Detmold. Total irre! Mit „Drei Männer im Schnee" hat das Landestheater einen Riesen-Publikumserfolg gelandet. In bester Manier komödiantisch agierende Schauspieler unterhielten die Premierenzuschauer prächtig. Nicht mehr, aber auch kein bisschen weniger.
Der schöne 80er-Jahre-Schein trügt. Allen Glitzerfassaden zum Trotz haben Regisseurin Sarah Kohrs und Ausstatterin Petra Mollérus es in stimmiger Gemeinschaftsarbeit ihren Protagonisten so richtig schön ungemütlich gemacht im alpinen Grandhotel.
In der Kuschelecke aus Sitzsäcken lässt sich auch bei allem Hin- und Herrutschen keine würdevolle Sitzposition finden, auf dem glatten Parkett im Foyer legen sich die Protagonisten reihum auf die Nase, und statt Treppe führt eine Rutsche in die oberen Etagen – und ebenso schnell wieder retour: In diesem Hotel ist nichts sicher, ist auf nichts Verlass. „Es steckt doch oft etwas anderes hinter den Dingen als das, was man sieht": So lässt es der große Erich Kästner seine Figur Frau Casparius formulieren.
Entsprechend ist die Attitüde, die die Darsteller am häufigsten zur Schau tragen, Unsicherheit. Großartig, in wie vielen Spiel- und Lesarten sie dieses Grundgefühl meisterhaft gespielt auf die Bühne bringen. Die knorzig gemurmelten Ablenkungsmanöver des grandiosen Markus Hottgenroth in der Rolle des Generaldirektors Tobler, das stammelnde Sich-Winden des Stephan Clemens, wenn sein stets honoriger Diener Jakob als Schifffahrtslinienbesitzer Kesselhut Eindruck schinden soll.
Nur der dritte Mann im Bunde zeigt bis auf ein Staunen angesichts solcher Kommoditäten wie einer Flasche französischen Cognacs sowie dreier siamesischer Katzen in seiner Hotelsuite keinerlei Unsicherheiten: Robert Oschmann alias Dr. Fritz Hagedorn, der von der Hoteldirektion fälschlicherweise für den inkognito reisenden Millionär gehalten wird, setzt mit naivem Augenaufschlag und echter Empörung den ehrlichen Gewinner und frustrierten arbeitslosen Akademiker ins Bild.
Das Regie-Team setzt auf karikaturenhafte Überzeichnung. Karoline Stegemann und Marie Luisa Kerkhoff geben ein naiv-zudringliches und garantiert nervtötendes Damengespann auf Millionärsjagd ab. Hubertus Brandt ist als Dieter-Bohlen-Verschnitt im Skianzug ein haarsträubend dümmlicher Hoteldirektor, an seiner Seite kämpft Henry Klinder als seriöser Portier Polter – ganz in Bleu und natürlich vergebens – darum, den Ruf des Hauses zu wahren.
Nicola Schubert als zupackende Unternehmerstochter Hilde gelingt es binnen Sekunden, den guten Fritz zu bezaubern – und mit Natascha Mamier als resolute Hausdame Kunkel ist die Produktion bis in die Nebenrollen erstklassig besetzt.
Vergnüglich sind die Szenen beim Lumpenball, in denen die Maskerade dem Verwirrspiel eine weitere Dimension hinzufügt. Das ist von Kästner und auch vom Regie-Team, das die Figuren gekonnt aufs glatte gesellschaftliche Parkett führt, raffiniert gemacht. Allerdings wird diese Raffinesse von einer etwas zu dicken Schicht Klamauk fast überdeckt.
Etwa von den Gesangseinlagen zur Überbrückung der Umbaupausen: entbehrlich. Außerdem hätte der Abspann ein wenig gestrafft werden können. Bis das Kuddelmuddel entwirrt ist, ergeben sich doch gewisse Längen. Dennoch: Insgesamt ein heiterer, unterhaltsamer Abend, den das Premierenpublikum begeistert gefeiert hat.