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Premiere von „Hedda Gabler“: Hassliebe mündet in Katastrophe

Regisseur Andreas Kloos inszeniert ein spannungsgeladenes Stück von Henrik Ibsen

Ilse Franz-Nevermann

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Auf der Suche nach dem Kick: Hedda Gabler (Karoline Stegemann) hasst das Leben mit ihrem Mann. Durch Eilert Løvborg (Markus Hottgenroth) wird die Beziehung noch komplizierter. - © Jochen Quast/Landestheater
Auf der Suche nach dem Kick: Hedda Gabler (Karoline Stegemann) hasst das Leben mit ihrem Mann. Durch Eilert Løvborg (Markus Hottgenroth) wird die Beziehung noch komplizierter. (© Jochen Quast/Landestheater)

Detmold. In diesem Stück scheitern alle Beteiligten auf unterschiedliche Weise an den Zwängen bürgerlichen Verhaltens. Henrik Ibsen war 62 Jahre alt, als er mit „Hedda Gabler" zeitlose menschliche Schwächen unters literarische Seziermesser nahm.

In einem Theaterführer der 1960er Jahre wird das Stück noch als „Satire auf die Ehe des modernen Mädchens" geschildert. Doch in der frischen, zeitgemäßen Übersetzung von Hinrich Schmid-Henkel erweist es sich als ein Psychogramm, das auch nach 126 Jahren für zahlreiche Vertreter des gehobenen Bürgertums gilt.

Im Mittelpunkt der Regie von Andreas Kloos steht die menschliche Unzulänglichkeit, bei der jeder in seinem eigenen Kokon von Illusionen gefangen ist. Doch Ausbrechen aus diesem „Fluch der Gewöhnlichkeit" – so Chefdramaturg Dr. Christian Katzschmann im Programm – ist schwer bis unmöglich.

Geschafft hat das nur der inzwischen gefeierte Autor Eilert Løvborg, der nach langer Abwesenheit das Haus des frisch vermählten Paares Jørgen und Hedda Tesman, geborene Gabler, betritt. Beatrice von Bomhard stellt ein luxuriöses Anwesen auf die Bühne, unfertig wie die Charaktere seiner Bewohner. Sie sind recht wohlhabend, leben aber trotzdem über ihre Verhältnisse. Denn die einst umschwärmte Generalstochter stellt materielle Ansprüche, die ihr rechtschaffener und etwas naiver Ehemann nur schwer erfüllen kann. Zumal, wie sich bald heraus stellt, es mit der angestrebten Professoren-Karriere des jungen Privatdozenten ziemlich hapert.

In dieses, kurz nach der Hochzeitsreise auftretende Spannungsfeld mischen sich außer Løvborg noch der forsche, schon mal zu einer Kokslinie greifende Richter Brack und die ehemalige Mitschülerin Heddas, Thea Elvsted. Von einer zerrütteten Beziehung in die nächste gestolpert, ist sie besessen von einer explosiven Mischung aus Hörigkeit und Helfer-Syndrom, mit dem sie Løvborg zur Verzweiflung treibt. Doch kann man einen Menschen retten, der durch seinen exzessiven und unkonventionellen Lebensstil deutlich macht, dass er die Rückführung in bürgerliche Verhältnisse gar nicht will?

Alle diese Figuren kreisen um Hedda, ein schönes gelangweiltes Luxusweibchen, das „noch nie etwas erlebt hat, das ihr wirklich nahe gegangen ist". Da auch kein Kinderwunsch vorhanden ist, bleibt ihr nach eigener Ansicht nur, „mich zu Tode zu langweilen". Die Hassliebe, die sie schon früher mit Løvborg verbunden hat, flammt neu auf. Und damit verfangen sich alle in einem Geflecht, dessen verschlungene Fäden geradewegs in die Katastrophe münden.

Das Paar Hedda (Karoline Stegemann) und Jørgen (Robert Oschmann) überzeugt in den ersten Reibereien einer nicht unproblematischen Ehe bis zum Exzess. Markus Hottgenroth brilliert als bürgerlich avancierter Extremist, Natascha Mamier bietet eine treffliche Charakterstudie der vom Retter-Virus befallenen Geliebten. Stephan Clemens ist ein unkonventioneller Richter. Und Marie Luisa Kerkhoff teilt als Jørgens Cousine und später als Putzfrau dem Publikum gern ihre Ansichten zum Geschehen mit. Doch allen Figuren ist gemeinsam, dass sie ständig auf der Jagd nach einem Glück sind, das sich ohne Anstrengung erreichen lässt.

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