Internet-Partnerbörsen freien Zeit in Herfords Nachbargemeinden im Kalletal und Extertal. In den beiden lippischen Gemeinden glaubten junge Mädchen bis Ende des 19. Jahrhunderts noch, sie würden in der Weihnachtsnacht von ihrem Zukünftigen träumen, wenn sie sich nackt vor einem Spiegel drehen und einen Spruch aufsagen. Über die Erfolgsrate dieses Verfahrens ist allerdings nichts bekannt.