Die legale Downhill-Strecke am Hermann scheint schon vor Ablauf der zweijährigen Probezeit zum Rohrkrepierer zu werden. Lange hatte es gedauert, bis die legale Strecke überhaupt erst eingerichtet wurde - zwei Jahre war die eingeplante Probezeit für das Projekt. Doch schon jetzt herrscht auf Seiten der Jugendlichen Unmut. In unserer Multimedia-Reportage kommen beide Seiten zu Wort.
Video: Die Sportler brauchen den Kick
Der Blick ist nur noch auf die Strecke gerichtet. Noch schnell betätigt Louis Kaper die Auslösertasten der beiden „GoPro"-Action-Kameras an seinem Helm und Bike, bevor es für ihn die steile Abfahrt über etliche Wurzelpassagen hinuntergeht. Jetzt ist maximale Konzentration in jeder Millisekunde gefordert. Louis Kaper vergisst alles um sich herum. Er konzentriert sich voll auf sein Bike, brettert den steilen Abhang so schnell es geht herunter und springt dabei über etliche Hindernisse. "Hier, in der Natur, kriege ich den Kopf frei", beschreibt der 16-jährige Extertaler seine große Leidenschaft.
Es sind sportliche, aber zugleich auch gefährliche Herausforderungen, denen sich ein Downhill-Fahrer stellen muss. Jeden Tag zieht es den Teenager deshalb nach der Schule in den Wald, um an seiner Performance zu arbeiten. Youtube-Videos inspirieren ihn immer wieder dazu, Neues auszuprobieren. „Man kann so vieles mit dem Bike machen, es ist so abwechslungsreich. Das ist einfach geil", schwärmt Louis Kaper.
Knochenbrüche hat er sich glücklicherweise bisher nicht zugezogen, Prellungen oder Schürfwunden seien hingegen halbwegs normal, sagt er. Nicht umsonst handelt es sich bei Downhill um eine Extremsportart, bei der nicht nur die Widerstandsfähigkeit des Rades, sondern auch das Können eines jeden Fahrers gehörig auf die Probe gestellt wird. Da gehören Stürze halt dazu.
Die Biker begeben sich nahezu ausschließlich auf eigene Gefahr ins Grüne. Denn echte Downhiller nutzen häufig illegales Terrain, um ihrer Leidenschaft nachgehen zu können. Schließlich geht es darum, ein steiles Gelände zu finden, auf dem schnelles Bergabfahren auf grobem, mit natürlichen Hindernissen gespicktem Untergrund möglich ist. Mit anderen Worten: Es geht querfeldein durch den Wald - und das ist strengstens verboten und wird mit Bußgeldern geahndet. Doch Jugendlichen, die auf dem Rad den Kick suchen, ist das egal. Illegal hin oder her - auch in Lippe hat sich Downhill zu einer Trendsportart entwickelt.
Audio: Was erwarten die Sportler?
So entstand die legale Downhill-Strecke
Mit steigender Beliebtheit des Downhill-Sports errichteten Jugendliche schon vor Jahren im Hiddeser Wald eine Abfahrtsstrecke. Das Gebiet gehört dem Landesverband Lippe, dessen Forstabteilung sich fortan immer wieder mit Regelverstößen der Sportler auseinandersetzen musste - bis vor drei Jahren schließlich die Strecke komplett beseitigt wurde. Sehr zum Verdruss der Jugendlichen.
Doch das Problem der illegalen Downhill-Strecken durch den Wald war so natürlich nicht in den Griff zu bekommen. Der Landesverband verfolgte gemeinsam mit dem Verein Bike-Sport-Lippe einen anderen Plan: Unterhalb des Hermannsdenkmals, in der Nähe des Bismarcksteins, wurde im Juni 2016 in Detmold die erste, legale Downhill-Strecke in ganz Ostwestfalen-Lippe eröffnet.

Ein kleines, aber sehr steiles Stück des Hermannsweges ist dafür freigegeben worden. Seitdem wird der Wegabschnitt genauestens beäugt. Denn die Bike-Route hat nur eine Zukunft, wenn sie von den Sportlern auch angenommen wird. Zwei Jahre dauert die Probezeit. Sollte sich bis dahin die Zahl der illegalen Fahrer nicht drastisch verringern, ist das Projekt gestorben.
Video: Das sagt der Verein zur Strecke
Auf dem rund 750 Meter langen Forstweg gibt es nur wenige charakteristische Merkmale eines anspruchsvollen Downhill-Geländes. Zwar geht es rund 120 Höhenmeter steil bergab bis ins Heidental. Da sind Geschwindigkeiten um die 50 bis 60 Stundenkilometer keine Seltenheit. Doch gängige Hindernisse wie "Wallrides", „Tables", „Kicker" oder herausfordernde Wurzelpassagen sind nirgends zu finden.
- Berm: steile Kurve aus Erde. Gibt Gegenhalt am Reifen, Fahrer kann sich richtig reinlegen.
- Drop: Ein Höhenfall. Der Fahrer lässt sich herunterplumpsen.
- Gap: Eine Lücke, die übersprungen werden muss.
- Kicker: eine Rampe, die den Fahrer hoch in die Luft katapultiert.
- Table: Trapezförmiges Hindernis mit Absprungrampe oder eine gerade Fläche und abfallende Landung hat
- Wallride: Nahezu senkrechte, kurvige Fläche aus Holz, Felsen oder Erde
Kein Wunder also, dass die Strecke von den Jugendlichen nicht angenommen wird. Immerhin: Rechts und links vom Weg seien bereits Fahrspuren entstanden, erklärt Kristopher Klein vom Bike-Sport-Lippe, der federführend für die kleine Downhill-Sparte des Vereins aktiv ist und das Areal am Hermann ehrenamtlich betreut. "Es ist noch Potenzial vorhanden, da wir bislang noch nicht das ganze Gelände von den Resten der Forstarbeiten befreien konnten."
Allerdings brauche es dazu die Mithilfe der jugendlichen Sportler - und die vermisst Klein: "Wir wollen ja allen die Möglichkeit geben, ihrem Sport legal nachgehen zu können. Da wäre etwas mehr Engagement als bisher ganz schön".
Video: Das kann noch verbessert werden
Erprobte Downhiller lockt die derzeitige Strecke jedenfalls nicht vom Sofa - sie suchen sich nach wie vor eigene, illegale Wege. Der fehlende Zuspruch spiegelt sich auch ein wenig in den aktuellen Mitgliederzahlen der Downhill-Sparte des Bike-Sport-Lippe wider. Klein: "Momentan haben wir drei echte Downhiller, die unserem Verein angehören, aber auch unsere Cross-Country und Marathon-Fahrer sind gerne mal auf der Strecke unterwegs." Schon kurz nach Eröffnung sank die Mitgliederzahl.
Viele Downhiller sind enttäuscht
Zu den ehemaligen Vereinsmitgliedern zählt auch Tim-Erich Reineke aus Detmold, der vor drei Jahren eine Online-Petition für die Errichtung einer legalen Downhill-Strecke ins Leben rief und dafür mehr als 2.000 Unterstützer fand. Er ist mit der bisherigen Entwicklung alles andere als zufrieden. Man verliere schnell die Lust am Fahren, weil die Strecke nicht anspruchsvoll genug sei, sagt der 22-Jährige.
Stand heute ist das Thema Downhill am Hermann aus seiner Sicht verfehlt worden. „Denn so ist es nichts Halbes und nichts Ganzes”, sagt Tim-Erich Reineke. Er hat sich bereits mit 14 Jahren der Sportart verschrieben. "Wir würden alle gerne legal fahren, aber die Strecke wird in ihrem aktuellen Zustand den Ansprüchen nicht gerecht.”
Video: Das sagen die Jugendlichen
Dieter Kube vom Regionalforstamt Lippe weiß um die Problematik der Strecke: "Waldbesitzer, Politik und Forstbehörde haben einen Lösungsansatz gefunden, der zwar nicht optimal ist, aber das Problem der illegalen Nutzung eingrenzt", sagt Kube, der dabei sowohl den forstrechtlichen als auch den finanziellen Aufwand im Blick hat. Die Umnutzung des ehemaligen Wanderwegs sei somit die eleganteste Lösung gewesen, um den Jugendlichen eine legale Alternative zu bieten.
Alles andere wäre deutlich teurer geworden: Mitten im Forst eine Piste auf Waldboden auszuweisen und diese dann mit passigen Hindernissen zu versehen, hätte bedeutet, dass man die betroffene Waldfläche zu einem richtigen Sportgelände hätte umfunktionieren müssen. Die Kosten für die Aufforstung einer Ersatzfläche hätten rund 20.000 bis 30.000 Euro betragen.
Einen anderen Ansatz bieten sogenannte Bike-Arenen, wie es sie in Willingen und Winterberg gibt, findet Uwe Seidel. Für den Vorsitzenden des rund 80 Mitglieder zählenden Vereins Bike-Sport-Lippe haben diese klaren Vorbildcharakter.
Etwas vergleichbares könne er sich auch für die heimische Region vorstellen. "Der Landesverband müsste sich eigentlich mal ein Bild von den Parks dort machen, um zu erkennen, welches Potenzial hier für den Tourismus liegt. Und wie sich das Erlebnis Wandern mit Radfahren gut kombinieren lässt", sagt Seidel.
Die Downhiller sind am Zug
Doch um eine solche "große Lösung" überhaupt jemals in Betracht zu ziehen, müsste erst einmal die vorhandene, kleine Lösung auf mehr Akzeptanz stoßen. Noch wartet Kristopher Klein vom Bike-Sport-Lippe auf die tatkräftige Unterstützung durch die Downhiller, um die Trassen links und rechts der Strecke von immer noch herumliegenden Kronenholz befreien zu können.
Sollte es gelingen, den Weg für die Szene facettenreicher zu gestalten, könnte die Idee, Downhill in Detmold zu einem touristischen Highlight auszubauen, auch öffentliche Institutionen wie den Landesverband Lippe überzeugen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich das Downhill-Projekt in Detmold nun weiter entwickeln wird. Für Kube steht fest: "Bleiben die Downhiller der legalen Strecke weiterhin fern und bauen sich ihre eigenen Schanzen irgendwo im Wald, wird das Projekt nach Ablauf der Probezeit als gescheitert erklärt und alles rückgängig gemacht werden müssen." Die Chance, Lippe zu einer Downhill-Hochburg auszubauen, wäre damit vertan.