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Vodafone erlässt Syrer die Schulden

Erol Kamisli

Extertal-Bösingfeld. Georg Begemann ist sauer auf den Mobilfunkanbieter Vodafone. „Die nutzen die Not der Flüchtlinge aus und verkaufen überteuerte Handytarife", schimpft der 78-Jährige, der seit zwölf Jahren Vorsitzender der Extertaler AWO ist, und legt die Hand auf die Schulter von Hasan Al Bach.

Der 58-jährige Syrier flüchtete vor dem Krieg in Syrien, erreichte nach 40 Tagen Fußmarsch im Juni vergangenen Jahres das sichere Deutschland und lebt nun in Begemanns Nachbarschaft. Kontakt zu seiner Frau und den drei Kindern, die er im türkischen Antakya zurücklassen musste, hält Al Bach nur übers Handy.

Er schloss einen Vertrag bei Vodafone ab, „weil die Mitarbeiter mir versprochen haben, dass ich sehr günstig in die Türkei telefonieren kann", erinnert sich der Syrer. Doch die Versprechen wurden nicht eingehalten. Mit der Zeit häuften sich die Rechnungen in dreistelliger Höhe, und irgendwann konnte er den Zahlungsaufforderungen nicht mehr nachkommen. Derzeit sitze er auf Schulden von 300 Euro – er habe lange und erfolglos versucht, seinen Vertrag zu kündigen.

Auf LZ-Nachfrage teilt Vodafone-Pressesprecher Volker Petendorf mit, dass es Missverständnisse mit dem 58-Jährigen gegeben habe. „Daher werden wir den Vertrag sofort kündigen und ihm die Restschulden erlassen", sagt Petendorf.

„Vielen Dank, jetzt habe ich eine Sorge weniger", freut sich der 58-Jährige, der monatlich 400 Euro Hartz IV bekommt. Da seine Familie derzeit keine Einreiseerlaubnis erhalte, müsse das Geld für „zwei Leben in Deutschland und der Türkei reichen", sagt er mit gesenktem Blick.

Er wolle arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Ihm sei es peinlich, da er Schulden nicht gewohnt sei.
Dann bricht seine Stimme. Immer wieder wischt er sich mit einer roten Serviette die Tränen aus dem Gesicht, wendet den Blick ab und bittet um Entschuldigung.

Mit geschlossen Augen holt er tief Luft und erzählt von seinem Leben im syrischen Aleppo: „Ich hatte ein glückliches Leben und habe als Bürgermeister und Anwalt gearbeitet", sagt der 58-Jährige. Doch dann sei der Krieg gekommen und habe alles zerstört – „mein Leben, meinen Glauben und meine Hoffnung", sagt Al Bach.

Er sei mit Frau und Kindern über die Grenze in die Türkei geflohen. Seine Familie habe er dort zurückgelassen und sich auf den 40-tägigen Marsch in Richtung Deutschland gemacht. „Es war die Hölle – vor allem auf einem rostigen Boot in der Ägais", erinnert sich der 58-Jährige.

Er habe Menschen gesehen, die im Wasser aus ihren Westen geglitten seien und im dunklen Blau des Meeres verschwunden seien. „Wenn ich die Augen schließe, höre ich immer wieder die Wellen, das Geschrei und die Gebete", sagt er und wimmert, still aus dem tiefsten Innern, mit all der Scham eines Mannes, der selten weint.

Die rote Serviette hat er über seine Augen gelegt. Mit viel Glück und Gottes Hilfe habe er überlebt, fügt er hinzu und rollt das tränengetränkte Papier in die rechte Hand.

Über die Stationen Dortmund und Duisburg führte sein Weg nach Extertal. Inzwischen ist er anerkannter Flüchtling und macht einen Deutschkursus. „Es gefällt mir hier, und ich bin sehr dankbar für die Hilfe der AWO, aber meine Familie fehlt mir schon sehr", sagt der syrische Anwalt. Georg Begemann legt seine Hand auf Hasan Al Bachs Schulter: „Jetzt besorgen wir Dir ein neues Handy, damit Du wieder mit der Familie sprechen kannst."

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