Landessportbund-Präsident im Interview: „Hallenschließung sollte das allerletzte Mittel sein“

Oliver König

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Stefan Klett, Präsident des Landessportbundes NRW, als Gast auf der KSB-Sportgala. Links Moderatorin Juliette Rolf. - © Jörg Hagemann
Stefan Klett, Präsident des Landessportbundes NRW, als Gast auf der KSB-Sportgala. Links Moderatorin Juliette Rolf. (© Jörg Hagemann)

Detmold. Im Januar 2020 hat Stefan Klett das Amt des Landessportbund-Präsidenten in NRW übernommen. Auch er konnte zu dem Zeitpunkt nicht ahnen, welche Herausforderungen der Sport durch Coronapandemie, Ukraine-Krieg oder Energiekrisen zu bewältigen hat. Im Jahresauftakt-Interview mit der Sportredaktion zeigt der 55-Jährige auf, wie der LSB durch die schweren Zeiten kommt.

Deutschland bewegt sich viel zu wenig, besagen Studien. Wann haben Sie sich zum letzten Mal sportlich bewegt?

Stefan Klett: Bei mir im Bergischen Land gibt es eine Laufstrecke, die an Bauernhöfen vorbeiführt, da mache ich schon mal eine größere Runde. Gefühlt bin ich ja den ganzen Tag unterwegs, aber nicht ständig in Bewegung. Deshalb dürfen auch ein bisschen Krafttraining und Liegestütze nicht fehlen.

"Zahlen sind eindeutig"

Mitte Dezember hat der große Bewegungsgipfel auf Einladung der Bundesregierung stattgefunden. Ihr Eindruck?

Stefan Klett: Die Zahlen sind eindeutig, es gibt leider einen Bewegungsmangel. Die Corona-Pandemie hat das Ganze massiv verstärkt. Dieser Gipfel war somit längst überfällig. Die Wahrnehmung und Wertschätzung des Sports hätten viel schneller erfolgen müssen. An dem dort vereinbarten Grundsatzpapier sind mehrere Ministerien beteiligt, das ist gut so.

Wenn Sie von Papier sprechen, das kann erst der Anfang sein?

Stefan Klett: Selbstverständlich. Es ist ein guter Anfang, jetzt müssen Taten, müssen finanzielle Mittel folgen.

Seit mehr als zwei Jahren befinden wir uns im Krisenmodus. Was hat Corona mit dem Sport gemacht?

Stefan Klett: Das müssen wir aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Durch die Schließung der Sportstätten waren Millionen Menschen ohne Bewegung. Andererseits gab es individuelle Möglichkeiten, wie das Joggen. Überhaupt haben sich viele Bürger daran gewöhnt, Outdoorsport zu machen. Es gibt seitdem die Tendenz, dass der vereinsungebundene Sport mehr in den Vordergrund rückt.

"Chance für alle"

Der kann sich mit dem Vereinssport aber auch ergänzen?

Stefan Klett: Absolut, wir können eine Win-Win-Situation schaffen. Ich erinnere an die Aktion „Sport im Park". Sie ist interessant für den Individualsport, gleichzeitig können Vereine das Interesse an Mitgliedschaften wecken. Es gibt eine Chance für alle.

Aber es gibt durch die Pandemie auch größere Folgen für die Vereine.

Stefan Klett: Durch die mangelnden Aktivitäten sind finanzielle Schäden entstanden. Deshalb ist es gut, dass die Landesregierung den Sport bei vielen Unterstützungsleistungen mitgedacht hat. Eine weitere Folge ist, dass wir landesweit noch einen gewissen Mitgliederverlust von durchschnittlich über drei Prozent zu verzeichnen haben, und es sind in hohem Maße ehrenamtliche Aktive verloren gegangen, die wir natürlich zurückholen möchten. Aber ich betone an dieser Stelle auch: Die Vereine verhalten sich trotz widriger Umstände diszipliniert und aufmerksam, das ist die Stärke des Sports.

Nun die Energiekrise.

Stefan Klett: Auch jetzt haben die Vereine schnell reagiert. Denn die Verantwortlichen wissen selbst, wo sie einsparen können, an welcher Stelle sie – natürlich eingeschränkt – über Eigenmittel etwas machen können. Das Entscheidende ist, dass sie auf die öffentliche Hand angewiesen sind. Daher ist das angekündigte 1,6-Milliarden-Paket der Landesregierung ein echtes Ausrufezeichen, wobei 55,2 Millionen Euro als Energiekostenhilfe für den Sport vorgesehen sind.

"Geld wird ankommen"

Das Geld kommt auch bei den Vereinen an?

Stefan Klett: Wir haben in NRW sehr früh politisch auf die Trommel gehauen und mit der Landesregierung vertrauensvoll an einem Strang gezogen, beim Bund hat der DOSB länger bohren müssen. Es wird ankommen, bei Corona war es unkompliziert. Ich denke, Anfang des Jahres gibt es die konkreten Verfahrensregeln.

Und wir haben den Krieg in der Ukraine...

Stefan Klett: Viele Flüchtlinge sind aufgenommen worden, die Vereine kümmern sich. Was Probleme potenziert hat. Denn einerseits sollen Sporthallen geschlossen werden, um Energie zu sparen. Andererseits sollen Flüchtlinge aufgenommen und Hallen bereitgestellt werden. Wir sind in engem Austausch und haben eine gute Kommunikation mit den kommunalen Spitzenverbänden.

Die Vereine wollen in den Hallen ja auch Sport treiben.

Stefan Klett: Sport und Bewegung brauchen zur Verfügung stehende Sportstätten. Daher sollte eine Schließung auch das allerletzte Mittel sein, wir müssen da genau hinschauen und vor Ort gemeinsam Lösungen finden.

"Zehn-Punkte-Plan"

Durch den „Fall Fuhr", der bei der HSG Blomberg-Lippe als Trainer tätig war, ist das Thema „psychische Gewalt" omnipräsent. Wie geht der LSB mit der Thematik?

Stefan Klett: Sie hat jetzt an Fahrt gewonnen. Wir sind bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten sehr aktiv in diesem Bereich, haben unter anderem einen Zehn-Punkte-Plan entwickelt, eine unabhängige Beauftragte installiert und sind der erste Landessportbund gewesen, der einen Betroffenenrat eingerichtet hat.

Der LSB hat eine Forschungsstudie für den Breitensport in Auftrag gegeben. Wie sehen die Ergebnisse aus?

Stefan Klett: Psychische Gewalt wurde am häufigsten von den befragten Vereinsmitgliedern angegeben. Insgesamt 63 Prozent der Befragten berichteten, dies bereits im Kontext des Vereinssports mindestens einmal erlebt zu haben. Gleichzeitig geben 90 Prozent der Befragten an, im Verein eine Begegnungsstätte der positiven Art gefunden zu haben. Durch die Veröffentlichungen trauen sich nun Betroffene und auch Dritte sich zu äußern, das macht Mut. In NRW gibt es Koordinierungsstellen, so auch beim KSB Lippe. Es gibt viel Beratungsbedarf, und wir wollen hier für Betroffene sichtbar sein.

Ist es richtig, dass es in naher Zukunft keine Fördergelder mehr geben soll, wenn Vereine keine Maßnahmen ergreifen, so genannte Schutzkonzepte erstellen?

Stefan Klett: Wichtig ist, dass die Stränge nun aneinandergebunden werden, damit bundesweit ein verlässliches Netz entsteht. Ja, der LSB macht dann Förderungen davon abhängig, ob Vereine ein Schutzkonzept haben. Natürlich ist das eine enorme Herausforderung, wenn ein individuelles Schutzkonzept erarbeitet und umgesetzt werden muss, das auch speziell auf den Verein und die Sportarten zugeschnitten ist.

"KSB-Gala beeindruckend"

Um die Zukunft des Sports ist Ihnen nicht bange?

Stefan Klett: Überhaupt nicht, wenn ich die Gesamtsumme aus Veranstaltungen, Unterstützung des Landes und die Arbeit an der Basis sehe. Wir werden am Ende weiter mit den Folgen der Krisen zu leben haben, wir müssen uns auf eine neue Zeit einstellen. Wir versuchen, den Sport in NRW diesen Veränderungen anzupassen. Vor der Landtagswahl haben wir unsere politische Forderung deutlich gemacht, im Koalitionsvertrag hat sie hohen Niederschlag gefunden. Das zeigt die hohe Wertschätzung des Sports durch das Parlament. Wenn alles nach Plan läuft, unterzeichnen wir Ende Februar mit Ministerpräsident Wüst eine neue Zielvereinbarung für den organisierten NRW-Sport.

Zudem gibt es eine hohe Vielfalt im Sport in NRW. Welchen Eindruck haben sie zum Beispiel von der KSB-Gala in Lemgo gewonnen?

Stefan Klett: Die Vielfalt ist ein Garant dafür, dass es weitergeht. Ich war im vergangenen Jahr beim Rudern, Kanu, Fußball, Gewichtheben und, und, und. Dann die KSB-Gala mit 1400 Zuschauern, sehr beeindruckend. Da sieht man die Begeisterungsfähigkeit. Wenn einzelne Feuerchen brennen, wird die gesamte Wohlfühltemperatur erreicht.

Information

Persönlich

Stefan Klett, 55, ist seit Januar 2020 Präsident des Landessportbundes. Der Wipperfürther ist schon viele Jahre begeisterter Segelflieger. Er kennt den Flugplatz in Oerlinghausen bestens. „Als Segelflieger bin ich schon oft von hier aus gestartet. Ich habe die Region OWL immer geschätzt, die Vielfältigkeit, die Menschen. Es ist schon eine besondere Region", sagt Klett, der von 2019 bis 2022 Präsident des Deutschen Aero-Clubs war.

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