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Weihnachtsfrieden an der Westfront im Winter 1914

Benjamin Marquardt

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Weihnachten inmitten von Stacheldraht: Ein deutscher Soldat steht gehüllt in einen dicken Mantel auf Posten. Ein lippischer Sammler hat die Bilder der LZ zur Verfügung gestellt. - © privat
Weihnachten inmitten von Stacheldraht: Ein deutscher Soldat steht gehüllt in einen dicken Mantel auf Posten. Ein lippischer Sammler hat die Bilder der LZ zur Verfügung gestellt. (© privat)

Kreis Lippe. Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ist geprägt von grausamen Bilder des Stellungskrieges. Doch es gibt auch anderes: Soldaten – vor allem Deutsche und Briten –, die miteinander reden, statt aufeinander zu schießen. Sie tauschen kleine Geschenke aus und verabreden sich sogar zum Fußball spielen. Auch Soldaten aus Lippe waren dabei.

Klingt unglaublich? Stimmt. Ist aber tatsächlich während der ersten Kriegsweihnacht 1914 im belgischen Flandern geschehen. Auf eigene Initiative beschlossen die Soldaten, den Krieg ruhen zu lassen und sich ihren eigenen kleinen Frieden zu schaffen. Dass es sich wirklich so zugetragen hat, belegen Dutzende Briefe und Tagebucheinträge. Viele davon hat der Journalist Michael Jürgs in seinem Buch „Der kleine Frieden im Großen Krieg" verarbeitet (2003).

Die ersten Impulse zur Annäherung kamen von den Deutschen. Die sangen am 24. Dezember in ihren Stellungen Weihnachtslieder wie „Stille Nacht, heilige Nacht". Das international verbreitete Lied kannten auch die britischen Soldaten gegenüber – und sie stiegen mit ein.

Mittendrin: Die Soldaten des Infanterie-Regiments Nr. 55 „Graf Bülow von Dennewitz (6. Westfälisches). Dessen Stab sowie das dritte Bataillon waren in Detmold beheimatet. Im Dezember 1914 kämpfte es bei La Bassée, gegenüber hatten sich die Soldaten der British Expeditionary Force (B.E.F) eingegraben. Nach harten Kämpfen in den Tagen zuvor kam der 24. Dezember und, so beschrieb es ein Soldat: „Überall sah man brennende Bäumchen. Es war ein feierlicher Abend, den wohl keiner in seinem Leben vergessen wird."

In der offiziellen Regimentsgeschichte der 55er ist nur die Rede davon, dass die deutschen Soldaten den Engländern bei der Beerdigung der Toten geholfen hätten. Der Öffentlichkeit des Kaiserreichs wurden die tatsächlichen Ereignisse weitgehend verschwiegen. Später geriet die Episode – anders als in Großbritannien – vollends in Vergessenheit. Dass Soldaten eigenmächtig entscheiden, wann sie kämpfen, war eine Zäsur.

„Der einfache Soldat fühlte sich seinem gleichrangigen Gegner oft stärker verbunden als den eigenen Offizieren", erklärt Dr. Hansjörg Riechert, Leiter des Kreisarchivs Lippe. Einige hohe Offiziere billigten die Verbrüderung oder nahmen sogar selbst daran teil.

Denn der Frieden hielt in vielen Abschnitten länger als nur eine Nacht. Dabei wuchs die Vertrautheit – und zwar so weit, dass es sogar zu einigen Fußballspielen kam. Zwar war der gefrorene und zerfurchte Untergrund kein optimales Spielareal. Und auch eigneten sich Soldatenstiefel nicht für Kunststücke am Ball. Doch es wurde gebolzt. Teilweise bis in den Januar hinein trafen sich die Soldaten im Niemandsland.

Doch letztlich endet die kurze friedliche Periode. Als 1915 Soldaten wieder versuchten, zu Weihnachten eine Auszeit zu vereinbaren, wurde dies weitgehend von den Befehlshabern unter Androhung von harten Strafen verboten.

Der Stellungskrieg
Die Westfront des Ersten Weltkrieges entstand, als der deutsche Vormarsch auf Paris im Sommer 1914 scheiterte. Danach erstarrte die Front immer mehr im Stellungskrieg. Moderne Waffen und veraltete Kriegführung trafen aufeinander. Gegen Maschinengewehre half kein Frontalangriff mit aufgepflanzten Bajonetten. Das musste auch das Infanterieregiment 55 erfahren, das während des Krieges an der Westfront eingesetzt war. Besonders grausam waren die Schlachten von Verdun (1916) und die Schlacht an der Somme (1916) mit Hunderttausenden von Toten auf beiden Seiten. Das in Detmold beheimatete Regiment erlitt dabei schwere Verluste.

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