Arminia Bielefeld vor der Rückrunde: Eine Reise ins Ungewisse

Das Sportjahr 2023 bringt viele Verbesserungschancen für die Arminia mit sich - aber auch ein Schreckensszenario. Unser Autor blickt voraus.

Jan Ahlers

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Sport-Geschäftsführer Samir Arabi erklärte am Donnerstag nochmals die wirtschaftlichen Zwänge, unter denen Arminia steht. In der Rückrunde müssen es daher weitestgehend bewährte Kräfte richten. - © Sarah Jonek
Sport-Geschäftsführer Samir Arabi erklärte am Donnerstag nochmals die wirtschaftlichen Zwänge, unter denen Arminia steht. In der Rückrunde müssen es daher weitestgehend bewährte Kräfte richten. (© Sarah Jonek)

Bielefeld. 29 Punkte aus 34 Punktspielen, der Bundesliga-Abstieg und schließlich die Sorge vor dem Apokalypse-Szenario 3. Liga: Für Arminia Bielefeld sollte es ein Leichtes sein, das traumatisch verlaufende Jahr 2022 zu übertreffen. Und doch ist eine Standortbestimmung kurz vor dem Wiederauftakt gegen den SV Sandhausen am Sonntagnachmittag kaum möglich. Der DSC wirkt zu vielem in der Lage. Aber auch zu einem sorgenfreien, entspannten Halbjahr? Das Bauchgefühl wehrt sich noch.

Was hat sich im Vergleich zum Pleiten-, Pech- und Pannenstart in die Hinrunde verändert? Natürlich: der Trainer. Daniel Scherning ist ein Pluspunkt. Er lebt den ostwestfälischen Zeitgeist vor, ist pragmatisch statt exzentrisch und hat die erste schwere Zeit im Herbst erfolgreich überstanden. Weniger verändert hat sich am Kader. Zwei alte Bankdrücker sind weg - und drei neue da, würden scharfe Zungen ergänzen. Wobei zumindest der Kanadier Theo Corbeanu schon kurzfristig mehr als das sein soll und aufgrund der zeitlich begrenzten Leihe auch sein muss.

Aber reicht das? Zweifel sind erlaubt – und die Schwachstellen bestens bekannt. Insbesondere das durchlässige zentrale Mittelfeld und die Innenverteidigung werden zulegen müssen. Der ordentliche Vorjahres-Endspurt muss bestätigt werden, und zwar sofort.

Arminia-Boss Arabi: "Können nicht x-beliebig Spieler verpflichten"

Samir Arabi wollte sich zuletzt erklären, teilweise auch rechtfertigen. Warum reagierte Arminia bis dato nur mit der Verpflichtung zweier junger Offensivspieler und eines Ersatztorhüters auf die enttäuschende Hinrunde? Deutlich wolle er zum Ausdruck bringen, "dass wir nicht x-beliebig Spieler verpflichten können", sagte der Sport-Geschäftsführer nun im Vereins-Interview. "Wir haben eine große Verantwortung für die Gesamtsituation, müssen immer unsere Wirtschaftlichkeit im Blick haben."

Sätze, die keinen Enthusiasmus im Umfeld auslösen werden. Den genauen Blick in die Saisonkalkulation kennen neben Arabi nur wenige Personen, doch nennenswerte Budgetreserven konnte Arminia Bielefeld bislang nicht aktivieren. Wobei zur Wahrheit gehört: Schon der im Sommer zusammengestellte Kader, in dem sich noch 15 Profis mit insgesamt 744 Spielen Bundesliga-Erfahrung tummeln, müsste um das obere Drittel mitspielen. Der DSC hatte nicht eingeplant, noch derart nachrüsten zu müssen, wie es Teile der Konkurrenz tun.

"Die Mannschaft macht auf mich einen guten Eindruck, sie wirkt absolut fokussiert", sagte Arabi weiter. In den Testspielen dieses Winters war das zumindest abschnittsweise so. Optimisten sagen: Es gab in jedem Test gute Phasen, Arminia war effektiv und in der Lage, taktisch nachzujustieren. Wer das Glas halbleer betrachtet, der sah wiederum ein ums andere Mal Passagen mit rätselhaften Fehlern, erstaunlicher Passivität und Gegnern von der ersten bis zur dritten Liga, die ihre Spielfreude dann deutlich zu munter ausleben durften. Das war zuweilen ein Abziehbild jener Hinrundenspiele, die der DSC verdrängen wollte: Karlsruhe. Düsseldorf. Fürth.

Was Arminia Bielefeld am Sonntag und in Zukunft zeigen muss

"Wir müssen am Sonntag mit Anpfiff sofort bereit sein", lautet Arabis Kommando. Und: "Die Jungs müssen füreinander da sein." Er und Trainer Scherning sind zuversichtlich, dass sich Teamhierarchie und Zusammenhalt verbessert haben. Arminia, immer noch bestehend aus einem ziemlich international zusammengestellten Kader, soll nun mehr sein als das Produkt herausragender Einzelkönner. Bestätigt werden kann das nur über konstante, harmonische Auftritte. Über leidenschaftliches Verteidigen und mehr erkennbare, abgestimmte Spielzüge hin zum gegnerischen Tor statt einzelner Zirkustricks. Und über die kleinen, aber wichtigen Gesten in Richtung der Fans, von denen am Sonntag wieder gut 18.000 ins Stadion strömen werden. 18.000, die nach Identifikation lechzen.

Wer könnte ein besserer Indikator für diese Rückserie werden als der SV Sandhausen? Der Ligaletzte ist ein unbequemer Gegner, der um seine Rolle in der Liga und spielerische Limitierung weiß. Die Tabellenkonstellation lockt dabei mit der Aussicht, schon im Februar ins Mittelfeld vorzustoßen, gelänge es der Arminia, ihre im November gestartete Siegesserie durch die elfwöchige Winterpause hinweg zu konservieren.

Es wäre der einfache Weg hinaus aus allen Sorgen - doch dafür benötigt es zunächst den Beweis, dass dieses Adjektiv bei Arminia Bielefeld noch existiert.

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