Detmold. Dax, Dow Jones, Frankfurt, New York, Shanghai: Das Geld fließt rund um den Erdball. Hustet die Börse in China, haben die Händler im Rest der Welt Schnupfen. Wie entwickelt sich der Finanzmarkt in diesem Jahr? Markus Schön, Geschäftsführer des Detmolder Vermögensverwalters DVAM, gibt Antworten.
Was wird die internationalen Märkte in diesem Jahr beeinflussen?
Markus Schön: Das ist zunächst die politische Situation. Wie geht es weiter mit dem Russland-Ukraine-Konflikt? Wie wirkt sich die allgemeine politische Unsicherheit aus? Auch die anstehende Wahl in den USA wird für Nervosität sorgen. Hinzu kommt außerdem die globale Zinspolitik. Spannend wird, wie stark die US-Notenbank FED an der Zinsschraube dreht.
Die FED hat den Leitzins ja schon einmal erhöht, wie hat sich das bisher niedergeschlagen?
Schön: Da alle damit gerechnet hatten, hatte dieser Schritt kaum Auswirkungen. Aber das wichtige Signal war, dass sich die US-Wirtschaft recht robust zeigt.
Wird die Europäische Zentralbank nachziehen?
Schön: Eher nicht. Wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen eher noch einmal senkt.
Weil die europäische Wirtschaft immer noch nicht recht in Schwung gekommen ist?
Schön: Ja. Die Deutschen sind zwar enorm optimistisch, wenn auch keiner so genau weiß, warum. Deshalb rechnen wir auch mit einem weiteren verhaltenen Wachstum in Deutschland. Auch Südeuropa entwickelt sich besser, allerdings nur, weil die Kredite so günstig sind, die Menschen werden damit in eine Konsumverschuldung getrieben, die langfristig nichts verbessert.
Ist ein Leitzins unter Null denn eigentlich sinnvoll?
Schön: Die Notenbankpolitik an sich hat keinen Sinn mehr, weil sich die beabsichtigten Effekte immer mehr abnutzen. Denn das Geld sollte ja der Realwirtschaft helfen. Gleichzeitig führt das billige Geld dazu, dass die Anreize, Vermögen zu bilden, immer geringer werden.
Sollte man denn dann jetzt in Aktien investieren?
Schön: Nach dem historisch schwachen Start sind Aktien mit Einschränkungen als Beimischung attraktiv. Das Umfeld bleibt vor dem geschilderten Hintergrund weiter nervös. Deswegen sollte man Anlagen sorgsam auswählen. Wir erwarten zum Jahresende einen DAX von 11.400 Punkten.
Was bleibt dann noch?
Schön: Ich rate zur Diversifikation: Geld, das kurzfristig gebraucht wird, würde ich als Tagesgeld anlegen. Dazu würde ich mit langfristiger Perspektive neben Unternehmensanleihen auch Aktien meinem Portfolio beimischen. So erzielt man weiter gute Renditen. Aber einen risikolosen Zins gibt es gerade bei Banken und Sparkassen nicht mehr.
Momentan schaut alles nervös nach China. Wie wird der Markt eingeschätzt?
Schön: Auch ein Wachstum von vermutlich sechs Prozent in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt in 2016 ist noch ganz ordentlich. Damit kann man leben.
Spielt der VW-Skandal für die Finanzwelt noch eine Rolle?
Schön: Das Thema ist weitgehend durch. Wir haben eine klassische Reaktion der Kapitalmärkte gesehen, die völlig überzogen war. Denn letztlich ist der Abgasskandal ja kein technisches, sondern eher ein moralisches Problem. Er wirft aber die Frage auf, welche Kultur bei VW herrscht und wie man das in den Griff bekommt.
Was kann ich tun, wenn ich 5.000 Euro für ein Investment habe?
Schön: Was Schönes kaufen – oder eine vernünftige Unternehmensanleihe.
Und wenn ich 50.000 Euro habe?
Schön: Unternehmensanleihen und einige Aktien.
Und bei 500.000 Euro?
Schön: Dann kann ich stark diversifizieren und mehr Risiko eingehen. Mit einer solchen Summe lässt sich eine vernünftige Vermögensstruktur schaffen. Denn heute muss ich aufwendiger investieren, um nachhaltige Erträge zu erreichen.
Gibt es eigentlich auch rentierliche Objekte abseits der klassischen Finanzwelt?
Schön: Durchaus, wobei die allgemein bekannten Dinge – klassische Autos zum Beispiel – eher relativ abgearbeitet sind. Derzeit werden für Kunst absolute Mondpreise bezahlt, aber die dauerhafte Wertigkeit ist sehr ungewiss.
Die Fragen stellte LZ-Redakteur Thorsten Engelhardt
Die Sprache der Banker
Emerging Markets, Leitzins, DAX – um was geht es hier? Ein kleines Glossar soll helfen.
DAX: Im Deutschen Aktienindex (DAX) werden die 30 umsatzgrößten, börsennotierten Unternehmen abgebildet. Sozusagen die Spitze der deutschen Wirtschaft: von der Allianz bis Volkswagen. Deshalb ist er die Leitmarke für den deutschen Aktienmarkt, also das Börsenbarometer
EZB: Die Europäische Zentralbank ist das für den Euro, was die Bundesbank für die Mark war. Sie soll Kaufkraft und Stabilität der Währung in den 19 EU-Staaten, in denen mit Euro bezahlt wird, sichern. Aufgabe der EZB ist insbesondere, die Inflationsrate – beispielsweise durch die Höhe des Leitzins – zu regulieren und Finanzkrisen zu begegnen.
Leitzins: Er gibt an, zu welchem Zinssatz sich Banken bei der Zentralbank Geld leihen können, um es weiter zu leihen. Der Leitzins in der Eurozone liegt derzeit bei 0,05 Prozent im Jahr. Die EZB will mit historisch niedrigen Zinsen die Wirtschaft ankurbeln. Von den niedrigen Zinsen profitiert besonders der deutsche Staat.
Emerging Markets: Dieser Name beschreibt die Märkte der aufstrebenden Schwellenländer wie China, Indien oder die Türkei. In diesen Märkten entwickelt sich die Konjunktur sehr schwankend, starken Anstiegen können deutliche Rückgänge entgegenstehen.Unternehmensanleihe: Sie wird von Firmen ausgegeben, die sich Geld über den Kapitalmarkt besorgen wollen und dieses bei laufender Zinszahlung zu einem vereinbarten Zeitpunkt verzinst zurückzahlen.
Dividendenrendite: Sie ist eine Möglichkeit festzustellen, wie interessant eine Aktienanlage ist. Sie drückt aus, wie hoch die jährliche Ausschüttung (Dividende) in Relation zum Börsenkurs ist.
Markus Schön ist Geschäftsführer der Deutschen Vorsorge Asset Management GmbH, eines unabhängigen Vermögensverwalters unter dem Dach der Ecclesia-Gruppe. Er verwaltet mit 15 Mitarbeitern rund 2 Milliarden Euro.