Klar und hart gegen Verfassungsfeinde

In Thüringen ging das Tabu zu Bruch, im Landtag Mehrheiten mit der AfD zu suchen. Nun tobt der politische Streit darum, wann es welche Absprachen gegeben hat. Es ist ein Streit um die Demokratie.

Thomas Seim

Abgeordnete der AfD freuen sich nach der Abstimmung über die Grunderwerbssteuer im Plenarsaal des Thüringer Landtag. - © Martin Schutt/dpa
Abgeordnete der AfD freuen sich nach der Abstimmung über die Grunderwerbssteuer im Plenarsaal des Thüringer Landtag. (© Martin Schutt/dpa)

Das Wort von der Zeitenwende ist seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vergeben. Jedenfalls außenpolitisch. In der Innenpolitik gibt es die Zeitenwende seit dem vergangenen Donnerstag. Da ging in Thüringen das Tabu zu Bruch, im Landtag gesetzgeberische Mehrheiten mit der AfD zu suchen. Nun tobt der übliche politische Streit darum, wann es welche Absprachen gegeben und wer sich mit wem verbündet oder – schärfer noch – wer sich wem ausgeliefert hat.

Der Bruch des Tabus vollzieht sich bei einem Gesetz einer oppositionellen Mehrheit gegen die Minderheitsregierung. Das klingt eigentlich nach einem demokratischen Prozess. Die Mehrheit allerdings gründet auf einer Gemeinsamkeit der verfassungsfeindlichen AfD mit den republikanischen Parteien von CDU und FDP. Das hebt diesen Vorgang über den normalen demokratischen Streit politischer Konkurrenz.

Mit der Abstimmung in Thüringen beginnt der Streit um die Demokratie selbst. Dies erfordert das Eintreten einer Koalition aller demokratischen Parteiführungen auf Bundesebene gegen die Anti-Demokraten der AfD. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat zu Beginn der vergangenen Woche bei der Bertelsmann-Stiftung in Berlin erklärt, man habe es mit einem „Angriff auf die innere Verfasstheit der Demokratie und ihrer liberalen Ordnung“ zu tun. Dagegen brauche es Stärke, Widerstandsfähigkeit, Wehrhaftigkeit sowie Klarheit und Haltung.

Es geht um Demokratie und Freiheit

So ist es! Die Rechtfertigungsversuche der Union, die sich über die Wertung des Verhaltens ihrer thüringischen Landespartei streitet, und auch der FDP, deren Bundesminister Marco Buschmann seine Landespartei rechtfertigt, greifen zu kurz. Es geht nicht um die Landespolitik im schönen Thüringen. Es geht um Demokratie und Freiheit. Dafür einzutreten, auch und vor allem gegen eine rechtsradikale AfD – das ist die Pflicht politischer Führung in allen demokratischen Parteien auf Bundesebene.

Die Glocke der Berliner Republik reicht dafür nicht. Demokratie braucht die Begeisterung und Unterstützung der Menschen. Sie braucht nicht die Debatte um die Frage, ob dieses thüringische Gesetz zur Senkung der Grunderwerbssteuer richtig, falsch, gut oder schlecht und seine Mehrheit ausgekungelt oder nicht ausgekungelt ist.

Demokratie braucht Klarheit und Härte gegen Verfassungsfeinde. Und Leidenschaft für die Freiheit. Und Politik für die Bürgerinnen und Bürger. In Berlin und – vor allem – draußen im Land. Das ist eine nötige Zeitenwende für den politischen Streit. Dann, aber nur dann, erledigt sich der Rechtsradikalismus.

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