Studentin darf nicht die Schulbank drücken

Löhne. Sechs Semester Maschinenbau hat Sra Aelo bereits geschafft. Vier Semester müsste sie noch dranhängen, dann wäre die junge Frau Ingenieurin. Doch daraus wird erst mal nichts. Die 21-Jährige ist im Dezember vor dem Bürgerkrieg in Syrien aus dem völlig zerstörten Aleppo nach Löhne geflohen. Die junge Studentin büffelt jetzt Deutsch statt Formeln und ist eine von 15 überaus eifrigen Schülern in der neuen Integrationsklasse des August-Griese-Berufskollegs. Sie ist aber die einzige, die womöglich bald nicht mehr zur Schule gehen darf. Der Grund dafür löst bei ihren Lehrern Kopfschütteln aus. Sra Aelo ist zu alt für die Berufsschule. Dabei wäre eigentlich alles perfekt: Die junge Studentin passt prima an die Griese-Schule. Dort lernen nämlich Auszubildende der Elektro-, Fahrzeug- und Kunststofftechnik aus dem ganzen Kreis Herford ihren Beruf. Inhaltlich ist Sra Aelo den Azubis natürlich um Längen voraus, altersmäßig dagegen nicht. Doch weil erwachsene Flüchtlinge nicht schulpflichtig sind, darf Sra Aelo nicht im Griese-Kolleg Deutsch lernen. "Wir würden sie wirklich gerne bei uns behalten", sagt Lutz Meyer. Der Griese-Lehrer koordiniert die neue Integrationsklasse der Schule. Seit Anfang Februar lernen hier 16 Schüler aus neun Nationen Deutsch. Die syrischen Schüler gehören zur Großfamilie Ailo und sind auf Einladung der Löhner Kirchengemeinden und eines Bad Oeynhausener Ehepaars in Deutschland. Andere Schüler kommen aus Pakistan, Rumänien, Aserbaidschan, Thailand und Bangladesch. Nicht alle Schüler sind Flüchtlinge, aber alle wollen Deutsch lernen. Das Ziel der Lehrer ist, die Schüler nach einem Jahr intensiver Betreuung mit 20 Wochenstunden Unterricht in die normalen Bildungsgänge der Griese-Schule zu integrieren. Und das könnte klappen, wenn der erste Eindruck der Lehrer von ihren neuen Schülern stimmt. Schulleiter Frank Schnelle ist begeistert vom Lerneifer der Integrationsklasse: "Diese Schüler sind strebsam und wollen lernen." Unterrichtsstoff ist zunächst einmal alles, was Deutsch ist. Die Schüler haben eine Klassenlehrerin und drei weitere Lehrer, die neben ihrem bestehenden Arbeitspensum die Schüler abwechselnd unterrichten. Drei davon lehren Sprachen, außerdem kümmert sich der Schulsozialarbeiter um die Klasse. Entgegen den Gewohnheiten der neuen Schüler findet der Unterricht nicht immer im Klassenraum vor einer Tafel statt. Lehrer Lutz Meyer beispielsweise hat Donnerstag mit den 16 Schülern Bahnfahren geübt. "Wir sind zum Bahnhof runter", sagt der Lehrer, "und haben die Fahrpläne studiert." Für deutsche Muttersprachler gibt es spannendere Lektüren, aber die Integrationsschüler haben richtig was fürs Leben in Löhne gelernt, ist sich Meyer sicher. Neben dem Bahnhof stand auch die Post auf dem Stundenplan, das Rathaus und das Jugendamt. Schüler und Lehrer Holger Gießelmann, Gernot Harke, Lutz Meyer, Katharina Prießmeyer, Elke Schuschel, Claudia Stephan und Sozialarbeiter Hermann Redeker unterrichten: Fasal (17, Pakistan), Roni (16) und Rubel (17, Bangladesch), Aylin (16), Karlos (17), Powel (17), Sra (21) und Lilian (16, Syrien), Christina (17, Rumänien), Sardar (16, Pakistan), Cholanda (16, Thailand).

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