Ein neues Landesprogramm zur Armutsbekämpfung kommt nach Darstellung von SPD und FDP bei vielen Bedürftigen nicht an. Die Beantragung der Mittel aus dem 150 Millionen Euro schweren sogenannten Stärkungspakt gegen Armut sei zu kompliziert, kritisierte die Vizevorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Lisa-Kristin Kapteinat, am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde des Düsseldorfer Landtags. Zudem seien die Fristen zu kurz - das Programm ist auf das laufende Jahr begrenzt. Auch die FDP-Abgeordnete Susanne Schneider sprach von einer Überforderung vieler Träger. NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) warb dafür, die Monate bis zum Auslaufen der Antragsfrist kreativ und pragmatisch zu nutzen. Dass das Geld, das aus dem Sondervermögen des Landes zur Krisenbewältigung infolge des Kriegs in der Ukraine stammt, noch in diesem Jahr ausgegeben werden müsse, habe rechtliche Gründe. «Wir wissen, dass sich einige Kommunen mit der Verwendung der Mittel schwer tun», räumte er ein. Sein Ministerium stehe aber für Fragen und Unterstützung zur Verfügung, und es gebe auch gute Konzepte in den Kommunen - etwa Düsseldorf - wie das Geld umfassend ausgegeben werden könne. Dies könne beispielsweise für Suppenküchen, Tafeln, Kleiderkammern, Ferienmaßnahmen oder Aufstockung bestehender Hilfsfonds sein. Diese kurzfristig zu verwendenden Mittel aus dem Sondervermögen seien aber kein Allheilmittel für die allgemeine Armutsbekämpfung, die aus dem regulären Haushalt zu finanzieren sei, stellte er klar. Nach Zahlen des Statistischen Landesamts galt im vergangenen Jahr etwa jeder Sechste in NRW als armutsgefährdet und hatte weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens zur Verfügung - insgesamt 3,3 Millionen Menschen. Bei Alleinerziehenden mit ein oder zwei Kindern war fast jeder zweite Haushalt von Armut betroffen. Die Grünen warfen der SPD Doppelmoral vor. Auf jede erdenkliche Weise hätten die Sozialdemokraten das Sondervermögen bekämpft, stellte ihre Abgeordnete Jule Wenzel fest. Drei Verfassungsklagen zum Haushalt seien inzwischen anhängig. Gleichzeitig zeige die SPD aber doch, wie nötig das Millionenprogramm aus diesem Sondervermögen sei. Ohne ihre Blockade-Haltung wären weitere schnelle Hilfen möglich gewesen, argumentierte Wenzel. Insofern werde die jetzt erzwungene Begrenzung des Stärkungspakts auf 2023 von den Kommunen zurecht beklagt. «Das ist schade», räumte die Grüne ein. «Das ist nicht schade. Das ist dramatisch», hielt die SPD-Abgeordnete Lena Teschlade dagegen. Dringend gebraucht würden nachhaltige Hilfen. «Den sozialen Trägern geht das Licht aus», sagte die Sozialarbeiterin. «Sie stehen vor akuten Liquiditätsproblemen.» Die SPD verwies auf das Beispiel Duisburg. Die Ruhrgebietsstadt werde wegen der bürokratischen Hürden und kurzen Fristen voraussichtlich 80 Prozent des Geldes aus dem Stärkungspakt - 5,2 Millionen - zurück ans Land überweisen müssen, weil nicht das Personal vorhanden sei, um den Antragsaufwand zu erfüllen. Der CDU-Abgeordnete Heinrich Frieling hielt dagegen, tatsächlich umfassten die Formulare zu Mittelabruf, Förderrichtlinien und Verwendungsnachweisen jeweils nur wenige Seiten. «Wer darüber meckern will, hat schon länger etwas gesucht, worüber er meckern will.» Bis zum 30. September sei noch Zeit für finale Meldungen. Die FDP-Abgeordnete Schneider empfahl Ombudsleute als Ansprechpartner für Behörden-Probleme. AfD-Fraktionschef Martin Vincentz nannte es «wohlfeil», einerseits eine Überforderung der sozialen Einrichtungen zu beklagen, andererseits aber immer mehr arme Menschen ins Land zu holen. «Das ist der Situation nicht angemessen.»