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"Tschick" wird im Grabbe-Haus fortgeführt

Thomas Krügler

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Fortsetzung von „Tschick": Die Jungs – Thomas Ehrlichmann (links) und Adrian Thomser – fahren davon. Isa (Wenja Imlau) bleibt allein zurück. - © Thomas Krügler
Fortsetzung von „Tschick": Die Jungs – Thomas Ehrlichmann (links) und Adrian Thomser – fahren davon. Isa (Wenja Imlau) bleibt allein zurück. (© Thomas Krügler)

Detmold. Ein Pianist sitzt da und spielt was Jazziges. Er verspielt sich – „Scheiße!" –, fängt noch mal an. Der Improvisationscharakter ist eröffnet. Rund 60 Zuschauer des Theaterstücks „Bilder deiner großen Liebe" werden im Grabbe-Haus mit hineingenommen ins Leben der 14-jährigen Isa, in ein verrücktes Leben, das nicht rund läuft.

Atemlos schmeißt sie sich auf die Bühne und schwebt über dem Abgrund. „Der Abgrund zerrt an mir. Aber ich bin stärker." Sie ist Protagonistin des letzten unvollendeten Romans von Wolfgang Herrndorf (1965 – 2013). Nachdem bei ihm ein bösartiger Hirntumor festgestellt wurde, beging er Selbstmord. Das hat er mit Isa gemein, die verspielte Suizidgedanken hat und tablettensüchtig ist.

Der Roman wurde posthum veröffentlicht und macht als Bühnenstück Karriere. Die junge Schauspieltruppe um Wenja Imlau, die bezaubernd die hellsichtige Hauptfigur verkörpert, hat das Stück unter der Regie von Natascha Mamier in der Reihe „Chapeau!" inszeniert, in der Künstler des Landestheaters in loser Folge Überraschungsprogramme präsentieren.

Die Geschichte ist eine Fortsetzung des Erfolgsromans „Tschick" aus der Sicht von Isa. Sie steht im Hof einer Anstalt. Das Tor geht auf, Isa huscht barfüßig hinaus und beginnt ihre geheimnisvolle Reise, durch Wälder, Felder, Dörfer und an der Autobahn entlang. Ein „Road-Movie zu Fuß".

„Die Sterne wandern, und ich wandere auch", sagt Isa und begegnet freundlichen wie rätselhaften, schlechten wie traurigen Menschen. Einem Binnenschiffer (Adrian Thomser), der vielleicht ein Bankräuber ist, und einem Schriftsteller als Sensenmann (Hubertus Brand).

Später trifft sie zwei Jungs, einer davon, der schüchterne Nette (Thomas Ehrlichmann), gefällt ihr. Es beginnt eine Romanze. Isa fühlt erstmals die große Liebe. Die Jungs lassen sie allein zurück. Sie beschließen, sich in 50 Jahren wiederzutreffen.

Einsamkeit als existenzielle Erfahrung

Ihre Einsamkeit ist nicht die Einsamkeit des Verlassenseins, sondern eine existenzielle Erfahrung. Isa ist kein bedauernswertes Opfer, sondern eine starke, junge Frau, die der Brutalität des Lebens im Angesicht des Todes die Stirn bietet. Herrndorf hat bis zu seinem Tod daran gearbeitet, diesem Mädchen eine Geschichte zu geben und entwirft eine traurige und doch poetische Welt. Live-Musik auf Klavier und Bassgitarre steuerte Daniel Vila Sao Marcos bei.

Das Publikum gab lang anhaltenden Applaus und war tief beeindruckt.

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