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In der Pathologie geht’s um Gut und Böse

20.000 Gewebeproben werden pro Jahr auf Tumorzellen untersucht

Martin Hostert

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Detmold. Am Ende kommt das Gespräch dann doch noch auf den Tatort. Zu Recht erst so spät und nur ganz kurz: Mit dem Sonntagabend-Fernsehen hat der Berufsalltag des Pathologen nämlich nichts zu tun.

Vielmehr geht es zu allererst darum, Gewebe zu untersuchen: Ist die Probe gut- oder bösartig, leidet der Patient an Krebs oder nicht? „Einer muss das bestimmen – und das ist der Pathologe“, erklärt Dr. Torsten Hansen. Der 39-Jährige ist seit zwei Jahren Chef der Pathologie im Klinikum Lippe und untersucht und dokumentiert mit einem Team von fünf Ärzten und 17 medizinisch-technischen Assistenten und Sekretärinnen Gewebeproben von rund 20.000 Patienten im Jahr.

Jeder operierte Blinddarm und jede Gallenblase landet unter seinem Mikroskop. „Wir begutachten auch deswegen alles, um einen bösartigen Tumor zu bestätigen oder auszuschließen“, erklärt der Mediziner und nennt ein Beispiel: „In jedem 100. Blinddarm-Operationspräparat findet sich ein bösartiger Tumor.“ Krebs werde nicht selten „zufällig“ diagnostiziert, daher ist die Pathologie sozusagen eine Form der Qualitätssicherung. In den Besprechungen mit den Kollegen der anderen Krankenhausabteilungen wird etwa dreimal wöchentlich über Patienten diskutiert, „und die Weichen, wie es weitergeht, stellen wir dort zusammen.“

Durch diesen wichtigen Austausch mit den anderen Medizinern des Hauses bekommen die  Gewebeproben Namen und Schicksale.  Ansonsten geht es in der Pathologie klinisch-distanziert zu.  Die  altehrwürdigen Räumlichkeiten des Diakonissen-Mutterhauses stecken voll modernster Technik. Patientengespräche finden äußerst selten statt, hier herrscht Laboratmosphäre in gekachelten Räumen. Die medizinisch-technischen Assistenten bereiten in einem aufwendigen Verfahren die Gewebeüberprüfung vor. Sie  schneiden kleinste Teile,  entwässern die in Formalin fixierten Proben, gießen sie in Paraffinwachs, raspeln von diesem eine hauchdünne  Schicht ab und geben diese auf ein Glasplättchen.  „Es darf nur eine vier Mikrometer dünne Wachshaut bleiben“, erklärt Dr. Hansen. Die Kollegen an den Arbeitstischen bräuchten große Erfahrung, um nicht zu viel des Paraffins „abzutrimmen“, wie es im Fachjargon heißt. Denn dann würde ja die Gewebeprobe zerstört.

Schließlich erhalten die Ärzte am Institut das Gewebestück zurück, mikroskopieren und begutachten es. Verwechslungen seien ausgeschlossen, betont der Mediziner, die Proben werden konsequent durchnummeriert. Wenn Gewebe während der laufenden Operation eines Patienten untersucht werden muss, gibt es ein deutlich schnelleres Verfahren.

Den 20.000 Probenuntersuchungen  stehen lediglich etwa 20 Obduktionen von Leichen  gegenüber – von Menschen,  deren Todesursache oftmals  unklar ist. Rechtsmediziner à la Tatort gibt es in Detmold nicht, doch Kollegen des rechtsmedizinischen Instituts der Uni Münster nutzen zur Obduktion die Pathologie in Detmold, wenn die Staatsanwaltschaft dies anordnet.

Dr. Hansen sieht die eher geringe Zahl der Leichenöffnungen kritisch. Die Zahlen würden  aus verschiedenen Gründen sinken. So verweigerten Angehörige vermehrt die Zustimmung oder man verzichte aufgrund vieler schnellerer Untersuchungsverfahren auf die aufwendige Obduktion. Die Untersuchung der Toten aber nutze auch den Lebenden, sagt Hansen. Bestimmte  Nebenwirkungen von Medikamenten würden erst in Sektionsstudien nachgewiesen, und Obduktionen seien wichtig für die Ärzte-Ausbildung und für einen extrem verantwortungsvollen Berufsalltag, fernab von Professor Boerne & Co.

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