Kirchlengern. „Draußen ist es auch schön”, sagt Kyra Kaase auf die Frage, wo sie denn bouldert, wenn die Kletterhallen geschlossen sind. „Natürlich trainiere ich auch zu Hause viel und regelmäßig, aber draußen macht es viel mehr Spaß.”
Die 28-jährige aus Kirchlengern ist seit über zehn Jahren in den Kletterhallen der Region unterwegs, gehört bei den Frauen zu den Top Ten in Deutschland. An Olympia hat sie sie dennoch nicht gedacht. „Ich finde es total genial, dass bouldern jetzt erstmals olympisch ist und meine Sportart auch bei den Spielen in Tokio vertreten ist”, sagt sie. Doch ihre Ambitionen sind da andere: „Ich bin jetzt 28 Jahre alt, für Leistungssport auf dem Niveau ist es da echt schwer. Zudem müsste ich dafür im Nationalkader sein, das bin ich nicht, da habe ich keine Chance. Dafür hätte ich es erst mal in den NRW-Kader schaffen müssen, aber ich kann eben nicht viermal in der Woche nach Köln oder Aachen zum Training fahren”, sagt sie klar, woran es liegt. „Die Konkurrenz aus der Region ist riesig und die haben vor Ort einfach bessere Chancen.”
»Ich will immer wieder mein eigenes Limit erreichen«
Erschwerend kommt bei den olympischen Spielen in Tokio hinzu, dass nicht nur gebouldert wird. „Es ist ein kombinierter Wettkampf, bestehend aus den Kletter-Disziplinen Speed, Lead und Bouldern”, erklärt sie. „Das sind schon sehr unterschiedliche Anforderungen.” Die Studentin Kyra Kaase wird aber die Wettkämpfe im Fernsehen verfolgen. „Da werde ich mit dem gesamten deutschen Team, zu dem drei Frauen gehören, mitfiebern und die Daumen drücken. Einige von ihnen kenne ich von den Wettkämpfen aus der Bundesliga.“
Kyra Kaase sucht sich ihre eigenen Herausforderungen. „Eigentlich bin ich total gerne im Ausland unterwegs. Weil das in der Pandemiezeit aber schwierig war und noch ist, nutze ich die Gelegenheiten hier in Deutschland und bin jedes Wochenende unterwegs.” Ob im Harz, in Göttingen oder Dortmund, Felsen mit Routen und Schwierigkeitsgraden gibt es viele. „Und jeder für sich ist eine Herausforderung!” Sie reizt es auch nach so langer Zeit immer noch, diese anzunehmen: „Ich bin noch nicht satt, habe großen Ehrgeiz, diese Aufgaben zu schaffen und immer wieder mein eigenes Limit zu erreichen.” Derzeit ist sie oft am Langenstein im nördlichen Harz. „Da suche ich noch eine Variante, wie ich das Problem löse”, berichtet Kaase. Immer wieder probiert sie es. „Ich bin halt relativ klein, für größere Sportler ist das kein Problem, aber ich suche nach einer eigenen Variante”, ist sie hartnäckig.
Genau das gibt sie auch ihren Schützlingen in der Kletterhalle immer mit. Im Blockbuster in Bielefeld ist Kyra Kaase als Trainerin tätig. Sie hat ihre Trainerscheine C und B für Breiten- und Leistungssport absolviert und darf als Trainerin B Bouldern indoor viele Kurse geben. Zudem ist sie dort als Routenschrauberin tätig. Damit es für die Sportlerinnen und Sportler nicht langweilig wird, werden regelmäßig die Griffe abgeschraubt, gesäubert und eine neue Route gesetzt. „Das ist nicht ohne, mit diesen großen Griffen und zwei Akkuschraubern auf der Leiter”, berichtete sie von einer anstrengenden Aufgabe, die ihr aber viel Freude bereitet. Noch mehr Spaß hat sie natürlich, wenn sie draußen die sportlichen Probleme löst und dann ab dem 23. Juli vor dem Fernseher mit den deutschen Athleten in Tokio jubeln könnte.
Bouldern und Olympic Combined
Bouldern bedeutet Klettern ohne Seil in Absprunghöhe – also einer Höhe, aus der noch ohne Verletzungsgefahr abgesprungen werden kann. Weichbodenmatten sollen bei einem eventuellen Sturz vor Verletzungen schützen. Das Bouldern ist eine eigene Disziplin des Sportkletterns und hat in den vergangenen Jahren eine rasante Entwicklung durchlaufen. Bei dieser Kletterdisziplin geht es darum, Probleme zu lösen, also Boulder (englisch für Felsbrocken) richtig zu lesen.
Im Jahr 2016 beschloss das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Aufnahme des Sportkletterns ins olympische Programm. Bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio 2021 wird die Premiere stattfinden. Der Wettkampfmodus dort ist ein neu geschaffenes Kombinationsformat, das Olympic Combined, das sich aus den drei Disziplinen Lead, Bouldern und Speed zusammensetzt.