Berlin/Bielefeld. Die von der Bundesregierung vereinbarte Kindergrundsicherung ist aus Sicht des Sozialverbands VdK Nordrhein-Westfalen eine Enttäuschung. "Die Einigung auf 2,4 Milliarden Euro sehen wir kritisch", sagte VdK-Landesgeschäftsführer Thomas Zander dieser Redaktion. "Der Betrag ist auf ein Fünftel der ursprünglichen Forderung von Ministerin Paus zusammengeschmolzen – gesellschaftliche Teilhabe von armen Kindern und Jugendlichen kann so kaum gelingen."
Die Ampelkoalition hatte sich nach monatelangem Streit auf die Kindergrundsicherung geeinigt. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) zufolge werden für die Einführung der neuen Sozialleistung im Jahr 2025 zunächst 2,4 Milliarden Euro Mehrkosten veranschlagt. Bis zu 5,6 Millionen armutsbedrohte Familien und ihre Kinder erhielten die Hilfen einfacher und direkter. Darunter seien Millionen, die bislang nicht wüssten, dass sie ihnen zusteht. "Die Kindergrundsicherung", sagte Paus, "ist unsere Antwort auf Kinderarmut in Deutschland."
Zunächst hatte Paus zwölf Milliarden Euro jährlich für die Sozialreform gefordert. Finanzminister Christian Lindner (FDP) nannte als "Merkposten" eine Summe von nur zwei Milliarden Euro. Lindner sprach nach der Einigung davon, dass es keine Leistungsverbesserungen für Eltern geben werde, die nicht erwerbstätig seien. Der beste Weg, Armut zu überwinden, sei Arbeit.
"Armut aus der Kindheit setzt sich häufig fort"
Der VdK warnte vor einer ungenügenden Ausstattung der Kindergrundsicherung. "Was heute versäumt wird, fällt uns morgen auf die Füße", sagte Zander. "Armut aus der Kindheit setzt sich häufig bis ins Erwachsenenalter fort."
Der Städte- und Gemeindebund NRW begrüßte die Einigung der Ampelkoalition. "Noch besser aber wäre es, wenn die Leistungen zielgerichtet eingesetzt würden", kritisierte der Vizepräsident und Stemweder Bürgermeister Kai Abruszat (FDP). "Wir brauchen kein neues Bürokratiemonster, sondern treffsichere Maßnahmenpakete, die vor Ort wirklich helfen."
Paul geißelt Lindners "spartanische Vorstellung"
Nordrhein-Westfalens Familienministerin Josefine Paul erklärte die Kindergrundsicherung zu einem "wichtigen Signal im Kampf gegen Kinderarmut". Angesichts der finanziellen Ausstattung sieht die Grünen-Politikerin jedoch "einen Wehrmutstopfen", weil sich weniger an den familien- und sozialpolitischen Notwendigkeiten als an der "sehr spartanischen Vorstellung des Finanzministers orientiert" worden sei.
Das Sozialprojekt geht jetzt in die Länder- und Verbändeanhörung. "Die Frage muss gemeinsam mit Ländern und Kommunen auf den Weg gebracht werden", sagte Paul, „und das auf eine Art und Weise, die es Ländern und Kommunen ermöglicht, die Kindergrundsicherung einfach und schnell umzusetzen.“