Berlin. Zwei Monate nach Einführung der Mehrwegpflicht in der Gastronomie zieht die Deutsche Umwelthilfe eine vernichtende Bilanz. „Das neue Verpackungsgesetz ist schlecht gemacht und wird nicht umgesetzt: Es ist ein echter Rohrkrepierer“, sagt Thomas Fischer, der bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zuständig für Kreislaufwirtschaft und Abfallpolitik ist. Seit Anfang des Jahres sind Gastronomen verpflichtet, Kunden für Speisen und Getränke zum Mitnehmen auch eine Mehrwegverpackung anzubieten. Damit soll der Verpackungsmüll reduziert werden. Die Regelung gilt für alle Restaurants mit mehr als 80 Quadratmetern Fläche und mehr als fünf Beschäftigten. Außerdem sind Anbieter verpflichtet, ihre Produkte auch in mitgebrachten Bechern und Boxen abzugeben. Das Gesetz wird aber laut der DUH schlicht nicht durchgesetzt. „Wir haben 16 Gastronomieketten getestet. Davon hatten zehn überhaupt kein Mehrwegangebot“, sagt Thomas Fischer. Zudem seien die Anbieter verpflichtet, deutlich auf die Option auf wiederverwendbarem Geschirr aufmerksam zu machen. „Diese Information fehlt fast überall. Wenn informiert wird, dann ganz klein und versteckt, sodass man die Schrift kaum lesen kann.“ Das sei gezielte Desinformation. Gastronomen führen Abwehrkampf gegen Mehrwegsystem Der Vorwurf der Umwelthilfe: Die Gastronomen führen laut der DUH einen regelrechten Abwehrkampf gegen das Mehrwegsystem. Die Regeln würden missachtet und Verstöße gleichzeitig nicht geahndet. Die zuständigen Bundesländer setzten das Gesetz nicht durch, so Thomas Fischer. Gleichwohl erkennt er an: Mehrweg sei nicht nur die Verpackung, sondern durch die Logistik und das Spülen mit Mehraufwand verbunden. Um das zu umgehen, nutzten laut der DUH vor allem große Fast-Food-Ketten jedoch ein Schlupfloch im Gesetz: Wenn die Essens-Verpackungen der Anbieter ausschließlich aus Pappe oder Aluminium bestehen, gilt eine Ausnahme von der Mehrwegangebotspflicht. Das setzt laut Thomas Fischer die falschen Anreize. „Ein guter Schritt wäre es, Kosten für die Umwelt in die Einwegverpackungen an der Kasse einzupreisen. Es muss am Ende deutlich teurer sein, den Plastikbecher statt den Pfandbecher zu nehmen, sonst ändert sich nichts.“ Das Bundesumweltministerium geht allein in Deutschland im To-Go-Bereich aktuell von 770 Tonnen Abfall pro Tag aus. Das entspricht etwa dem Gewicht von vier Boeing 747 Jumbo-Jets. Noch am Anfang der Umsetzung Die Vorwürfe, dass Gastronomen das Gesetz nicht umsetzen, kennt auch Jan-Niclas Gesenhues, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. „Wir haben als Fraktion bereits darauf gedrängt, dass die Behörden schärfer kontrollieren“, sagte er der Redaktion. Mit dem Gesetz habe man den Anbietern große Freiheit gelassen, selbst nach Lösungen für das Problem zu suchen. „Der Handel hat die Chance bekommen, das Müllproblem in den Griff zu bekommen. Jetzt muss er liefern.“ Grundsätzlich sei man nach zwei Monaten noch am Anfang der Umsetzung. Handel und Verbraucher müssten sich noch an die neuen Richtlinien gewöhnen, so der Grünen-Politiker. „Falls das aber nicht funktioniert, behalten wir uns als Gesetzgeber weitere regulierende Maßnahmen vor.“ Auch Versuche, dem Gesetz auszuweichen, sieht Gesenhues kritisch: „Der Handel muss aber nach Lösungen für sein Müllproblem suchen und nicht nach Möglichkeiten, um die neuen Regelungen zu umgehen.“ Und um Schlupflöcher etwa bei Verpackungen aus Papier, Styropor oder Aluminium zu schließen, könne es notwendig werden, die Regelungen noch einmal nachzuschärfen. DEHOGA wünscht einheitliches Pfandsystem Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA), zeigt grundsätzlich Verständnis für das Gesetz: „Wir müssen alle unseren Beitrag leisten, um Müll zu reduzieren und Energie zu sparen.“ Jedoch verweist sie darauf, dass eine neue Regelung eine große Umstellung für alle Beteiligten sei. Sowohl die Gäste als auch die Anbieter müssten überzeugt werden. „Deshalb plädieren wir dafür, die Praxis so einfach wie möglich zu gestalten. Am besten wäre ein System, das so einheitlich und einfach ist, wie etwa unser Pfandflaschensystem.“ Hartges sieht zudem ein Problem darin, dass es zu viele unterschiedliche Systeme für wiederverwendbares Geschirr gibt, die nicht miteinander kompatibel sind. Außerdem gebe es beim Mitbringen eigener Kundengefäße noch Unklarheiten: „Wie sollen Gastronomen auf einen Gast reagieren, der offensichtlich ein unhygienisches oder verschmutztes Gefäß mitbringt? Wer übernimmt in dem Fall die Verantwortung für eventuelle gesundheitliche Risiken?“ Hier müsse noch nachgebessert werden, sagte die DEHOGA-Chefin. Von Gastronomen, die bereits wegen eines Regelverstoßes ein Bußgeld zahlen mussten, hat auch sie bisher noch nichts gehört. Wie Ingrid Hartges kritisiert auch Thomas Fischer von der Umwelthilfe, dass das Pfandsystem durch die verschiedenen Anbieter zu unübersichtlich sei. Fischer allerdings nimmt hier die Gastronomen in die Pflicht. So hätten etwa McDonalds, Edeka und Tchibo jeweils ein eigenes Mehrweggeschirr auf den Markt gebracht: „Man hätte sich auch auf ein gemeinsames System einigen können.“ Dafür hätte es auch ausreichend Zeit im Vorfeld gegeben, so Fischer. „Das Gesetz ist nicht vom Himmel gefallen. Es wurde vor weit über einem Jahr angekündigt. Wir haben uns immer wieder mit Vorschlägen an die Gastronomie gewendet, aber dort hat man nicht reagiert.“