Leidenschaft für alte Sorten und Gärten: Biologin Sabine Schierholz geht in den Ruhestand

Lage. Die Pflanzen sind für sie Hobby und Beruf zugleich: 13 Jahre lang war Sabine Schierholz für den Garten am Bauernkotten im LWL Ziegeleimuseum in Lage verantwortlich. Nun geht die Biologin in den Ruhestand. Das Thema Gärten ist für sie aber noch lange nicht auserzählt.

Im Jahr 2011 trat Schierholz die Stelle im Museum an. &bdquo;Ich hatte keinen Job. Ich war jung und brauchte Geld. Jetzt bin ich alt und brauche Geld“, scherzt Schierholz im Gespräch mit der LZ im Museumsgarten. Zuvor war sie auch für das Freilichtmuseum in Detmold tätig. Doch die Beschäftigung in Lage hatte einen entscheidenden Vorteil, denn es handelte sich dabei, anders als in Detmold, nicht um eine Saisonstelle. &bdquo;Jetzt kommt schon der unangenehme Teil, ich bin Biologin und hab keinen Job gekriegt“, ordnet sie die Zusammenhänge ein.

Glücksgriff für das Museum Doch für das Museum war das ein glücklicher Umstand: &bdquo;Sie ist hier hergekommen mit einer großen Expertise in Biologie und alten Sorten. Ihr absolutes Lieblingsthema“, sagt dazu Lara Ullrich, die beim Museum für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Und Schierholz selbst konnte mit dem Job dann doch ganz gut leben. &bdquo;Pflanzen sind mein Beruf, Gärten sind mein Hobby“, fügt sie hinzu.

Und die alten Sorten sind &bdquo;ihre Babys“. Ganz klar. &bdquo;Wenn man Gärten und Pflanzen liebt, dann ist jeder Garten wichtig und schön und man versucht dem natürlich auch, seins aufzudrücken. Ich habe Pflanzen mit hergebracht. Da blühen grad sehr schön die Lippischen Palmen“, sagt Schierholz und deutet auf mehrere großen Kohlgewächse, die aus ihrem eigenen Garten in Siekholz stammen. Um deren Fortbestand musste sie sich auch im Museumsgarten selbst kümmern: &bdquo;Das Saatgut ist nicht zertifiziert, das heißt, man kann es nicht kaufen. Ich muss also jedes Jahr dafür sorgen, dass Pflanzen da sind und Saatgut für die nächsten Generationen.“

Vergangenheit und Gegenwart Nur eine Art der Lippischen Palme ist mittlerweile zertifiziert, wird in Kalletal angebaut und auch in Gläsern verkauft. &bdquo;Früher hatte jedes Dorf sein eigenes Saatgut. Man kam ja nicht raus. Klar wurde auch mal getauscht“, erläutert Schierholz die Art und Weise, wie die Vorfahren verfahren sind.

Der Museumsgarten wurde schon vor ihrer Zeit in Lage angelegt. Er soll veranschaulichen, wie die Familien der Wanderziegler ihre Ernährung sicherstellten. &bdquo;Hinter jedem erfolgreichen Mann steht ja immer eine Frau“, sagt Schierholz. Dass sich die Männer zum Geldverdienen auf Wanderschaft begeben mussten, hatte schließlich Auswirkungen auf die gesamte Familie.

Die Strukturen waren damals patriarchal, aufgrund der eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten hatten die Männer aber kaum Kontakt in die Heimat. &bdquo;Die waren wirklich im Ausland, wenn sie im Ruhrgebiet waren. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen.“ Die Frauen seien deshalb häufig Mütter vieler Kinder, Arbeiterinnen im Tagelohn und Selbstversorgerinnen, &bdquo;die richtig zu tun hatten“ in Personalunion gewesen. &bdquo;Es zeigt, was das für die Frauen bedeutet hat“, so Schierholz weiter.

Doch der Garten soll nicht nur die Vergangenheit abbilden, sondern auch Anregung für die Gegenwart sein: &bdquo;Wir haben das ein bisschen modifiziert, um zu zeigen, wie man zu Hause agieren könnte. Wie könnte man einen modernen Kräutergarten so anlegen, dass er nicht so schrecklich viel Arbeit macht und dann trotzdem erstaunliche Dinge drin stehen, die man nicht kaufen muss“, erläutert Schierholz.

Naturnahes Gärtnern Tatsächlich kommen immer wieder Besucher nach Lage, die nach Anregungen für den eigenen Garten suchen oder sich über das Thema austauschen wollen. Überschüssige Pflanzen und Saatgut hat Schierholz ab Ende September immer gratis weggegeben und zum Mitnehmen vor die Tür gestellt. &bdquo;Das ist dann die Zeit, wo man die Pflanzen teilt und schaut, was man braucht und was nicht“, berichtet die Biologin, die sich wünscht, dass ihr Nachfolger an dieser Vorgehensweise festhält.

Zu Hause hat Schierholz einen naturnahen Garten: &bdquo;Der Gemüsegarten ist wie dieser, drum herum sind Obstbäume, ein Bachlauf und Hühnerbestand direkt am Wald.“ Gängigen Klischees über das Gärtnern tritt sie vehement entgegen. &bdquo;Heutzutage sollte jedem klar, sein, dass es wichtig ist, dass auch ein bisschen Natur zugelassen wird“, berichtet Schierholz, die selbst viel Totholz in ihrem Garten hat, nur auf einigen wenige Streifen einen Rasenmäher einsetzt und von Steingärten und Gabionen nichts hält.

Auch wenn der alte Holzzaun am Museumsgarten bald erneuert werden muss, soll er nicht durch die angesagten Gabionen ersetzt werden. &bdquo;Dann müsste ich mich hier rituell entleiben“, scherzt Schierholz, die bei Menschen häufig fehlendes Verständnis für die Zusammenhänge in der Natur wahrnimmt. &bdquo;Dann kommt gern der Spruch, dass die Nachbarn reden können“, sagt Schierholz. Doch während sie durch ihre Expertise in der Lage sei, für ihre Art des Gärtners einzutreten, verstehe sie, dass der gesellschaftliche und familiäre Druck andere Menschen dazu bringe, sich in Sachen Gartengestaltung anzupassen.

Was ist Unkraut? Auch Unkraut im geläufigen Sinne gibt es für sie nicht - sondern nur Pflanzen, die am falschen Fleck stehen. &bdquo;Angenommen, Sie haben einen Rübenacker und da steht eine Rose drin, die schön ist und viel Geld kostet: dann ist sie Unkraut, wenn ihr Rübenroder nicht drüber fahren kann - auch wenn es eine Weltrose ist“, gibt Schierholz ein Beispiel. Als Unkraut verschriene Pflanzen wie Brennnesseln oder Löwenzahn hätten hingegen sehr positive und unterschätzte Eigenschaften.

Das Thema Garten und Pflanzen wird Schierholz über den Ruhestand hinaus begleiten. &bdquo;Reif für den Friedhof bin ich noch nicht, es sei denn, da gibt es was zu gärtnern“, sagt die Biologin, die ihrem eigenen Garten nun ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken und sich auf der Video-Plattform YouTube ausprobieren will. &bdquo;Ich habe mein erstes Video gedreht, aber noch nicht hochgeladen.“ Und Reisen stehen auf dem Programm. &bdquo;Es ist aber nicht so, dass ich als Rentner jetzt freigelassen bin. Ich bin immer viel rumgekommen“, sagt Schierholz, die im vergangenen Jahr die Mongolei besucht hat und sich nun eine Reise nach Botswana vorstellen kann, um sich die örtliche Pflanzenwelt anzuschauen. Und auch ihre Plattdeutsche-Kolumne in der LZ wird sie fortführen.

Leidenschaft für alte Sorten und Gärten: Biologin Sabine Schierholz geht in den Ruhestand

Angebot zur Kommunalwahl

Saatgutbibliothek Detmold: Lippische Gemüsesorten wachsen nun auch auf Gran Canaria

Erste Schritte für den naturnahen Garten

So gelingt der Start ins Gartenjahr

Hier blühen die Zwiebeln in Bad Salzuflen

Wie man Schmetterlinge in den Garten lockt

Kein Unkraut: Wildkräuter aus dem Garten nutzen