Von Miss Marple bis Harry Potter - "Baskerville" im Schlosshof Detmold

Detmold. Fünf großartige Darsteller in rund 30 Rollen, jede Menge kriminalistisch-komischer Zündstoff sowie ein weitläufiger Bühnenaufbau, der den Schauspielern sportliche Qualitäten abverlangt und Bewegung ins Spiel bringt: Der Sherlock-Holmes-Krimi &bdquo;Baskerville" hat eine turbulente und temporeiche Premiere erlebt. Eine zusätzliche Hauptrolle spielt in der Produktion des Landestheaters die traumhafte Kulisse: der Innenhof des Residenzschlosses.

Die Vorlage stammt von Sir Arthur Conan Doyle. Seinen Krimi-Klassiker &bdquo;Der Hund von Baskerville" hat Ken Ludwig zu einem Bühnen-Stoff verwoben, der eher grotesk als gruselig daherkommt. Unheimlich komisch und schaurig schön. Dabei wildert er ohne jeden Skrupel in verwandten und entfernten Texten, Filmen, Stücken und Genres. Und Regisseur Alexander Flache macht das Beste, was er tun kann: Er spinnt diesen Faden munter fort. Ob Miss Marple oder Frankenstein Junior, Inspektor Clouseau, Harry Potter oder &bdquo;Das Leben des Brian" – lauter textliche, optische, auch musikalische Zitate durchziehen die Inszenierung.

Dramaturgie, Inszenierung und Ausstattung sind ungemein gut durchdacht und greifen wie Zahnräder ineinander. Wenn Ausstatterin Petra Mollérus eine lang gestreckte Bühne mit drei daran verteilten Spielflächen entworfen hat, dann ist das zum einen der Tatsache geschuldet, dass alle Zuschauer möglichst gute Sicht aufs Geschehen haben sollen – aber längst nicht nur. Die Anlage erlaubt Flache zudem, raffinierte Dinge mit Zeit und Raum anzustellen. Die Strecke zwischen den Spielflächen trennt und verbindet gleichermaßen die Metropole London und die Moore von Devonshire, sie ermöglicht es auch, die Übergänge zwischen den Orten und Sprünge in der Handlung zeitlich zu gestalten. Dabei setzt der Regisseur auf Slapstick-Elemente, bremst die Figuren aus durch stürmischen Gegenwind oder per schwergängig schlingernder Fahrrad-Droschke oder drückt aufs Gas wie in der hektisch-holprigen Eisenbahnfahrt-Choreo.

Die Darsteller bewältigen derweil einen sportlichen Mehrkampf: Spielen, Rennen, Tanzen, Klettern und Umkleiden sind nur einige Disziplinen. Sie wechseln die Kostüme so rasch wie Dialekte und Rollen. Marie Luisa Kerkhoff glänzt als holde Jungfer wie als burschikoser Cartwright, als schüchterne Miss Stapleton und unheimliche Mrs. Barrymore.

Adrian Thomser flattert als verrückter Schmetterlingsforscher so überzeugend durchs Bild wie er den seriösen Dr. Mortimer, den wilden Viktor oder den zuvorkommenden Rezeptionisten mit spanischem Zungenschlag gibt.

Nils Willers stirbt in der Verkörperung der diversen Baskerville-Generationen gleich mehrere grotesk-eindrucksvolle Tode, ist als ihr lebender texanischer Nachfahre höchst lebendig und zupackend – und als tölpeliger Inspektor Lestrade unschlagbar komisch.

Den Überblick bewahren sich zu (fast) jeder Zeit Hubertus Brandt als souveräner Sherlock Holmes und Lukas Schrenk als stets leicht besorgter Dr. Watson, dem auch die Erzählerrolle zukommt.

Und was den Höllenhund angeht – darauf lieber schnell einen Schluck Baskerville Pale Ale, von Emilienbier eigens gebraut zur Produktion, die ein raffiniert gebauter, gut gemachter und toll gespielter Bühnen-Spaß ist. Chapeau!

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €

Weiterlesen mit LZplus