Detmold. Unter dem Motto „Chaos im Kleiderschrank“ hat das Landestheater zur dritten Veranstaltung der Reihe „Vorgefühlt“ in „Liebharts Weindiele“ im Detmolder Fachwerkdorf eingeladen. Der künstlerische Frühschoppen, der aktuelle Inszenierungen und neue Gesichter des Ensembles vorstellt, muss sich erst noch etablieren.
Unter Leitung des neuen Schauspieldirektors Martin Pfaff gingen Künstler aus Oper, Ballett und Schauspiel der Frage nach, welche Herausforderungen der Rollenwechsel ins andere Geschlecht darstellt. Hosenrollen, also dass eine Darstellerin einen Mann spielt, gibt es in allen Sparten. Zur Zeit Shakespeares waren Frauen auf der Bühne unerwünscht, daher wurden weibliche Rollen mit Männern besetzt, was heute vermutlich für einen Theaterskandal sorgen würde. Als Protest gegen Rollenzwänge dient Homosexuellen das Cross-Dressing, also das Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts und im Karneval werden kreative Kräfte freigesetzt.
Passend zum Thema stimmte Pianistin Hye Ryung Lee mit „Clair de lune“ von Claude Debussy einfühlsam auf den Mondschein ein. Im Mondlicht sind nicht nur alle Katzen grau, sondern die Geschlechter indifferent.
Die österreichische Sopranistin Brigitte Bauma verkörpert in der Fledermaus den Prinzen Orlofsky, den Johann Strauss als Hosenrolle für einen Mezzosopran angelegt hat. Dies fällt ihr nicht schwer, die Grundgefühle zwischen Männern und Frauen sind gleich. Der Charakter ist wichtiger als das Geschlecht. Probleme bereiten eher Krawattenbinden und Herrenhemden, was für „Chaos im Kleiderschrank“ sorgt. Es gibt einen Brustpanzer. Als Mann-Weib erhält der Oligarch auf der Bühne ein gesteigertes Selbstbewusstsein.
Balletttänzer Gaëtan Chailly übernimmt in „Cinderella“ die Figur der bösen Schwiegermutter. Kleidung und Maske helfen ihm, die Rolle einzunehmen, die sogar Tanzen auf Spitze fordert, was im Ballett sonst nur Frauen abverlangt wird. Der Rollentausch unterstreicht die Komik, wenn die abgehalfterte Schwiegermutter vergeblich versucht, jugendlich frisch zu wirken.
In der Komödie „Das Andalusische Mirakel“ tauschen die Schauspieler mittendrin ihre Rollen. Schwieriger als das Geschlecht ist, das Alter und vorgegebene Rollenmuster fortzusetzen. Joachim Ruczinski, der nächstes Jahr in Ruhestand geht, muss plötzlich die junge Nelly geben, während umgekehrt der lebensmüde Hubertus von der jungen Karoline Stegemann übernommen wird.
Ein doppeltes Crossing kann auch reizvoll sein. Pfaff war erstaunt, als er junge Männer alte Weiber spielen ließ und die begeistert reagierten: Wo bekommt man sonst so eine schauspielerische Herausforderung?