Versuchter Totschlag nach Arminia-Spiel: Bielefelder Kripo sucht Mann nach Stoß auf die Gleise

Jens Reichenbach

Polizei und Rettungswagen eilten am 17. März zur Stadtbahn-Haltestelle "Rudolf-Oetker-Halle" an der Stapenhorststraße. - © Symbolfoto: Jens Reichenbach
Polizei und Rettungswagen eilten am 17. März zur Stadtbahn-Haltestelle "Rudolf-Oetker-Halle" an der Stapenhorststraße. (© Symbolfoto: Jens Reichenbach)

Bielefeld . Ein bisher unbekannter Mann hat im März eine Frau auf die Gleise der Stadtbahn-Haltestelle „Rudolf-Oetker-Halle“ gestoßen. Kripo und Staatsanwaltschaft schätzen die Tat als versuchten Totschlag ein. Nun suchen sie den Tatverdächtigen mit Fotos der Überwachungskameras. Es sieht leider wieder einmal danach aus, als handele es sich um Gewalttätigkeiten unter Fußball-Fans.

Dieser Mann soll im März eine Frau aufs Gleis der Stadtbahn geschubst haben. Die Kripo geht versuchten Totschlag aus. - © Polizei
Dieser Mann soll im März eine Frau aufs Gleis der Stadtbahn geschubst haben. Die Kripo geht versuchten Totschlag aus. (© Polizei)

Wie Polizeisprecherin Hella Christoph mitteilt, ereignete sich die Tat am Freitag, 17. März 2023. Nach dem abendlichen Zweitliga-Spiel zwischen Arminia Bielefeld und dem 1. FC Nürnberg (2:2, Tore von Okugawa und Klos) geriet ein Mann mit Fan-Schal gegen 21.45 Uhr am Bahnsteig der Linie 4 mit mehreren singenden Personen in Streit. Der Unbekannte schubste schließlich einen der Männer. Eine 38-jährige Bielefelderin stellte sich daraufhin vor den Täter, um die Lage zu beruhigen.

Bielefelderin liegt bewusstlos im Gleisbett - mehrere Helfer springen ihr hinterher

Doch der nun mit Fahndungsfotos gesuchte Mann reagierte nicht wie erhofft. Er stieß die Frau unvermittelt zurück, so dass diese rückwärts ins Gleisbett der Stadtbahnhaltestelle fiel. „Die Frau kam dabei mit dem Kopf auf und blieb bewusstlos liegen“, berichtet Polizeisprecherin Hella Christoph.

Mehrere Helfer stiegen sofort ins Gleisbett, um die Bewusstlose auf den Bahnsteig zu heben. Dort kam sie wieder zu sich. Nach notärztlicher Versorgung vor Ort wurde sie per Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht.

Kripo Bielefeld sucht Unbekannten mit auffälligem Seitenscheitel

Dem gesuchten "Schubser" gelang währenddessen über den Treppenaufgang in Richtung Lampingstraße die Flucht. Die Ermittlungsbehörden warfen dem Täter ursprünglich "gefährliche Körperverletzung" vor. Im Zuge der Fotofreigabe wurde der Tatvorwurf durch den Richter auf „versuchten Totschlag“ erweitert. Jede einfahrende Stadtbahn hätte hier eine tödliche Gefahr dargestellt.

Weil eine Identifizierung des Mannes bisher nicht möglich war, hat ein Richter nun der Veröffentlichung der Filmaufnahmen aus der Überwachungskamera zugestimmt. Die Polizei bittet bei der Identifizierung des Mannes nun um Mithilfe und fragt: „Wer kennt den Mann?“

Inhalt des Liedes war Grund für den Streit

Der Tatverdächtige (25 bis 35 Jahre, 1,75 Meter, athletischer Körper, mittelbraune Haare mit Seitenscheitel, gepflegtes Äußeres) trug eine dunkle, gefütterte Jacke mit Kapuze, darunter eine schwarze Jacke mit hellem Reißverschluss und einem Querstreifen in Bauchhöhe sowie dunkelblaue Jeans, dunkle Turnschuhe sowie einen Fan-Schal. Hinweise zu dem abgebildeten Tatverdächtigen gehen an die Polizei Bielefeld unter Tel. 0521 5450.

Der Grund für dem Streit ist nach Angaben von Polizeisprecherin Hella Christoph in dem gesungenen Lied zu suchen. Offenbar gefiel dem Fan der Inhalt des Liedes nicht. Dass die Sänger Fans vom gegnerischen Verein 1. FC Nürnberg waren, ist zweifelhaft. Sie kamen laut Christoph wie auch das Opfer alle aus Bielefeld.

Ähnliche Ermittlungen am Bahnsteig der Oetker-Haltestelle 2021

Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Am 25. Juni 2021 soll es nach einer Rempelei an der Bahn zu einem Übergriff von mehreren Personen gekommen sein. Gemeinsam habe die Gruppe auf einen 33-jähriger Bielefelder eingeschlagen und eingetreten. Im Laufe dieses Gewaltausbruchs war der 33-Jährige ebenfalls ins Gleisbett gestürzt. Auch in diesem Fall veröffentlichte die Kripo wenige Monate später Fahndungsfotos von fünf jungen Männern und einer jungen Frau.

Die Kripo nahm den Vorfall sehr ernst: Weil der 33-Jährige ins Gleisbett gestürzt war, "bestand die Gefahr einer tödlichen Kollision mit einer einfahrenden Bahn". Eine lebensgefährliche Gefahr. Der Fall von 2021 ist bis heute nicht geklärt.

Schubser-Serie an der Linie 2 in Bielefeld aufgeklärt

Für großes Aufsehen hatten 2022 auch zwei lebensgefährliche Schubs-Attacken auf dem Bahnsteig der Haltestelle "Schillerstraße" (Linie 2) gesorgt. Weil die bis dahin unbekannte Täterin auf die gleiche Weise vorgegangen war und beide Mal wartende Fahrgäste direkt vor einfahrende Züge schubsen wollte, hatte sich die Polizei schließlich an Ort und Stelle auf die Lauer gelegt. Zwei Tage nach der zweiten Tat nahmen die Einsatzkräfte die 23-jährige Frau aus Bielefeld endlich fest. Zwei Fahrgäste hatten Riesenglück. Es ging um Millisekunden, wie es vor Gericht deutlich wurde. Deshalb prallten sie gegen die Bahn statt vor das tonnenschwere Fahrzeug auf die Gleise zu stürzen.

Im anschließenden Gerichtsverfahren wurde deutlich, dass die junge Frau aufgrund einer schweren psychischen Krankheit (paranoide Schizophrenie) nicht schuldfähig war. Sie hatte Stimmen gehört, die ihr die Taten befohlen haben sollen. Sie wurde auf Anordnung des Landgerichts dauerhaft in eine forensische Psychiatrie eingewiesen.

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