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Cannabis-Beet in Bielefeld sorgt für Erheiterung

Am Horstheider Weg wächst Hanf auf einer Verkehrsinsel / Auch die Stadt reagiert mit Humor

Melanie Wigger

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Wächst unscheinbar auf einer Verkehrsinsel: Die Cannabispflanzen am 
Horstheider Weg entdeckte ein Gast in einer nahegelegenen Imbissstube 
(hinten links). Zahlreiche Autofahrer fahren jedoch daran vorbei, ohne 
den Hanf zu erkennen. - © Wolfgang Rudolf
Wächst unscheinbar auf einer Verkehrsinsel: Die Cannabispflanzen am Horstheider Weg entdeckte ein Gast in einer nahegelegenen Imbissstube (hinten links). Zahlreiche Autofahrer fahren jedoch daran vorbei, ohne den Hanf zu erkennen. (© Wolfgang Rudolf)

Bielefeld. Ohne Kiffen erheitern Cannabispflanzen seit Tagen Martina Quelle und ihre Kunden in der Imbissstube am Horstheider Weg. Ein Gast entdeckte die Pflanzen auf einer nahen Verkehrsinsel und erkannte das Gewächs sofort - während Polizisten, städtische Mitarbeiter und zahlreiche Autofahrer dessen ungeachtet daran vorbeigefahren sind.

Information
Hanfplantagen auf dem Balkon
Wer Cannabispflanzen auf dem Balkon oder im Garten züchtet, macht sich strafbar, informiert Michael Kötter, Polizeioberkommissar in Bielefeld. Für den Anbau von Pflanzen, aus denen sich das Betäubungsmittel herstellen lässt, droht eine mindestens einjährige Freiheitsstrafe. Wer ganze Plantagen züchtet, muss laut Betäubungsmittelgesetz mit mindestens zwei Jahren rechnen.

Die Pressesprecherin der Stadt Bielefeld, Gisela Bockelmann, lacht herzhaft. Cannabispflanzen am Horstheider Weg? "Da fahre ich jeden Tag entlang zur Arbeit", sagt sie. Nicht nur sie. Die Straße ist seit der Sperrung der Jöllenbecker Straße besonders stark frequentiert. Trotzdem konnten die Hanfpflanzen dort unbemerkt gedeihen, bevor sie vergangene Woche entdeckt wurden. Martina Quelle: "Am Anfang fand ich den Gedanken fürchterlich - Drogen in meiner Nähe?" Für sie bislang ein Tabuthema. Doch in Gesprächen mit Bekannten erfuhr sie, wie viele Menschen sich mit Cannabis zumindest ein wenig auskennen. Quelle: "Es ist faszinierend, dass die Leute trotzdem wie blind daran vorbeigehen." Von ihrem Arbeitsplatz aus beobachtet sie, wie das bekannte Gewächs immer wieder übersehen wird.

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Doch Hanf ist nicht gleich Hanf. Die speziell für die Industrie gezüchtete Variante enthält zu wenig THC (Tetrahydrocannabinol). Wer die getrocknete Pflanze raucht, kann sich nicht damit berauschen. Ebenso verhält es sich mit den männlichen Cannabispflanzen. In der Blütezeit sind die rauschgifthaltigen, also die weiblichen, Pflanzen an ihren Blüten erkennbar. Nach der Ernte ist das Unterscheiden äußerst schwierig, sagt Kötter.

"Am Wochenende gab es an der Verkehrsinsel einen Unfall. Das Verkehrsschild wurde beschädigt. Die Stadt hat den Schaden dort bereits repariert, aber die Pflanzen haben sie dabei nicht bemerkt", berichtet Quelle. Selbst die Polizisten, die den Unfall aufnahmen, erkannten den Cannabis nicht. Bei einer Fahrradtour mit Begleitung durch die Polizei fuhren acht Beamte an dem Beet vorbei. Quelle machte einen von ihnen mit einem Handzeichen auf den Cannabis aufmerksam: "Doch er winkte nur fröhlich zurück."

Bei Facebook stößt Quelle auf mehr Interesse für ihren Fund. Viele wollen wissen, wo das seltene Gewächs zu sehen ist. Eine Nutzerin vermutet: "Da wird sich jemand einen Scherz erlaubt haben und Samen verstreut haben." Auf die Einmischung in die Gestaltung der öffentlichen Beete reagiert Michael Koch, Sprecher vom Umweltbetrieb, mit Humor: "Es ist unsere neue Einnahmequelle." Sein Kollege Sebastian Eweler ist ebenfalls amüsiert: "Witzig - mitten auf einer Verkehrsinsel. Das muss man sich mal überlegen. Eigentlich erkennt doch jeder die Pflanze und trotzdem merkt es keiner."

Obwohl das Hanfblatt mit den meist sieben spitz zulaufenden Blättern ein bekanntes Symbol ist, kann man nicht zwangsläufig von der illegalen Rauschgiftpflanze ausgehen. Es könnte auch die männliche Pflanze sein, deren THC-Gehalt (Tetrahydrocannabinol) zu gering ist, um Haschisch zu gewinnen. Zum Kiffen werden die getrockneten Blüten der weiblichen Gewächse benötigt.

Am wahrscheinlichsten sei es, dass es sich um Industriehanf handelt, sagt Eweler. Der Mitarbeiter des Umweltbetriebs erklärt, dass dieser oft verkauft wird. "Er wird beispielsweise für Vogelfutter verwendet." Und daraus wächst Hanf für die Herstellung von Textilien. Er wurde für gewerbliche Zwecke gezüchtet und ist als Betäubungsmittel unbrauchbar.

Um sicherzugehen, was im öffentlichen Beet wächst, müsste man die Pflanze im Labor untersuchen, sagt Eweler. Da er eine illegale Anpflanzung im öffentlichen Raum für unwahrscheinlich hält, werde er sich die Pflanze zwar ansehen, aber voraussichtlich keine weiteren Schritte einleiten. "Es droht keine Gefahr und bislang stört sich niemand daran". Der Cannabis darf also weiter wachsen - und wird dabei vermutlich künftig mehr beachtet werden.

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