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Detmold/Augustdorf

So reagiert Lippes Sportszene auf das Urteil zum Torunfall

Kreis Lippe. Überrascht, sprachlos und enttäuscht. Das Urteil im Prozess um den „Augustdorfer Torunfall“ hat in der lippischen Sportszene am Mittwoch für Aufsehen gesorgt. Erste Konsequenz: die Absage eines Spieltages der Detmolder Kreis-Hallenmeisterschaft der Junioren - in Augustdorf.

„Wir haben auch eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Trainern und Betreuern und wollen sie erst mal aus der Schusslinie nehmen“, begründete Christian Schmieder, Vorsitzender des FC Augustdorf, diese Entscheidung.

Außerdem werde es eine außerordentliche Vorstandssitzung geben. Das Urteil - fahrlässige Körperverletzung - gegen den sportlichen Leiter der Jugendabteilung und ehemaligen D-Jugend-Trainer, Volker Dierk, stimme nachdenklich. Schmieder befürchtet: „Es wird schwer für Vereine, Ehrenämter noch zu besetzen.“

Einig sind sich die Kreisvorsitzenden der Fußballkreise Detmold und Lemgo, Gottfried Dennebier und Werner Fritzensmeier, dass man sich mit der Thematik befassen müsse. Fritzensmeier: „Wir müssen demnächst doppelt und dreifach hinschauen. Die Vereine sind die Leidtragenden.“ Er verwies auf eine Jugendausschusssitzung des Kreises Lemgo am 10. Februar, „in der wir darüber sprechen müssen“. Schon heute Abend tagt der Detmolder Jugendausschuss. Für Dennebier ist klar: „Wir werden ’was machen müssen. Doch einen Schnellschuss wird’s nicht geben.“ Ihm stellt sich unter anderem die Frage: „Wie kann ich jemandem das entsprechende Handwerkszeug mitgeben, damit so etwas nicht wieder passiert.“

Nach diesem Schuldspruch sieht Wilfried Starke, Präsident des
Kreissportbundes Lippe (KSB), auch den Landessportbund und vor allem den Deutschen Fußball-Bund in der Pflicht. „Wir werden jetzt noch viel genauer hinschauen müssen: Sind alle Dinge, die Gefahr bedeuten könnten, auch gesichert.“ Auch Starke kündigte an, dass sich der KSB weiter mit der Thematik „Ehrenamt“ befassen müsse. Denn: „Das Urteil hat immense Auswirkungen auf den Sport und seine Veranstaltungen. Es führt zu noch mehr Verunsicherung bei den Ehrenamtlern. Außerdem: Wie weit geht die Verantwortung eines Übungsleiters?“

Der TuS WE Lügde hat „zwischen den Jahren“ eine Turnierserie in der Sporthalle am Ramberg ausgerichtet, daher weiß der Vorsitzende Carlo Hasse, welchen Herausforderungen sich die Ehrenamtlichen heutzutage stellen müssen. „Da laufen schon mal viele Kinder über den Flur. Da muss ich immer darauf achten, dass nichts passiert.“

Frank Gernhuber, der beim TuS Lipperreihe mitverantwortlich für das U10-Bundesliga-Hallenturnier ist, hat sich in den vergangenen Tagen stark mit dem „Torunfall“ befasst, doch zu einem richtigen Schluss sei er nicht gekommen. Gernhuber ist sich aber sicher. „Nach diesem Urteil wird der ein oder andere in sich gehen. Denn: Die Tragweite ist nicht klar. Und es betrifft den gesamten Sportalltag.“ Deshalb seien auch die Verbände gefragt, die Ehrenamtler zu unterstützen.

Das sagen unsere Facebook-Leser zu dem Urteil:

Chronologie
12. Januar 2013: Bei der Hallenvorrunde des FuL-Kreises Detmold stürzt dem Elfjährigen beim Aufwärmen in einem Nebenraum ein Tor auf den Kopf. Der Junge erleidet einen Schädelbasisbruch.
14. Januar: Die Gemeinde betont: Der Raum war nicht zum Spielen vorgesehen. Sie kettet die Tore zusammen.
21. Januar: Der Kreisjugendausschuss appelliert an die Vereine: Geräteräume und Nebenräume zum Aufwärmen dürften nur noch unter Aufsicht betreten
werden.
6. Februar: Die Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen ein. Sie will herauszufinden, ob alle Vorschriften beachtet worden.
20. Juni: Oberstaatsanwalt Ralf Vetter benennt vier Personen, „die theoretisch die Verantwortung tragen könnten.“ Sie stehen im Verdacht, eine Straftat begangen zu haben - ein Vertreter der Gemeinde und drei des gastgebenden Vereins.
16. November: Gegen die Beschuldigten wird wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt.
14. Januar 2014: Die vier Verantwortlichen sollen zwischen 600 und 700 Euro zahlen, dann werde das Verfahren eingestellt. Vetter spricht vom „Goldenen Mittelweg“, er wolle die ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht verschrecken.
20. Februar: Bei der LZ-Podiumsdiskussion wird klar: Ehrenamtliches Engagement geht nicht ohne Risiko. Im Herbst organisiert der Kreis daraufhin eine Fortbildung.
18. März: Drei Helfer zahlen eine Geldauflage, Volker Dierk lehnt ab.
11. Juni: Strafbefehl gegen Volker Dierk.
25. Juni: Dierk legt Widerspruch ein.
16. Oktober: Prozessauftakt.
21.Januar 2015: Dierk wird wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. (mah)

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