Alarmierender Sanierungsbedarf an Brücken und auf Straßen

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Bauarbeiten an der A45-Talbrücke Rahmede. - © Dieter Menne/dpa/Archiv
Bauarbeiten an der A45-Talbrücke Rahmede. (© Dieter Menne/dpa/Archiv)

Viele Brücken in Nordrhein-Westfalen weisen einen alarmierenden Sanierungsbedarf auf. Das hat eine aktuelle Bauwerksprüfung des Landesbetriebs Straßen.NRW ergeben.

Derzeit haben 296 Brücken in NRW maßgeblichen Sanierungsbedarf, wie NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) am Freitag bei einem Besuch der ebenfalls betroffenen Wipperbrücke Ohl auf der B 256 berichtete. Demnach sind 205 Ersatzneubauten, 22 Brückenverstärkungen und 69 Instandsetzungen erforderlich, um «Defizite im Tragverhalten» auszugleichen. Der Kostenrahmen wird auf gut 1,8 Milliarden Euro beziffert.

Darüber hinaus seien in NRW laut Bundesverkehrsministerium 873 Brücken-Teilbauwerke an Autobahnen besonders sanierungsbedürftig, berichtete Krischer. «Wir haben uns jahrzehntelang zu wenig um die vorhandene Infrastruktur gekümmert. Das holt uns jetzt mit kaputten Brücken ein.» Ihr Erhalt sei «vielerorts akut gefährdet».

Straßen.NRW hat 6422 Brücken zu betreuen, davon 3839 an Landesstraßen. Krischer äußerte sich angesichts zu knapper Finanz- und Personalressourcen besorgt, dass sich der Zustand vieler Bauwerke im Sanierungsstau der nächsten Jahre weiter verschlechtern werde.

Laut der jüngsten Bauwerksprüfung hat etwa die Hälfte der untersuchten Brücken sowohl auf Landes- als auch auf Bundesstraßen die Zustandsnote 2,0 bis 2,4 erreicht. Dies wird als «befriedigender Bauwerkszustand» bewertet. Insgesamt liegen demnach rund 77 Prozent der Brücken an Landesstraßen und rund 83 Prozent der Brücken an Bundesstraßen im Bereich 1,0 bis 2,4.

Nur 0,2 Prozent der Brücken an Bundesstraßen und 0,4 Prozent der Brücken an Landesstraßen werden mit 3,5 bis 4,0 bewertet, was als «ungenügender Bauwerkszustand gilt. Der Zustand weiterer 2,1 Prozent der Brücken an Bundesstraßen und 3,9 Prozent der Brücken an Landesstraßen wird als «nicht ausreichend» eingestuft.

Dass der Großteil der geprüften Bauwerke noch im grünen Bereich liegt, kann die Fachleute angesichts der absehbaren Bugwelle an dringenden Sanierungsarbeiten nicht beruhigen. Die Rahmedetalbrücke an der A45 war jahrelang mit derselben Note 3,0 (nicht ausreichender Bauwerkszustand) bewertet worden, bevor sie im Dezember 2021 wegen neuer alarmierender Befunde plötzlich voll gesperrt werden musste.

«Ein großer Teil der Brücken in Nordrhein-Westfalen wurde in den 60er und 70er Jahren gebaut», erläuterte Krischer. Viele hätten mindestens die Hälfte ihrer rechnerischen Nutzungsdauer längst hinter sich gelassen. Eine weitere Verschlechterung ihres Zustands sei angesichts des stark gestiegenen Güterverkehrs mit schweren Lastwagen absehbar.

In diesem Jahr sollen in NRW 67 Brückenmaßnahmen mit einem Finanzvolumen von fast 100 Millionen Euro vollendet werden. Im abgelaufenen Jahr konnten den Angaben zufolge 64 Brückenmaßnahmen an Landes- und Bundesstraßen in Form von Ersatzneubauten, Instandhaltungen und Verstärkungen mit einem Gesamtvolumen von gut 70 Millionen Euro fertiggestellt werden.

Krischer verlangte mehr Engagement des Bundesverkehrsministers. «Der Bund hat in Nordrhein-Westfalen 2022 gerade mal 41 und damit weniger als die Hälfte der erforderlichen Zahl der Autobahnbrücken saniert», bemängelte er. «Die Sorglosigkeit, mit der Bundesverkehrsminister Volker Wissing Neubauprojekte wie die Rheinspange plant, ist bedenklich», mahnte auch die Landesvorsitzende der Grünen, Yazgülü Zeybek. «Ein zweites Rahmede muss unbedingt verhindert werden.»

Dagegen argumentierte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Christof Rasche: «Neubau ist kein Muss, sollte aber eine Option bleiben.» Die SPD-Opposition fordert einen «Masterplan für Brückensanierungen». Stattdessen verharre Minister Krischer in Problembeschreibungen, kritisierte der verkehrspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Gordan Dudas, ähnlich wie die FDP.

Vor ebenso große Herausforderungen sehen sich die Städte und Gemeinden gestellt. «Der Sanierungsstau bei den Straßen ist hoch», sagte der Geschäftsführer des Städtetages NRW, Helmut Dedy, der Deutschen Presse-Agentur. Für NRW gehe man von etwa 10 Milliarden von bundesweit fast 40 Milliarden Euro aus.

Baumaterial sei teuer und Personal sowohl in den Straßen- und Tiefbauämtern als auch auf den Baustellen knapp, erläuterte er. Hinzu komme die hohe Inflation. «Auch wenn die Städte einen großen Teil ihres Investitionsetats in die Straßen stecken, kommen bei steigenden Preisen unter dem Strich weniger sanierte Straße heraus.»

Ähnlich sieht das der Städte- und Gemeindebund NRW. Er schätzt den «riesigen Investitionsstau» beim kommunalen Straßennetz ebenfalls auf etwa 10 Milliarden Euro. Hauptgeschäftsführer Christof Sommer betont: «Die Kommunen stehen seit Jahren vor der fast unlösbaren Aufgabe, den Haushalt zusammenzuhalten, obwohl gleichzeitig Krisenkosten anfallen, etwa durch Flüchtlingsunterbringung, Klimaanpassung oder Corona.» Die Kommunalpolitik müsse dann entscheiden, wo gespart wird. «So wird aus der Not heraus die Straße oftmals nur geflickt und nicht saniert, insbesondere in den finanzschwachen Kommunen.» In den Schlaglöchern zeige sich letztlich die chronische Unterfinanzierung der Kommunen.

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