Nach mehr als 30 Jahren als Gefängnisarzt ist Joe Bausch (69) überzeugt, dass Verbrecher eines gemeinsam haben. «Alle sind vorher gescheitert in irgendeiner Weise», sagte Bausch, der auch als Gerichtsmediziner aus dem Kölner «Tatort» (WDR) bekannt ist, der Deutschen Presse-Agentur. «Gescheitert an der eigenen Lebensplanung, gescheitert an der Erwartung an eine Beziehung, gescheitert an den eigenen Ansprüchen an das Leben, die sie nicht bedienen konnten.» Das habe er bei Tätern, mit denen er sich bis zur Pension 2018 in der Justizvollzugsanstalt Werl in Westfalen auseinandergesetzt habe, immer wieder gesehen. «Da begegnet einem schon die Crème de la Crème des Verbrechens. Also die, die lebenslang plus Schwere der Schuld plus Sicherungsverwahrung bekommen haben.» Über die, die schwerste Schuld auf sich geladen haben, hat Bausch gerade ein neues Buch veröffentlicht: «Maxima Culpa - Jedes Verbrechen beginnt im Kopf». Gescheitert sei man oft auch im Umfeld der Täter: «Bei vielen gab es früh Auffälligkeiten, aber keiner hat sie für bare Münze genommen», sagte Bausch. Man habe lieber abgewartet, Anzeichen nicht richtig gesehen, keine frühe Stigmatisierung gewollt. «Bis dann das Kind in den Brunnen gefallen ist.» Hier sehe er klar eine Lücke. Und: «Wir brauchen wieder mehr Zivilcourage», sagte Bausch. «Wir sind alle gefragt, ein Stück weit dazu beizutragen, dass wir uns im öffentlichen Raum und zu Hause sicher fühlen können.» Dazu müsse man auch «kein Held» werden. «Ich habe auch keine Lust, mir mit meinen 69 Jahren nachts in einem Zug auf die Fresse hauen zu lassen. Aber ich habe ein Handy zur Not, ich kann ein Foto machen, ich kann die Polizei rufen.» Immer nur zu hoffen, dass wer anders einschreite, gehe nicht. Nach Aussagen von Experten könnte eine deutliche Mehrzahl von Verbrechen verhindert werden, wenn jemand früh genug aufmerksam gewesen wäre, sagte der Autor. «Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Fälle, wo es Anzeigen, Klagen und Verweise gibt - und dann taucht trotzdem der Ehemann, der verlassen wurde, vor dem Frauenhaus auf und enthauptet die Frau.» Nach Einschätzung von Bausch laufen bei Schwerverbrechern die Taten vorher im Kopf ab. Beispielsweise bei Amokläufen oder Amokfahrten. «Einige Mal hat die Fantasie schon die Lösung für die vorhandene Frustration gebracht», sagte Bausch. Doch dann reicht es nicht mehr - und an einem Tag, an dem viele Sachen zusammen kommen, passiert es in Wirklichkeit. Diese Taten seien furchtbar sinnlos. «Viele wollen nur den großen Abgang machen.» Bausch war 32 Jahre lang Gefängnisarzt in der JVA Werl. Zudem hat er sich seit 2012 als Autor einen Namen gemacht. Mit seinem kürzlich erschienenen Buch wird er beim Krimifestival «Tatort Eifel» am 20. September in Daun in der Vulkaneifel erwartet. «Auf die Lesung freue ich mich schon», sagte er. Bei dem Festival sei er «Wiederholungstäter»: Er sei schon mehrfach dort gewesen - und möge an der Reihe besonders, «dass man da auf so engen Raum zusammen ist. Es ist ein Festival der kurzen Wege». Bei seinem ersten Besuch des Festivals habe er einen Vortrag gehalten über hirnorganische Ursachen von Gewalt. «Das war noch bevor ich das erste Buch «Knast» geschrieben habe», sagte Bausch. Der Vortrag sei der Auslöser für ihn gewesen, das Buch zu schreiben. Vor seinem Medizinstudium hatte er unter anderem Theaterwissenschaft und Germanistik studiert. «Tatort Eifel» vom 16. bis 24. September gilt laut Organisatoren als bundesweit größter Treff der Krimiszene - für Krimifans und Fachbesucher. Rund 20 Veranstaltungen von Krimilesungen über interaktive Krimishows bis zu Filmpremieren stehen auf dem Programm. Das Fachprogramm richtet sich an die Filmbranche: Produzenten, Autoren und Regisseure widmen sich den Themen Digitalisierung und Diversität.