Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sieht Fehler im Vorfeld der Vollsperrung der Verkehrsader Rahmedetalbrücke an der A45. Persönliche Versäumnisse aus seiner Amtszeit als Landesverkehrsminister hat er am Montag in einer Sondersitzung des Verkehrsausschusses des Düsseldorfer Landtags jedoch verneint. Aus heutiger Sicht sei die Entscheidung falsch gewesen, die Brücke nicht zu verstärken oder zu sanieren. Wüst räumte ein: «Diese Entscheidung aus 2014 ist auch während meiner Amtszeit als Verkehrsminister leider nicht geheilt worden.» Dies gelte allerdings ebenso für seine Vorgänger, Nachfolger und die Bundesverkehrsminister - unabhängig von der jeweiligen Regierungsverantwortung. «Fakt ist: 2014 war ich nicht Minister», betonte Wüst. Der CDU-Politiker war von 2017 bis Oktober 2021 Verkehrsminister in NRW. Ein weiterer Fehler sei es gewesen, dass der Neubau der Brücke nicht mit oberster Priorität behandelt worden sei, stellte Wüst fest. «Es ist für mich schwer vorstellbar, dass die Fachleute so vorgegangen wären, wenn sie auch nur geahnt hätten, dass die Brücke für den Verkehr gesperrt werden muss.» Wichtigste Wirtschaftsregion ausgebremst Die Opposition hakte in der dreieinhalbstündigen Sondersitzung immer wieder nach, warum er in seiner Amtszeit als Landesverkehrsminister mit dem schlechten Zustand einer so wichtigen Verkehrsader nicht maßgeblich befasst gewesen sein soll. Immerhin sei die A45 die Hauptachse von Nord nach Süd und das nun schwer betroffene Südwestfalen die Wirtschaftsregion Nummer 1 in NRW, sagte der SPD-Abgeordnete Gordan Dudas. Rein rechnerisch stellten sich doch schon Fragen: Schließlich sei die Restlaufzeit der maroden Brücke bis 2025 ausgerechnet und der Neubau erst für die Jahre 2026 bis 2030 avisiert gewesen. «Da müssen Sie doch reagiert haben», warf der Oppositionspolitiker Wüst vor. Der Regierungschef hielt ebenso wie die Direktorin der Niederlassung Westfalen der Autobahn GmbH, Elfriede Sauerwein-Braksiek, dagegen, dass die Fachleute den Zustand der Brücke bei regelmäßigen Sicherheitsprüfungen über Jahre hinweg immer mit derselben Note 3,0 bewertet hätten. Brücken mit dieser Note seien kein Anlass für besondere Krisengespräche, erklärte die Direktorin. Erst Laser-Scan-Untersuchungen im November 2021 hätten «erste dramatische Ergebnisse» geliefert, so dass sie entschieden habe, im Dezember zu sperren, berichtete Sauerwein-Braksiek. Weitere Untersuchungen im Januar hätten dann Klarheit geschaffen, dass die alte Brücke nicht mehr für den Verkehr freigegeben werden könne, sondern voll gesperrt bleiben müsse. «Diese Brücke hat ein erhebliches Standsicherheitsproblem», sagte sie. In den Jahren zuvor sei die Standsicherheit jedoch - «mit dem Wissen von heute fälschlicherweise» - nicht beanstandet worden, ergänzte Wüst. Noch kein Termin für die Brückensprengung Bisher seien die Planungsarbeiten im Zeitplan, sagte Sauerwein-Braksiek. Ein Termin für die Sprengung der maroden Brücke könne aber noch nicht benannt werden. Viele Arbeiten seien witterungsabhängig und könnten bei Winterwetter nicht durchgeführt werden. Zudem habe sich bei Probebohrungen herausgestellt, dass die Wanddicke an den Pfeilern nicht mehr ausreiche und das Sprengkonzept deshalb überarbeitet werden müsse. «Das kostet alles Zeit», sagte Sauerwein-Braksiek. «Das wird ein erheblicher Eingriff sein.» Eine weitere Sperrung von Autobahnenbrücken drohe aktuell nicht in NRW. Wüst sagte, der Landesregierung sei die große Belastung für die Anwohner, Pendler, die Kommunen im Märkischen Kreis und die Wirtschaft bewusst. Die Staatskanzlei habe die Betroffenen in der Region kürzlich über Vorschläge der Landesregierung informiert. Falls die Stadt Lüdenscheid ein Lkw-Fahrverbot auf der Umleitungsstrecke ausspricht, wird das Land demnach zusätzliche Polizeikräfte für verstärkte Kontrollen zur Verfügung stellen. Die Vorschläge befassen sich auch mit Möglichkeiten, den Güter- und Pendlerverkehr zu reduzieren sowie Berufsschüler, Hospiz- und Pflegedienste zu unterstützen. Gewaltiger Sanierungsstau Der Ministerpräsident bekräftigte seine Forderung nach einem Bund-Länder-Pakt für Planungsbeschleunigungen. Die Sperrung habe das Leben vieler Menschen an den Umleitungsstrecken auf den Kopf gestellt. «Ich habe als Verkehrsminister einen gewaltigen Sanierungsstau angetroffen», verteidigte Wüst sich gegen Oppositionskritik. Er habe Personal- und Finanzressourcen ausgebaut und mit dem damals noch zuständigen Landesbetrieb Straßen.NRW einen Masterplan erarbeitet. Dieser sei jährlich aktualisiert worden und habe auch die Rahmedetalbrücke an der A45 bei Lüdenscheid enthalten. Dort sei auch festgehalten worden: ««Umweltverträglichkeits- und Variantenprüfung, Fortsetzung in 2018». Damit sei klar gewesen, dass ein kurzfristiger Neubau nicht möglich sei, erklärten Wüst und Sauerwein-Braksiek übereinstimmend. Angesichts der knappen Personalressourcen des Landesbetriebs Straßen.NRW und der damaligen Zuständigkeit für über 13 000 Bauwerke sprach die Direktorin von «Mangelverwaltung». Bei der aus heutiger Sicht zu kritisierenden Priorisierung dürfe nicht vergessen werden, dass ein Großteil der Brücken grundständig saniert oder neu gebaut werden müsse, sagte Wüst. Alle Entscheidungen seien von den regional zuständigen Fachleuten getroffen worden. An ihn persönlich sei nie eine «Problematisierung» mit Blick auf einen «akuten Handlungsbedarf» herangetragen worden. Wo sind die Akten? Alle drei Oppositionsfraktionen forderten wiederholt, die Landesregierung und die für die Autobahnen zuständigen Behörden müssten sämtliche Projekt- und Geschäftsakten vorlegen. Die Parteien hatten im Vorfeld bereits mit einem Untersuchungsausschuss gedroht. Auch nach der Sitzung behielten sich SPD und FDP «weitere Schritte der parlamentarischen Aufklärung» vor. Die schwarz-grünen Regierungsfraktionen sehen dagegen alle Fragen beantwortet. Wüst wies den Vorwurf eines intransparenten Umgangs mit Akten und Mails zurück. «Ich habe keinen Anlass, zu vermuten, dass hier nicht ordnungsgemäß gearbeitet wurde», sagte er. Die Opposition kritisiert unter anderem, dass Mails zwischen der NRW-Staatskanzlei und dem damals von Wüst geführten Verkehrsministerium nicht mehr auffindbar seien. Dies habe die Sitzung nicht aufklären können.