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Williams’ Klassiker „Endstation Sehnsucht“ wird im Landestheater aufgeführt

Lebenslügen prallen aufeinander

Ilse Franz-Nevermann

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"Endstation Sehnsucht": Natascha Mamier (Blanche), Nicola Schubert (Stella), Robert Oschmann (Stan). - © Landestheater/Schomburg
"Endstation Sehnsucht": Natascha Mamier (Blanche), Nicola Schubert (Stella), Robert Oschmann (Stan). (© Landestheater/Schomburg)

Detmold. Kann der Verlust der gewohnten großbürgerlichen Umwelt, verbunden mit Angst vor dem Alter, eine ohnehin instabile Frau in den geistigen Ruin treiben? Am Freitag ist im Landestheater zu erleben gewesen, wie das geht.

„Zur Lebenslüge werden Selbsttäuschungen erst, wenn sie die Kraft besitzen, das Leben der betreffenden Person maßgeblich zu bestimmen" schreibt Victor Chu im Programmheft. Um Lebenslügen geht es vordringlich in dem Stück „Endstation Sehnsucht", mit dessen Uraufführung im Jahre 1947 Tennessee Williams seinen internationalen Durchbruch als Autor schaffte. Schauspieldirektor Martin Pfaff beließ seine Inszenierung in den 1950er Jahren, und auch Ausstatterin Petra Mollérus griff auf Einrichtungs- und Kostümfundus dieser Zeit zurück.

„Enjoy" – geniesse, freue dich – erscheint wie zum Hohn als goldfarbener Schriftzug über der spartanisch eingerichteten Wohnung in den „elysischen Gefilden", einem proletarischen Milieu von New Orleans. Wer hier lebt, streitet sich oft und lange, greift auch zu physischer Gewalt und versöhnt sich anschließend auf unüberhörbare Weise. Stanley Kowalski, ein gebürtiger Amerikaner mit polnischen Wurzeln, kann mit seiner aus „besseren Kreisen" stammenden Ehefrau sogar noch eine Trophäe vorweisen, die sich ihm in sexueller Abhängigkeit vollkommen ausgeliefert hat.

Stella kommt aus einer ehemals reichen Südstaatenfamilie, die im Ruin endete. Ihrer Schwester Blanche blieb es vorbehalten, die Aufräumarbeiten zu erledigen. Vielleicht liegt in dieser Überforderung schon der Keim für die spätere unaufhaltsame Reise der Lehrerin in eine irreale Welt. Bis zum erneuten Treffen der Schwestern lässt ihr Lebensstil bereits leicht Anrüchiges vermuten. Ungebrochen ist für ältere Filmfreunde und jüngere Cinéasten die archaische Wucht der Jahrzehnte alten Verfilmung, die immer wieder im Fernsehen auftaucht. Martin Pfaff hat deshalb gut daran getan, das Stück mit Akteuren zu besetzen, die vom Typ her das genaue Gegenteil der ehemaligen Protagonisten sind. So wird ein Vergleich vermieden.

Natascha Mamier lässt als dünkelhafte Blanche hinter ihrem zunehmend hysterischer anmutenden Gebaren einen zutiefst verletzten Menschen aufscheinen, der sich seine Scheinwelt so lange schön redet, bis er selbst daran glaubt. Ob ihre „Lebensbeichte" gegenüber ihrem verklemmten Verehrer Mitch – Christoph Gummert in einer trefflichen Charakterstudie – nun Lüge oder Wahrheit ist, scheint ihr selbst nicht bewusst.

Nicola Schubert als ihre auch figürlich kleine Schwester verkörpert eine junge Frau, deren eigener Wille – sofern jemals vorhanden – restlos verloren gegangen ist und erst am Ende wieder wach wird. Beileibe nicht unsympathisch gestaltet Robert Oschmann die Rolle des Stanley Kowalsky als einen auf direkte Art aufrichtigen (und damit verletzenden) Proleten. Unaufhaltsam treibt dieser Zusammenprall der Milieus auf die Katastrophe zu.

Tickets Tel. (05231/) 974 803, weitere Aufführungen am 3., .7 und 23. Februar sowie am 12. und 23. März.

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