Die Kirche braucht eine Zeitenwende

Das Christentreffen ist wichtig. Doch es verkauft sich unter Wert, weil die Institution Kirche zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, meint unser Autor.

Carsten Heil

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ARCHIV - 01.06.2023, Bayern, Nürnberg: Ein Plakat zum Evangelischen Kirchentag mit dem Slogan «Jetzt ist die Zeit» hängt an der Außenfassade des Rathauses am Hauptmarkt. Das Plakat macht auf den evangelischen Kirchentag aufmerksam. (zu dpa: «Gemeinsam über den Glauben reden») Foto: Daniel Karmann/dpa - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes dpa-Nachrichten für Kinder +++ dpa-Nachrichten für Kinder +++ - © Daniel Karmann
ARCHIV - 01.06.2023, Bayern, Nürnberg: Ein Plakat zum Evangelischen Kirchentag mit dem Slogan «Jetzt ist die Zeit» hängt an der Außenfassade des Rathauses am Hauptmarkt. Das Plakat macht auf den evangelischen Kirchentag aufmerksam. (zu dpa: «Gemeinsam über den Glauben reden») Foto: Daniel Karmann/dpa - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes dpa-Nachrichten für Kinder +++ dpa-Nachrichten für Kinder +++ (© Daniel Karmann)

Was waren das für Kirchentage in der Vergangenheit. Sie setzten oft die aktuellen politischen und religiösen Themen der Zeit. Sie bewegten etwas im öffentlichen Diskurs und nahmen damit aus christlicher Sicht Einfluss. Es waren jeweils Treffen von rund 100.000 Menschen, die diskutierten, protestierten, zuhörten, sangen und beteten. Es war (und ist immer noch) eine andere Gesprächs-Kultur als die heute üblichen Schreiereien in der Öffentlichkeit. Auch kontrovers, aber konstruktiv. Der aktuelle Evangelische Kirchentag in Nürnberg über den katholischen Feiertag Fronleichnam kommt leiser daher. Weniger öffentlichkeitswirksam.

Was auch daran liegen kann, dass die beiden ehemaligen Volkskirchen, gar keine Volkskirchen mehr sind. Nur noch weniger als die Hälfte der Deutschen sind Katholiken oder Protestanten (41,3 Millionen). Was freilich immer noch viel mehr Menschen sind als zum Beispiel die Zahl der Mitglieder in dem DFB zugehörigen Fußballvereinen (7,17 Millionen). Es kann aber auch daran liegen, dass die Kirchen, auch hier wieder beide, mehr mit sich selbst beschäftigt sind als mit den Themen der Zeit.

Die Bischofskonferenz ringt fast schon verzweifelt mit dem Vatikan und sich selbst um den Synodalen Weg und um die innere Reform der Katholischen Kirche und immer noch um die Aufarbeitung der zahlreichen Missbrauchsfälle. Die Protestanten verschwurbeln ihre Missbrauchsfälle ebenfalls, auch wenn es nicht so viele waren. Unter rund 2.000 Veranstaltungen in Nürnberg beschäftigen sich gerade mal vier mit diesem Thema. Und sie diskutieren für die Menschen wichtige Themen intern so lange, bis diese schon wieder in der Versenkung verschwunden sind.

Sterbehilfe nicht auf der Agenda

Oder sie erkennen sie vor lauter Selbstbeschäftigung gar nicht erst. Beispiel: Eine der nächsten existenziellen Fragen wird die passive und sogar aktive Sterbehilfe in Deutschland sein. Das treibt extrem viele Menschen im Land um. Wer aber „Sterbehilfe“ als Suchanfrage auf der Homepage des Evangelischen Kirchentages eingibt, erzielt exakt Null Treffer. Sie ist kein Thema. Wer, wenn nicht die evangelischen Christen mit ihrer Botschaft zur Freiheit und zur Verantwortung für das Leben, aber auch mit ihrer Hoffnung für das Leben nach dem Tod, sollte sich denn sonst damit befassen? Das hätte positiven Einfluss auf die Lage der Kirchen.

Zusammengefasst: Gerade heute braucht die Gesellschaft die Kirchen mit ihrem Diskurs der biblischen Botschaft. Die lautet ohne Wenn und Aber: Alle Menschen tragen Verantwortung - für sich selbst und füreinander. Und sie haben nach biblischem Verständnis eine von Gott gegebene Freiheit.

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