Bielefeld. Halt! Stopp! Wo will er denn hin? Elias Sansar schnauft im Ziel kurz durch, macht dann kehrt und trabt jubelnd die Promenade in umgekehrter Richtung entlang. Der Detmolder feiert sein Meisterstück, den 15. Sieg beim Hermannslauf, mit einer Ehrenrunde, klatscht mit den zahlreich zur Strecke gekommenen Zuschauern ab. „"as habe ich noch nie gemacht, das war fällig“, sagt der 43-Jährige vom TuS Eintracht Bielefeld später schmunzelnd, während neben ihm Ilka Wienstroth in einer Traube von Gratulanten versinkt. Die Athletin vom TSVE 1890 Bielefeld ist nahezu überwältigt von ihrem famosen Rennen, das nach zuvor zwei dritten Plätzen im ersten Triumph beim Hermann gipfelte: "Mir fehlen die Worte“, sagte die 41-Jährige lachend ins Mikro von Radio Bielefeld. "Ich kann mit so viel Aufmerksamkeit gar nicht umgehen.“ Völlig aus dem Häuschen ist Matthäus Gruben, Ehemann und Trainer der Überraschungssiegerin: "Jaaa, jaaa, jaaa“, ruft er lautstark der jubelnden Menge am Fuße der Sparrenburg entgegen. Erneut sind es unter den 6.300 begeisterten Teilnehmern zwei Lokalmatadore, die den Hermannslauf dominieren und dabei der externen, auf dem Papier stärkeren, Konkurrenz die Grenzen aufzeigen. Sansar nimmt dem Zweitplatzierten Sascha von Staa auf den 31,1 bergigen Kilometern drei Minuten ab, gewinnt 1:47:31 Stunden vor dem Debütanten aus Dortmund, der in 1:50:25 erschöpft das Ziel erreicht. Auf Platz drei kämpft sich auf der Zielgeraden in 1:51:02 Stunden Timo Böhl von der LG Wittgenstein. Das Nachsehen hat der Paderborner Erik Peters (1:51:10 Std.). Über Rang fünf freut sich der Holzmindener Jan Kaschura (1:51:28 Std.). Und Ilka Wienstroth verweist in persönlicher Bestzeit von 2:06:44 Stunden die favorisierten Jana Kappenberg aus Telgte (2:10:27) und Florentine Beese aus Hannover (2:10:46) auf die Plätze. "Das hätte ich nicht für möglich gehalten“, sagt Wienstroth perplex. In dem Glauben gegen die vermeintlich stärkeren Konkurrentinnen keine Chance zu haben, sei sie unbeirrt ihr Rennen gelaufen. Es unterstreicht einmal mehr, dass die Streckenkenntnis beim für seine tückischen Bergab- und Bergaufpassagen berüchtigten OWL-Klassiker ein entscheidender Faktor sein kann. "Bei Anstiegen habe ich Seitenstechen bekommen" "Am Anfang lief noch alles gut für mich, aber als dann die ersten Anstiege kamen, habe ich Seitenstechen bekommen“, beschreibt Jana Kappenberg ihr Debüt beim Teutolauf. Die zwischenzeitlichen Gedanken an einen vorzeitigen Ausstieg habe sie schnell wieder verworfen. "Wie hätte ich sonst nach Bielefeld kommen sollen?“, scherzt die Siegerin des letztjährigen Grafschaftslaufes. "Jetzt bin ich sehr happy über Platz 2.“ Sascha van Staa spürt im Ziel „vom ständigen Bergablaufen“ seine Oberschenkel nicht mehr. "Gerade die zweite Hälfte mit den steilen Anstiegen hat es in sich“, bestätigt der Studienrat für Mathematik und Latein, der "besser vorbereitet wiederkommen und dann gewinnen will“. "An den Treppen war der Tank leer" Dabei darf er aber die Rechnung nicht ohne den "König des Teutos“ machen, der auf seiner Haus- und Hof-Strecke auch in Zukunft unbezwingbar bleiben will. Der für seine Bescheidenheit bekannte Sansar lässt sich in seiner Glückseligkeit sogar ein Eigenlob entlocken. Im Flüsterton sagt er auf die Frage nach seiner Zufriedenheit: "Das war schon eine Meisterleistung.“ An der auch Erik Peters zuvor verzweifelt. Der Paderborner, lange an Sansars Fersen, musste diesen an den Lämershagener Treppen ziehen lassen. "Da war der Tank leer“, erzählt der 31-Jährige, der deshalb trotz persönlicher Bestzeit das Podium knapp verpasste. "Auf dem letzten Kilometer noch überholt zu werden, ist schon etwas enttäuschend“, bedauert Peters seinen Abnutzungskampf im Duell mit Sansar. Der Routinier verteidigt die Führungsposition vom Ehberg bis ins Ziel. "Ich habe gespürt, dass ich eine gute Form habe. Die Beine waren frischer als ich es zuvor dachte.“ Der Rest war Kopfsache für den Rekordsieger. "Es hat sich einfach nur gut angefühlt" Die Stärke von Ilka Wienstroth bekommen Florentine Beese bei Kilometer 10 und Jana Kappenberg im Schopketal (km 20) zu spüren. Dennoch traut die Bielefelderin ihrer Topform zunächst nicht, glaubt auf dem Weg zum ersten Sieg im 15. Anlauf immer noch wieder eingeholt zu werden. "Aber da kam niemand“ sagt sie zu ihrer eigenen Überraschung. "Ich habe zu keinem Zeitpunkt gelitten, es fühlte sich einfach nur gut an“, schwärmt die TSVE-Läuferin von einem perfekten Heimspiel, das ihre Teamkolleginnen Vanessa Ohm als Vierte (2:11:39) und Annika Herrmann als Sechste (2:12:17) ergänzen. Satte vier Minuten bleibt Ilka Wienstroth unter ihrer Bestzeit. Strahlend vor Glück macht sie sich auf den Weg zur Umkleide an der Sparrenburg – die Bewunderer stehen Spalier. Unter ihnen: Vorjahressiegerin Stephanie Strate, die aufgrund ihrer Schwangerschaft fehlte und ihren Mann Mirco beim Debüt unterstützte: "Ich freue mich sehr für Ilka. Sie hat es sich richtig verdient.“ Gleiches gilt für Elias Sansar.