Je höher das Eigenlob von Regierenden, desto kritischer sind deren politische Ergebnisse zu werten. So jedenfalls lautet eine alte Weisheit von journalistischen Beobachtern in allen Hauptstädten der Welt. In Berlin war das Lob von FDP, Grünen und Sozialdemokraten für die Ergebnisse ihrer eigenen Gesprächsrunden gestern so hoch wie selten zuvor. Die Bilanz der seit Sonntag immer wieder unterbrochenen Verhandlungsstunden löst dies nur bei sehr, sehr wohlwollendem Blick auf das neue Koalitionspapier ein. Immerhin 30 Stunden saßen die Spitzen der Koalition zusammen - ein Zeitraum, in dem dynamische Reformbündnisse ganze Regierungsprogramme samt konkreten Gesetzesvorlagen auszuarbeiten in der Lage sind. Das 16 Seiten starke Papier der Ampel von gestern erschöpft sich dagegen in sehr, sehr vielen Allgemeinplätzen. Schlimmer noch: Für die meisten Lösungen von Konflikten werden nur sehr grobe Linien vorgegeben. Die Umsetzung wird erneut vertagt in die Ausarbeitung der Ministerien. Eine schüttere Bilanz also für die 30 Stunden. Auch konkret wird es nicht besser. Der Ausbau der Bahn soll erstmals auch durch Querfinanzierung aus der Lkw-Abgabe für Autobahnen finanziert, die Abgabe dafür erhöht werden. Reichen allerdings wird das nicht, musste Vize-Kanzler Robert Habeck gestern Abend einräumen. Einen Vorschlag zur Finanzierung der Differenz gibt es nicht. Autobahnen sollen schneller ausgebaut werden und dafür das ökologische Alibi von Solarzellen an den Seiten der Schnellstraßen erhalten. Das Verbot von Öl- und Gasheizungen kommt - und kommt auch wieder nicht: In besonderen Notfällen und bei geplanten Modernisierungen können auch gebrauchte Anlagen die alten, nicht mehr funktionsfähigen ersetzen, erklärte der Wirtschaftsminister. Finanzminister Christian Lindner wiederum hat keine seiner Haushaltslücken gefüllt. Antworten auf seine Etat-Probleme hat er nicht. Je unklarer die Details werden, desto eher zeigen Reaktionen auf Beschlüsse deren Erfolg oder Misserfolg. Während also FDP-Chef Christian Lindner zufrieden kommentierte, sind die Umweltverbände, die Vorfeldorganisationen der Grünen, empört. Es ist der Abschied von den absoluten Forderungen der Klimawende, der nach ihrem Urteil nun von den Grünen mitgetragen wird. Deren Minister mögen diese Kompromiss-Linie als notwendig in einer Koalition verteidigen. Ihre Anhänger mobilisieren sie dafür nicht. Im Gegenteil. Der Ton in der Koalition sei bisweilen „ruppig“ gewesen, heißt es. Die Reaktionen der Umweltverbände sind noch ruppiger. Das Eigenlob der Koalitionäre entschärft diese Konfliktlage nicht. Es wird in den kommenden Monaten kaum ruhiger werden in der Ampel. Ihr Gelb-Blinken bedeutet: Achtung, Gefahrenstelle.